Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

Teil 16

 

Vegetarische Tomatensuppe

Lieber Salamander,

es tut mir fast leid, dass ich das neue heidnische Jahr mit so etwas banalem wie einem Text über Essen eröffne. Aber was soll ich tun, brennt das Thema doch in mir.

Zur Erklärung: Ich bin ein absoluter Anti-Gourmet. Meine Mutter kocht okay, aber großartige Küche ist anders (was nicht heißen soll, dass ich meine Mutter nicht liebe & nicht das meiste toll finde, was sie zaubert – aber da bin ich halt Sohn und nicht objektiv). Dazu kommt, dass ich in einer längeren Phase meines Lebens von Astronautenkost leben musste (ohne im Weltraum gewesen zu sein) und danach mein Geschmackssinn so herunterreguliert war, dass ich alles gerne aß, was nicht zu aggressiv schmeckte (will heißen: roher Mozzarella, Nüsse ohne Salz, Sojamilch – alles Dinge, die gut schmecken, aber sie sind eben auch frei von Geschmacksverstärkern und ähnlichem). Als würde das alles nicht ausreichen, musste ich 15 oder mehr Jahre meines Lebens sehr aufpassen, was ich aß und bin mit dem Kleingedruckten auf Nahrung vertraut. Damit das nicht langt, bin ich noch gegen Kokosnüsse allergisch (und reagiere ganz schlecht auf Kokosöl, weil mich der Geruch … keine Details).

Nun ist es aber so, dass die letzten Jahre die Nahrungs-Diktatur immer schlimmer wird. Erst musste alles „light“ sein oder wenigstens nach einem Fizzelchen Zitrone schmecken. Als das vorbei war, gab es Taurin und Koffein in vielen Getränken und das war gut oder gefährlich, je nachdem welcher Lehrmeinung man folgte. Das war das Schöne an Tabak: Graduell wurde ab Mitte der 80er Jahre jedem Deppen klarer und klarer, dass Tabak ungesund ist. Und dass man früher stirbt, wenn man raucht – nicht zwingend in der 1:1-Verbindung, aber doch so statistisch merkbar.

Beim Essen ist das anders. Da kann jeder Depp jeden Mist verkünden, weil es offensichtlich keine wissenschaftliche Möglichkeit gibt, hier irgendetwas nachzuweisen (oder weil man die gigantisch gestiegene Bevölkerung nicht anders ernähren kann als mit Ekel-Fleisch und widerlichen Pampen). In meiner Lebenszeit hat sich die Weltbevölkerung fast verdoppelt – wenn Fleisch deutlich „teurer“ herzustellen ist als z.B. Getreide (was irgendwie logisch ist), dann macht der Verzicht auf Fleisch Sinn, um mehr Menschen zu ernähren. Das wäre ein schöner Ansatz, einen, den ich verstehen und wahrscheinlich sogar unterstützen könnte.

Aber dem ist nicht so. Die Argumentation ist eine andere – weniger humanistisch, dafür aggressiv und zum Teil unvernünftig.

Wir wollen immer dasselbe: Unsterblichkeit bei Gesundheit. Und nicht Gleichverteilung und Gerechtigkeit. Der Vegetarier fühlt sich moralisch gut und gesund, der Veganer fühlt sich moralisch gut und gesund und dabei redewillig. Der Glutenfeind hat noch nie ein Gluten (Glutem?) gesehen, aber das ist nicht schlimm, viele Ausländerfeinde schaffen das, ohne je mit einem Ausländer geredet zu haben.

Ich schweife ab. Zurück zum Thema und meiner Verärgerung.

Ich will mich nicht verarschen lassen. Und ich will meine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, gerade bei Ernährung. Und leider sind in meiner Erfahrung die Nicht-Fleisch-Esser meist aggressiver als die Fleisch-Esser. Auch bei der Informiertheit gibt es Unterschiede – anders sind Aufdrucke wie „vegetarisch“ auf „passierten Tomaten“ nicht zu erklären. Obwohl es angeblich Umsatz-steigernd wirkt, was weniger über die Tomaten als ihre Konsumenten aussagt.

„Ohne Tierexperimente“ auf einem Sack Kartoffeln, „Gluten-frei“ auf Wasserflaschen, „natürlicher Anbau“ auf Esskastanien, „vegetarisch“ oder „vegan“ auf passierten Tomaten. Das passt in eine Zeit, in welcher der Papst progressiver ist als viele US-Politiker.

Dein Homo Magi

 

 

 

Religionen an sich sind nicht böse

 

Lieber Salamander,

 

im Moment geht eine Terrorwelle durch Westeuropa. Und immer wieder wird vor dem Islam gewarnt.

Religionen an sich sind nicht böse. Es gibt moralisch bessere und moralisch schlechtere, es gibt glaubwürdiger und unglaubwürdigere. Mit Ideologien geht es mir genauso. Es gibt welche, die finde ich von der Grundidee her strunzdumm, andere finde ich schön, fast schon idealistisch, aber wir Menschen sind dafür nicht gemacht. Das gilt auch für einige Religionen, die ein Menschenbild zu Grunde legen, das ich mit dem vorhandenen Material an Humanoiden unrealistisch finde.

Aber Religionen an sich sind nicht von Grund auf böse. Sie und die sie repräsentierenden Wesen/Gottheiten existieren nicht in einem Limbo und harren darauf, dass es Wesen gibt, die sich ihnen anschließen. Obwohl es ein schönes Fantasy-Motiv ist, dass Götter nur so mächtig sind, wie die Zahl ihrer Anhänger groß und mächtig ist. So, als könnte man einen Gott schwächen, wenn man die Zahl seiner Gläubigen reduziert. Das mag realweltlich so aussehen, wenn man sich die Geschichte betrachtet, aber wie ist dann das „Schlafen“ der heidnischen, nordischen Götter über Jahrhunderte zu erklären? Gab es Restgläubige, die das Feuer am Brennen hielten und darauf warteten, dass wir es wieder schüren? Vielleicht schon. Aber auch das ist eine Glaubensfrage, keine Frage, die man rational diskutieren sollte.

Der Islam ist nicht böse. Es sind die Menschen, die sich selbst dem Islam verschreiben und Dinge tun, die böse sind. Alles Taten, die das Strafrecht abdeckt – Mord ist strafbar und verwerflich, egal, von wem und aus welchen Motiven er heraus begangen wird. Natürlich gibt es Situationen – Notstand, den Schutz von Unschuldigen und das „Tötungsrecht“ des Staates, wenn Todesurteile in der Strafordnung möglich sind – in denen das anders zu diskutieren ist. Der Polizist, der schießt, um einen Mord zu verhindern, handelt nicht als Mörder, sondern er will einen Mord verhindern. Bei Todesurteilen bin ich anderer Meinung als die Mehrheit … es gibt für mich zwar Gründe, einen Menschen zu töten, aber ich maße mir das Recht nicht an, darüber eine Entscheidung zu treffen.

Städte zu bombardieren, um damit Menschen dafür zu bestrafen, dass einige (wenige) unter ihnen Städte sprengen, das ist der falsche Weg.

Es bleibt uns nur, das zu tun, was die Franzosen auch versuchen: Weiter auf die Straße gehen, weiter unser Leben leben und mit aller Kraft gegen das vorzugehen, was hinter diesen Verbrechen (ja, es sind Verbrechen, das ist für mich undiskutabel) steckt: Angst. Terroristen sind ängstliche Menschen. Sie stellen sich nicht den Problemen der Welt, sondern sie versuchen, das zu vernichten, was ihrer Meinung nach die Grundwurzel allen Übels ist. Und wenn das in ihrer eingeschränkten Sicht die westliche Welt mit ihren Werten und Idealen ist, dann ist das eben ihr Ziel.

Natürlich haben wir in den letzten Jahrzehnten einiges falsch gemacht – wir als westeuropäische Wertegemeinschaft. Waffenhandel, Stellvertreterkrieger, mangelnde Entwicklungshilfe, Ausbeutung der 2. und 3. Welt. Aber es gibt Ideale, die wir die ganzen Jahrzehnte (meist) hochgehalten haben: Freiheit, Demokratie, Humanismus. Wir müssen uns auf diese besinnen, um uns klar zu werden, was uns stärkt.

Und ganz ehrlich: Wir können, nein, wir müssen allen möglichen Wesen dafür danken, dass nicht ein irrer Attentäter mit einem Thors-Hammer oder einem Pentagramm um den Hals einen Bombengürtel trägt und diesen zur Explosion bringt. Die Hausdurchsuchungen, die Fahndungen, die Hetze in den Medien – können wir uns dem erwehren? In dem gesellschaftlichen, unorganisierten Zustand, dem wir uns als „organsierte Heiden“ gerade befinden? Wahrscheinlich nicht. Nein: sicherlich nicht. Wir haben (noch) wenig Fürsprecher, haben noch zu wenig selbst von dem vorgelebt, was wir dann einfordern müssten: Solidarität.

Ich versuche, diese Überlegung immer im Hinterkopf zu behalten, wenn es darum geht, eine bestimmte Glaubensrichtung per se zu verdammen. Es ist schwer, aber es muss gehen. Sonst haben wir den Kampf um den Humanismus verloren. Endgültig.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rodolfo

 

Lieber Salamander,

 

der Herbst geht schon in den Winter über, und Du hast noch keine richtigen Leseempfehlungen von mir für die kalten Monate bekommen. Gut, dann beginnen wir damit.

„Ich – Rodolfo – Magier“ von Otto F. Beer ist bis jetzt an mir vorbeigegangen. Ein Wühltisch und ein „Zufall“ haben es möglich gemacht, dass ich den im Paul Zsolnay-Verlag erschienenen Hardcover günstig erstehen konnte (damals erschienen in der wohlfeilen Reihe „Die phantastischen Romane“, herausgegeben von Phantastik-Fachmann Franz Rottensteiner).

Inhaltlich geht es um einen Varieté-Zauberer, der sein Leben vom Ende der 20er Jahre in Österreich über den Kriegsausbruch (den er in Italien erlebt) bis in die späten 70er-Jahre beschreibt. So findet sich der Vater, der sich von der Familie abwendet, aber im SS-Ahnenerbe einsteigt. Dann kommt der Krieg, eine Internierung in Frankreich, später der Kontakt nach Amerika und eine Verabredung mit John F. Kennedy.

Nun ist Rodolfo aber nicht nur ein Kartenzauberer, sondern er kann wirklich Magie – anfangs schafft er es nur, kleine Gegenstände verschwinden und wieder auftauchen zu lassen. Später marschiert er durch Wände, bewegt Gegenstände mit der Kraft seiner Gedanken und kann ein wenig die Zukunft vorhersagen. Gerade diese Aussage gegenüber Präsident Kennedy macht eine Einflussnahme auf die Weltpolitik unmöglich – denn das Attentat auf Kennedy in Dallas sieht er nicht vorher.

Rodolfo hat schöne Frauen, Affären, Ehen, aber keine Kinder. Er ist in Hollywood, in Wien, in Nizza und an den Stätten der Schönen und Reichen. Sein Leben wird aber immer von einer zweiten, magischen Ebene durchdrungen – wunderschön seine Anwesenheit in einem Treffen von Pseudo-Esoterikern in den frühen 60ern. Witzig, ohne verletzend zu werden, und dazu großartig erzählt.

Am Ende wird einiges klar und unklar. Für mich als Leser stellen sich eigenartige Fragen: Ist er wirklich tot? War er vielleicht schon immer der unsterbliche Graf von St. Germain, der nur mal wieder in eine menschliche Hülle schlüpft?

 

Man legt das Buch während des Lesens nicht weg, aber am Ende ist man begeistert, wenn man durch ist. Mit solchen Werken kann der Winter kommen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Zombies und Gefühlsvampire

 

Lieber Salamander,

 

am Wochenende war ich auf einer Fortbildung. Und als ich mal probeweise in einer Trance versank und eigenartige Visionen hatte (gelogen: es ist alles wahr) konnte ich sie sehen: die Gefühlsvampire.

Es ging um eine Rückführung, Erinnerungen an die Szenen einer Jugend und Kindheit, die wohl nicht sehr prickelnd gewesen sein kann. Und während vorne versucht wurde, ganz vorsichtig in die tieferen Schichten des Bewusstseins vorzudringen, um einem Menschen zu helfen, saßen SIE im Kreis herum. Mit großen Augen und offenstehenden Mündern, fast schon sabbernd, lauschten sie aufmerksam jedem Wort aus einem fremden Leben, das hier vor ihnen ausgebreitet wurde.

Jedes Wort aus der intimsten Schicht wie Honig vom Löffel ableckend und dabei die Augen gierig, fast orgiastisch, verdrehend – so folgten sie jedem Wort hingebungsvoll, hatten Freude daran, wie sie tiefer und tiefer und tiefer in fremdes Leid hinabtauchten.

Erschreckend.

Aber irgendwann wurde mir klar, was hier passiert. Denn das Lösen fremder Blockaden durch fremde Gewalt und fremdes Leid – das kennt man doch aus dem Fernsehen. Da werden in jedem Krimi und in jeder Vorabendserie erfundene oder echte Geheimnisse aufgedeckt. Und unsere Medienindustrie flankiert das mit Promi-Berichten und Promi-Spielshows und Promi-News. Aber im Gegensatz zum Fernsehen ist man hier im Stuhlkreis ganz nahe dran, kann die Angst riechen, die Tränen fast schon schmecken.


 

Ich hatte leider keinen Holzpflock dabei.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Am Kreuzweg der Zeit

 

Am Kreuzweg der Zeit steht seit uralten Zeiten

die Kneipe, die lang‘ vor uns Menschen bestand.

Von dort führen Straßen und Wege und Pfade

in jedes am Anfang erschaffene Land.

 

Wo bemooste Pfeiler, Zinken am Baume,

metallene Schilder die Straßen markier’n,

wo Lieder, Gedichte, Sinnsprüche, Zauber

für wissende Wege und Tore tradier’n.

 

Früh hier nackte Sohlen den Boden verehrten,

flog SPQR als der Römer Geleit.

Vandalen, Awaren, Zigeuner wie Kelten,

sie alle hier reisten im Ablauf der Zeit.

 

Kreuzritter mit Weihrauch und Goden mit Runen,

drei Wicca-Touristen und Avalons Brut,

Templer und Ketzer, Häretiker, Hexer,

Stella Matutina und Silberweg-Blut.

 

Ein Bier an der Theke wird jedem geboten,

die Münze ist Silber, doch langt auch ein Lied.

Das Gastrecht ist ehern und uralte Sitte –

Wer weiß schon, was hier nach dem Fortgang geschieht?

 

Der Ort hier – so hell wie die Kerze im Fenster –

spendet dem Wanderer klärendes Licht.

Drum wartet nicht länger, los: bucht eure Betten!

Die Kneipe am Kreuzweg ist Ostara Pflicht!


 

Zeitrechnung

 

Lieber Salamander,

 

in meinen Bemühungen, einen Asatru-konformen Kalender bzw. eine entsprechende Zeitrechnung zu entwickeln, lasse ich mich durch nichts bremsen. Mein erster Versuch, von dem ich heute berichten will, ist die Einführung eines Neuner-Systems in der Zeitrechnung. Die 9, nicht die 12, ist doch die heilige Zahl der Asatru!

Folgende beeindruckende Verhältnistabelle ergibt sich, wenn man sich dem Thema nähert:

 

Jahr

 

 

 

 

 

 

X

Monat

 

 

 

 

 

X

12

Woche

 

 

 

 

X

4

48

Tag

 

 

 

X

7

28

356

Stunde

 

 

X

24

148

532

6384

Minute

 

X

60

1440

(5-S.)

 

 

Sekunde

X

60

3600

(5-S.)

 

 

 

 

Sekunde

Minute

Stunde

Tag

Woche

Monat

Jahr

 

Ich hoffe, das Verständnis ist einfach. Eine Sekunde (linke Spalte) passt 60 x in die Minute (bei „Sekunde“ mit dem Finger nach rechts fahren, bis unten „Minute“ steht). So geht das dann immer weiter; fünfstellige Zahlen habe ich ignoriert, das Verhältnis bleibt dann gleich.

Und was ergibt sich? Man kann die Verrechnung in unserem Kalender nicht einfach auf Asatru umschalten. Nur zwei Mal sind die Faktoren im Neunersystem abbildbar: im Verhältnis von Sekunden zu Stunden und im Verhältnis von Minuten zu Tagen (3600 bzw. 1440).

Aber das lässt sich einfach (und völlig unmythologisch) erklären. Im ersten Fall (Sekunden zu Stunden) ist der Faktor eigentlich 60 Sekunden pro Minute und 60 Minuten pro Stunde. Aber als Faktoren sind die 60 jeweils 3 * 4 * 5, damit ist am Ende die 9 in den kombinierten 3 * 3 * 4 * 4 * 5 * 5 enthalten. Bei dem Verhältnis Minuten zu Tagen setzt sich die 1440 aus 24 * 60 zusammen, also 2 * 2 * 2 * 3 und 3 * 4 * 5. Und hier ist die 3 wieder zwei Mal enthalten (2 * 2 * 2 * 3 * 3 * 4 * 5), so dass der Faktor 9 entsteht. Also ist die 9 zwar enthalten, aber nur durch mathematische Kombinationen.

Und wo soll man aus der „Edda“ herleiten, dass die heilige Zahl 9 natürlich im Verhältnis von Sekunde zu Stunde versteckt ist … schwierig.

 

Aber für die Uhrzeit habe ich eine Lösung. Zumindest beim Ziffernblatt ist es einfach, die 12 Stunden auf dem Ziffernblatt mit 9 Ziffern abzudecken. Der Faktor wäre dann x 1,33 (eigentlich x 4/3, da ich die Periodezahl hier nicht darstellen kann. Also sähe das für die Uhrzeit so aus:


 

 

Alte Zeit    Asatru-Zeit

1:00          1:20

5:00          6:40

6:00          8:00

8:00          10:40

Super, oder? Und die Ankündigung, ein Morgensonneritual wäre um 5.00 Uhr Frühstück dann ab 6.00 Uhr wird mit dieser Umrechnung für die Asatru viel akzeptabler …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Selbstdiagnose

 

Lieber Salamander,

 

letzte Woche hatte eine eigenartige Sichtung: Einen in sich geschlossenen Regelkreis der Heilung. Dieser Regelkreis sah folgendermaßen aus:

Der Heiler diagnostizierte erst selbst, was er hatte.

Dann behandelte er sich selbst.

Dann evaluierte er seine Erfolge.

Feststellung: Die Symptome waren fort, die Heilung war also erfolgreich. Da der Regelkreis der Heilung funktioniert hat, konnte er jetzt hinausgehen, um eine von ihm an anderen diagnostizierte Heilung bei anderen zu behandeln. Am Ende stellte er dann selbst fest, ob (und meistens: dass) es geklappt hat. Zurück auf Feld 1.

Für mich ist das kein Regelkreis der Heilung, sondern ein in sich geschlossenes System des Selbstbetrugs. Und wieder einmal bin ich erschrocken vom Umgang mit der Gesundheit anderer Menschen. Wer sich selbst betrügen will – bitteschön. Aber bevor man das anderen tut, sollte man wenigstens fünf Minuten lang die Vernunft walten lassen und sich irgendwie eine 4-Augen-Situation mit ins Boot holen, damit man jemand anders hat, der einen auf Fehler hinweist, die man wegen des Balkens im eigenen Auge nicht sehen kann.

Zuviel erhofft, vermute ich.

 

Dein Homo Magi


 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

 

Viele Ruhestätten bergen

tote Dichter deutscher Zunge.

Sie sind nicht mehr und Thalias Odem

fließt nicht mehr aus ihrer Lunge.

 

Hoffmann, wo deine Verse schlafen,

im Schatten alter Klostermauern,

da kann im Idyll verwoben

dein Grab den Zeitlauf überdauern.

 

Wispernd spricht dort nur die Erde,

Steine geben schweigend Kunde,

Bäume, Hecken, selten Blumen

bilden letzte lauschend‘ Runde.

 

Manchmal dringt auch leises Säuseln,

dringt nah Wasser aus dem Grunde.

Schließ ich meine Augen bringt es

aus Arkadien frohe Kunde.

 

Du Uhland-Freund, Eulalia-Deuter,

warst oft verfemt – trotz deiner Gabe.

So ist es gut, dass dich am Ende

der Flügel schützt von Corveys Rabe.

 

Der Wunder größtes ist die Liebe,

der Wunden größte: Einsamkeit.

Manch Lied von dir liegt gut vergessen,

doch mancher Vers lockt durch die Zeit.

 

So manchmal wünscht sich meine Seele

du würd’st dich einmal nur erheben

und mir, du bartgeschmückter Heros,

ein paar Reime übergeben.


 

Jahresende

 

Lieber Salamander,

 

das Jahr endet. Draußen ist nichts davon zu merken, dass es irgendwann mal Winter werden könnte. Früher waren es die russischen Wettermaschinen, heute ist es die globale Erwärmung. Die Erklärungen passen sich den Zeitläufen an, ohne dabei besser oder glaubhafter zu werden. So ist das halt mit dem Leben – die Geschichten werden nicht besser, aber sie verändern sich immerhin.

Ähnlich ist das mit der Magie, mit dem Zauber allgemein. Meine Hexereien verändern sich. Ich lasse mich weniger von den Gefühlen leiten, sondern setze mehr und mehr mein Gehirn ein. Wobei ich lustigerweise dabei mehr auf den Bauch vertraue. Das klingt auf den ersten Blick paradox, nicht wahr?

Ich habe gelernt, meinem Bauch zu trauen und bestimmte Dinge nicht zu tun oder lieber etwas Zeit vergehen zu lassen, bevor ich handle. Die Geschwindigkeit ist aus vielen Dingen raus – jener Wunsch, sofort zuzuschlagen oder zu beißen, der Wille, eine Auseinandersetzung hier und jetzt und sofort zu beenden. Mein Bauch rät dann oft zur Besonnenheit, was in den meisten Fällen sinnvoll ist.

Mein Verstand hat in den letzten 30 Jahren gelernt, dass Magie nicht heißt, dass man etwas schnell lösen muss. Keine Feuerbälle mehr, begleitet von irisierenden Farben, glühendheißen Blitzen und Musik von Devo. Zumindest nicht, wenn es nicht nötig ist. Sondern einfach Dinge tun, die andere Dinge verändern. Kleine Impulse setzen, die im Laufe von Stunden, Tagen oder Wochen zu mehr und mehr werden und am Ende riesige Effekte erzielen, die man ihnen nicht gleich zugetraut hätte.

Ein wenig wie der Flügel des Schmetterlings, der einen Sturm auslöst.

Komisch, aber Bilder, die ich vor 30 Jahren nicht verstanden habe, fallen langsam in das Puzzle. Altersweisheit oder einfach nur ein Lernprozess. Ich weiß es nicht und eigentlich ist es mir auch egal. Der Erleuchtung ist es egal, wie du sie erlangst, um ein brillantes Bonmot zu zitieren.

Magie nur mit den Händen. Das habe ich vor 30 Jahren geträumt, als ich das erste Mal „Der Rabe“ mit Vincent Price gesehen habe. Alle Bücher, alle Kurse, alle Veranstaltungen, alle Rituale – sie haben mir mehr an Göttlichem gegeben, aber die wahre Lehre an Magie war für mich Vincent Price. Und die Lehre, dass man nicht immer die Effekte braucht, um etwas zu erreichen. Die Effekte sind nur für die Beobachter (wie die Schokoladentünche auf der Wiederbelebungspille in „Die Braut des Prinzen“).

Mal sehen, was die Zukunft bringt. Ich bin heiter.

 

Dein Homo Magi


 

Steinkreise

 

Lieber Salamander!

 

Wenn man sich ein paar Stunden gönnt, um sich ein wenig mit Esoterik, Heidentum, Steinkreisen und Wicca zu beschäftigen, dann kann man das auch entspannt tun, wenn man einen DVD-Player samt Fernseher besitzt. Denn: „Children of the Stones“, eine englische Fernsehserie für Kinder aus dem Jahre 1976, bietet all das.

1.   Gute Schauspieler

Hauptdarsteller Gareth Thomas ist ein aus vielen Serien (u.a. „Blake’s 7“ und „Star Maidens“ – deutsch als „Die Mädchen aus dem Weltraum“, gemeinsam mit Pierre Brice) bekannter Mime. Bis in die kleinsten Rollen ist die Serie gut besetzt – glaubhafte Schauspieler in glaubhaften Rollen.

2.   Tolle Musik

Unfassbar gute Sachen, erinnern irgendwie an eine Mischung aus „2001“, Kirchenmusik und Horror-Filmen der 90er.

3.   Tolle Titel

Es geht um einen Steinkreis. Und die Titel der sieben Folgen spielen von „In den Kreis“ über „Kreis der Angst“ bis „Geschlossener Kreis“ mit dieser Symbolik.

4.   Bilder

Die Serie wurde in Avebury gedreht – inmitten eines Steinkreises. Ich will nicht zu viel über die Handlung verraten (es ist eine Kinderserie – aber spannend! Ich zitiere die englische Wikipedia: “The series is today considered a landmark in quality children‘s drama and has been called »the scariest programme ever made for children«.”[1]). Aber die stehenden Steine sind immer wieder Thema. Und die Aufnahmen – Luftaufnahmen, Standfotos, Filmsequenzen zwischen den Steinen – setzen diese Megalithbauten unfassbar gut in Szene.

5.   Der Rahmen

Wicca. Archäologie. Geschichte. Wiedergeburt. Kreise.

 

Angucken. Es gibt eine nette Box davon, die sollte man sich leisten. Und keine Angst vor dem Englisch: Die Bilder alleine sind es eigentlich wert.

 

Dein Homo Magi


 

Veteranen der Sprache

 

Lieber Salamander,

 

dass die deutsche Sprache immer mehr mit Anglizismen (eher: Amerikanismen) überschwemmt wird, ist leider wahr. Ein schönes Beispiel fand ich beim Versuch, eine Software zu ordern, im Internet (nein, ich schreibe nicht Weltnetz, der Begriff ist mir zu Nazi-affin):

In meiner Organisation gibt es keine Richtlinie oder Intention, die Mitarbeiter aufgrund von ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität, Religion, Alter, Behinderung, Geschlechtsidentität, Familienstand, Schwangerschaft, sexueller Orientierung, politischer Zugehörigkeit, Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Veteranenstatus bei der Einstellung, dem Arbeitsentgelt, dem Zugang zu Weiterbildung, der Beförderung, der Kündigung und/oder des Ruhestandes diskriminiert.[2]

Abgesehen vom holperigen „in meiner Organisation“ und der sehr nervigen „Geschlechtsidentität“ ist es besonders der Veteranenstatus, der mich überrascht. Veteranen?

Beim Suchen im Internet (ich schreibe nicht googeln, weil ich Google nicht dafür verwende) findet man schnell, dass amerikanische Firmen (Beispiel: youtube[3]) das 1:1 vorgeben. Also: Wer einmal übersetzt hat, ist als Quelle immer viel billiger als eine eigene Übersetzung.

Der Online-Duden schreibt zum Veteranen[4]:

  1. jemand, der (besonders beim Militär) altgedient ist, sich in langer Dienstzeit o. Ä. bewährt hat
  2. Oldtimer

Oldtimer stelle ich nicht ein (eigentlich ja „Altzeiter“ auf Deutsch), und eine lange Dienstzeit bei der Bundeswehr ist irgendwie niemals Entscheidungskriterium. Wenn man in die USA schaut, dann ist das sehr wohl so. Aber dann müsste man ja mehr tun, als nur übersetzen – man müsste auch nach dem Sinn fragen. Und das machen Amerikaner prinzipiell nicht, und uns wird es Stück für Stück aberzogen.

Sogar Veteranen der Sprache wie mich.

 

Dein Homo Magi


 

Folge der Kalebasse

 

Hallo Salamander,

 

eine Kalebasse ist eine Kürbisflasche beziehungsweise ein Flaschenkürbis. Schön ist, dass das englische Wort „gourd“ wie Gurke klingt und geschrieben auch so aussieht, aber einen Kürbis bezeichnet. Da ist wohl irgendein Gemüse-feindlicher Stamm links abgebogen, während die Gemüse-Richtig-Benenner rechts abgebogen sind. Und bis heute gibt es also die Sprachtrennung Gurke/Gourd, die sicherlich keine Kriege hervorgerufen hat. Aber bei der Kalebasse geht es dann wieder – die heißt auf Englisch „calabash“.

Ein anderer Begriff ist das englische „dipper“ – eine Kelle. Das Sternbild Großer Wagen heißt auf Englisch „the great dipper“, also eigentlich irgendwie „Riesenlöffel“. Der Große Wagen wiederum ist nur ein Teil des Großen Bären. Was ich nicht wusste, sind die tollen Namen der sechs hellen Sterne: Alioth, Mizar, Benetnasch, Megrez, Phekda, Merak und Dubhe.[5] Arabische Namen … im Moment politisch nicht so gewollt, dass wir uns daran erinnern, wie wichtig die Araber immer wieder für uns waren. Mit dem Großen Wagen (der als „Polweiser“ dient), findet man leicht den Polarstern.

Der „Drinking Gourd“, also die Kalebasse, war der Tarn-Name (oder einfach der Name in ihrer Sprache?) für den Großen Wagen. So kommen wir zum „Follow the Drinking Gourd“, also einem „Folge den Sternen“. Denn für die Sklaven in den US-Südstaaten waren die Sternbilder wichtige Hinweise auf ihrem Weg in den Norden. Und als ich kürzlich auf einer CD das Lied „Follow the Drinking Gourd“ hörte (und erst „Drinking God“ verstand, was eine Menge über mich aussagt), fing ich an, das zu hinterfragen. Und ich fand eine gute Erklärung:

The American folksong Follow the Drinking Gourd was first published in 1928. The Drinking Gourd song was supposedly used by an Underground Railroad operative to encode escape instructions and a map. These directions then enabled fleeing slaves to make their way north from Mobile, Alabama to the Ohio River and freedom. Taken at face value, the „drinking gourd” refers to the hollowed out gourd used by slaves (and other rural Americans) as a water dipper. But here it is used as a code name for the Big Dipper star formation, which points to Polaris, the Pole Star, and North.[6]

Auch wenn die neuere Forschung wohl erbracht hat, dass das Lied nicht so authentisch ist, wie es auf den ersten Blick erscheint[7] - die Geschichte dahinter scheint zu stimmen.

Und dann fällt der Kopf in den Nacken und man schaut hinauf in den Sternenhimmel. Dann überlegt man sich, wie viele Lieder von Sternen handeln. Wie viele Weihnachtslieder verehren den Stern, und nicht den Messias? Mithras ist ein Sonnengott, wie auch Baldur. Man kommt sofort ins Nachdenken.

„Der große Wagen bringt dich heim“ … vielleicht schreibe ich das Lied ja noch.

 

Dein Homo Magi


 

Unsterbliche Frauen

 

Lieber Salamander,

 

gerade hatte ich sie für ein Rollenspiel mental reaktiviert: Ayesha, „she who must be obeyed“.[8] Ich sage nur so viel: Fantasy, Frauen, Fehden.

Nachdem meine arme Abenteuergruppe im Rollenspiel die Information verdaut hatte, dass eine untote Vor-Ägypterin einen Auftritt hatte, war ich dann fast schon erschrocken, als ich am letzten Abend des Spielewochenendes meine E-Mails anschaute – ich hatte Post von Ayesha. Kein Scherz. Sie schrieb mir:

Mit einem tiefen Blick in Ihr LinkedIn-Profil, kann ich Ihnen sagen, einen sehr guten Ruf haben, dachte ich, diese Gelegenheit kann für Sie von Interesse sein, wenn nicht Ich entschuldige mich für das Eindringen. Ich bin Ayesha Gaddafi die Tochter des ehemaligen Führer von Libyen (Col. Muammar Gaddafi), habe ich Business-Vorschlag, sucht derzeit Seriöse Firma / Person, die wie mein Partner agieren. Kindly wieder zu mir zu mehr Information.

 

Regards

Ayesha Gaddafi

Email:ayeshgadd@gmail.com

Nun gut. Ich habe gar keinen LinkedIn-Account deswegen dort kein Profil. Wahrscheinlich gilt hier „no news is good news“, denn mein guter Ruf sorgt dafür, dass sie eindringen will (eigentlich müsste das sexistisch interpretiert umgekehrt … lassen wir das). Der ehemalige Führer („s“ fehlt) hat wirklich eine entsprechende Tochter, sie lebt im Oman.[9]

Wie soll der Business-Vorschlag einer Diktatorentochter aussehen? Und was antworte ich „kindly wieder zu mir“ für mehr Informationen?

Ayesha, altes Haus - bist du wirklich unsterblich? Doofe Gesprächseröffnung. Und irgendwie will ich nicht unsterblich werden, wenn der ehemalige lybische Führer damit verknüpft ist. Irgendwie ist das … unrein.

Verwirrt bin ich trotzdem. Aber das ist wahrscheinlich am Ende nur einer jener Zufälle, mit denen Gott uns beweisen will, dass es ihn gibt.

 

Dein Homo Magi


 

Wenn ich aus dem Fenster schaue

 

Lieber Salamander,

 

wenn ich auf der Arbeit aus dem Fenster schaue, sehe ich zwar nicht die Externsteine, aber ich muss nicht weit mit dem Auto fahren, um sie zu besichtigen. Und da ich jeden Tag den Lokalteil der Zeitung lese, bin ich eigentlich gut informiert über das, was dort passiert – dachte ich. Das mag natürlich daran liegen, dass ich kein Drache bin.

Wie? Nun, das Internet hilft uns weiter. Also:

Während alle Augen auf Flüchtlingskrise, Terroranschläge, Sex-Mob und andere globale Krisen gerichtet sind, vollziehen sich auf der geistigen Ebene erstaunliche und mutmachende Veränderungen. Knotenpunkte der Leylinien (=Drachenlinien) werden von den negativen Energien befreit und richten sich neu aus. Das alte verkrustete System unter der Herrschaft bestimmter Kreise hingegen siecht in seinen letzten Zügen dahin und versucht verzweifelnd mit False Flag Aktionen einen Dritten Weltkrieg anzuzetteln. Gezielte Sticheleien wie die Sex-Mobs an Silvester in ganz Europa gehören zu ihrer Strategie und sollen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzen, was letztendlich in bürgerkriegsähnlichen Zuständen enden soll, damit dann hinterher die „Befreier“ ihre Eine-Welt-Regierung unter dem Applaus der Bevölkerung durchsetzen können.

Dabei verlieren die Eliten langsam den Überblick, da immer mehr Menschenseelen aufwachen und das perfide Spiel durchschauen, was eine enorme lichtvolle Energie auch für die Erde freisetzt und eine Verschiebung der Energiestruktur auf der Erde zum Wohle aller Lebewesen in Gang bringt. Diese globale Verschiebung wurde u.a. möglich durch die Befreiung einiger Leylinien-Knotenpunkte, die bis zuletzt wichtige energetische Eckpfeiler der dunklen Mächte waren.[10]

Aha. Die Mächte hinter den Sex Mobs speisen ihre Energie aus Leylinien-Knotenpunkten. Schon klar. Aber was hat das mit mir zu tun?

Der Leylinien-Knotenpunkt und Kraftort „Externsteine“ im Teutoburger Wald befindet sich momentan in einem dramatischen Befreiungs- und Transformationsprozess. Die Externsteine wurden vor Jahrtausenden wegen seiner außergewöhnlichen dort strömenden Energien von den dunklen Mächten zur Implementierung ihrer Dominanz und zur Ausdehnung ihres kriegerischen Einflusses auf der Erde kurzerhand „zweckentfremdet“ (…). Leylinien werden traditionell auch Drachenlinien genannt und sind im ursprünglichen Sinne „Lichtlinien“ und „Hellwege“, an denen in germanischer und keltischer Zeit Drachen die Funktionen von Wächtern übernahmen. Drachen waren also in vorchristlicher Zeit nichts „Böses“ (…). Erst die Christen später verteufelten Drachen und machten aus ihnen Ungeheuer und schlangenartige Wesen. Der griechische Drakon, von dem diese Bezeichnung herrührt, war ein Archont, dessen Strafen so drastisch waren, dass man sie drakonisch nannte. Umso erfreulicher, was derzeit bei den Externsteinen vor sich geht:

„Über die Externsteine haben bis jetzt mehr als 100.000 Drachen die Erde verlassen und fliegen heim. Es ist ein Exodus ohnegleichen und er dauert an. Die Drachen sind sehr froh, endlich frei zu sein. Sie sind von den Archonten gezwungen worden die Kontenpunkte [sic!] der Leylinien zu bewachen und im Sinne der Archonten dort die (dunklen) Strukturen einzuprogrammieren. Jetzt sind diese Knotenpunkte ohne Energie und Programmierer.“ Quelle: Leylines-Informant[11]

Abgesehen von sprachlichen Eigenartigkeiten (und den großartigen Kontenpunkten an den Ley-Linien) bleibt die Frage, wie die Externsteine vor Jahrtausenden von dunklen Mächten übernommen wurden (wahrscheinlich lange bevor sie als Kultort genutzt wurden) – um dann erst jetzt Sex Mobs damit zu organisieren.

Denken wir einen weiteren Moment nach: Drachen passten früher auf die Leylinien auf und erst die Christen haben sie verteufelt. Aha. Siegfried und andere Drachentöter als vorchristlichen bzw. klar heidnischen Mythen … alles Tarnung, vermute ich mal. Und 100.000 Drachen haben die Erde schon über die Externsteine verlassen – nachts, weil man sie dann nicht sieht, vermute ich. Komisch, dass keiner meiner Kollegen irgendwas davon mitbekommen hat.

In China übrigens, wo der Drache mit Wasser und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wird, gilt er auch heute noch als Glücksbringer. Im deutschen Sprachraum wird der Drache auch als Lintwurm bezeichnet [lint = leuchtend (!), dies also der Zusammenhang zu den Lichtstationen (=Leylinien).[12]

Wir lassen das mit „lint“ als „leuchtend“ mal stehen, obwohl es meinen Suchaktionen nach falsch ist. Ist trotzdem lustig. Weiter:

Es wird sich zeigen, was jetzt passiert. Bis leider auf kleinere Attentate wie heute in Istanbul wird es den von einigen Schwarzsehern vermuteten Genozid an 5-10 Millionen Deutschen nicht geben. Die meisten Migranten werden sich nach der Umstellung größtenteils wieder Richtung Heimat begeben. Sie sind gesellschaftlich noch rund 150 Jahre hinter uns und brauchen die Familienstrukturen um sich wohl zu fühlen. Das fehlt ihnen hier u.a. Zudem bleiben die Willkommensgeschenke, die ihnen von bezahlten Schleusern versprochen wurden wie Auto, Wohnung und Geld vom Staat aus. Die Kriminellen und Söldner von Sylvester, die für die Sex-Mobs verantwortlich sind, verschwinden spätestens sobald die Zahlungen aus USA und Saudi-Arabien ausbleiben.[13]

Die bösen Kräfte sind an anderer Stelle tätig. Die Behauptungen über Migranten hier sind nicht nur Quatsch, sondern dumm. Wie ist man denn gesellschaftlich noch rund 150 Jahre hinter uns und welche Familienstrukturen sind gemeint? Eltern, die ihre Kinder gemeinsam groß ziehen? Ehen nur zwischen unterschiedlichen Geschlechtern? Kein Missbrauch von Kindern für Sex? Oder die abendliche Gemeinschaft vor dem Fernseher? Die Fußball-Fans? Und – waren nicht gerade die dunklen Mächte an den Sex-Mobs schuld – Saudis stecken hinter dem Missbrauch der Externsteine und die USA kämpft heimlich gegen Drachen?

Die Neuprogrammierung der neuen Knotenpunkte und der Leylinien hat noch nicht begonnen, es liegt dort entweder ruhig oder baut sich erst noch auf. Bis das gesamte neue Netz steht, wird es noch einige Zeit dauern. Um das neue Gitternetz der Erde aufzubauen, braucht es noch viele erwachende Menschen mit Klarheit, Bewusstheit und mit einem offenen Herzen.[14]

Ja sicher das. Entweder es hat noch nicht begonnen oder es ist ruhig oder es baut sich auf. Oder es ist alles wahr oder es ist alles falsch oder es ist alles Blödsinn. Oder alles alles davon. Oder.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Abschied von Telefonnummern

 

Lieber Salamander,

 

heute ging ein alter Freund von mir in Rente. Okay, irgendwie der aktive Teil der Altersteilzeit oder so etwas. Auf jeden Fall war er heute das letzte Mal an seinem Arbeitsplatz.

Seine Telefonnummer am Arbeitsplatz gehört zu den weniger als zehn Telefonnummern, die ich auswendig kann. Früher war mein Gedächtnis besser. Vielleicht war es auch so, dass die drehbare Wählscheibe an unseren Telefonen einfach dazu führte, dass man das Muskelgedächtnis mehr in die Nummern eingebunden hat. Die waren für mich noch Jahre später rekonstruierbar, wenn ich überlegte, was meine Finger für Bewegungen gemacht haben. Die Nummer meine Mutter, die alte Arbeitsnummer meines Vaters, die Telefonnummer meiner magischen Ausbilderin (im Ausland), mein eigenes Handy, zwei oder drei Freunde, dann noch die Arbeitsnummer jenes Freundes. Mehr Sachen kann ich in dem Bereich nicht auswendig.

Okay, ich hatte zwischendurch einen Gedächtnisverlust und ich werde auch älter. Trotzdem war es heute schmerzhaft, ein letztes Mal die Nummer anzurufen und mich von der Nummer und vom Anrufen auf seinem Arbeitsplatz zu verabschieden. Wie oft hatte ich früher seine Kollegin mit der netten Stimme am Telefon (versetzt), dann immer mal wieder seinen Chef (der auch glauben muss, dass ich der schwule Liebhaber war). Es war immer nett. Ein paar Sätze morgens, 30 Jahre oder so.

Wir werden alle älter. Und jener Freund ist auf den Tag genau neun Jahre älter als ich. Eine magische Zahl, die 9. Aber auch ein Indiz dafür, dass ich irgendwann in das Rentenalter komme. Nur nicht in 9 Jahren, weil ich zu jener Alterskohorte gehöre, deren Rentenbeiträge von unseren Eltern aufgebraucht und verschleudert worden sind. Mit 65 gehe ich sicher nicht in Rente, wenn ich noch Arbeit habe. Über vorher brauche ich nicht nachdenken – außer mein Jahreslos der „Aktion Mensch“ spuckt die Sofortrente aus. An Hobbies hätte ich genug zu bieten, um die Zeit zu füllen. Aber der soziale Rahmen der Kollegen würde mir fehlen.

Komisch. Ein Brief an eine alte Telefonnummer. Quersumme 2. 11 Ziffern. Unbrauchbarer Datenmüll in meinem Gehirn. Ab heute. Wie so vieles andere. Das Gefühl, einen Joystick in der Hand zu halten. Die Drehscheibe eines Wähltelefons. Die Verpackung von „Raider“. VHS-Kassetten. Die alte Klarsichtfolie, die früher zwischen Käsescheiben war. Ein Radio mit magischem Auge.

Vom Winde verweht.

Eine Lehrstunde in Vergänglichkeit.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Eigene Siege

 

Lieber Salamander,

 

die Berichterstattung über Nordkorea macht mir immer ein wenig Angst. Nicht wegen der Nordkoreaner (die sind weit weg) oder deren Atomwaffen (die sind weit weg), sondern wegen der Überlegungen, die man dabei für und über sich selbst anstellen muss.

Die Nordkoreaner wurden mal Opfer eines richtigen guten Netz-Witzes. Okay, ich weiß nicht, ob die Nordkoreaner überhaupt außerhalb der Clique der schlimme-Frisuren-Träger Internet haben, aber mal angenommen, sie hätten das: Da ging es darum, dass die Nordkoreaner durch deren Geheimdienst immer wieder so geschickt in Fußballspiele reingeschnitten worden sind, das am Ende für den nordkoreanischen Fernsehschauer klar war, dass in Wirklichkeit Nordkorea Fußballweltmeister ist.

Und dazu dann Kim-Il-Andscharo als Fußballgott und Lichtgestalt schlechthin (korrupter als mancher Fußballmanager ist der auch nicht). Und natürlich ist das deswegen lustig, weil man den Nordkoreanern das zutraut – die sind irgendwie die Antwort auf das Rumänien der 70er-Jahre, nur auf einem anderen Kontinent. Und wir als Überlebende Wiedervereinigung bangen ein wenig mit den Südkoreanern davor, dass deren nordkoreanische DDR zusammenbricht.

Aber mal ganz ehrlich – wissen wir, ob alle Fußballübertragungen, nein, überhaupt alle Sportveranstaltungen wirklich weltweit identisch übertragen werden? Würden wir je erfahren, dass die Peruaner seit 1970 glauben, sie hätten jede Weltmeisterschaft im Handball gewonnen? Oder dass es Sportarten geben könnte, deren Landes- und Kontinentligen bei uns völlig ausgeblendet werden?

Sind wir zum Beispiel bei Faustball Lachplatte des Kontinents, weil unsere Mannschaft da andauernd peinlich verliert? Glauben nur wir, wir würden guten Fußball spielen – und der Rest ist über die Medien längst manipuliert? Was ist mit Tennis, sowieso eine Sportart, der ich zutiefst misstraue – das könnte man für kleines Geld fälschen, zwei Spielerinnen in kurzen Höschen, dazu ein maximal 300 gelangweilte Personen umfassendes Stadium. Das ist doch in einer halben Stunde mit dem billigsten Flashmob der Geschichte gefälscht. Okay, Snooker ist noch billiger zu fälschen – aber da glaube ich sowieso nicht – von Darts wollen wir erst nicht reden, das kann für jede Nation der Welt mit unterschiedlichen Siegern in derselben Kneipe gedreht werden.

Nordkorea ist nur lustig, wenn man nicht zu lange über die Realität nachdenkt. Und: Ist wirklich wahr, was wir über Nordkorea denken? Oder ist das vielleicht ein blühendes Land voller glücklicher Menschen, und wir dürfen da nicht hin, um nicht die Wahrheit zu erkennen?

Ich weiß es nicht. Und das ist im Zeitalter der (angeblich) totalen Information schon wieder Balsam für die Seele.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Abschied

 

Lieber Salamander,

 

manches Mal liest man Texte, hört man Lieder, die so gut sind, dass man Tage, nein Wochen lang keine einzige Zeile mehr zu Papier bekommt, weil man genau weiß, dass man selbst nie nie nie einen solchen Effekt erreichen kann. So ging es mir bei „Wenn das Eisen mich mäht (Abschied)“ von Josef Luitpold (Text) und Béla Reinitz (Musik), gesungen von Ernst Busch:

Wenn das Eisen mich mäht,

Wenn mein Atem vergeht,

Sollt stumm unterm Rasen mich breiten.

 

Lasst das Wortgespiel,

‘s war kein Held, der da fiel,

War ein Opfer vergangener Zeiten.

‘s war einer, der nie nach Völkermord schrie,

War ein Bürger kommender Zeiten.

 

Wenn das Eisen mich mäht,

Wenn mein Atem vergeht,

Sollt stumm unterm Rasen mich breiten.

„Bekannt geworden ist es durch Ernst Busch, dem dieses Lied viel bedeutete, und der es sich als Abschiedsgruß für seine eigene Beerdigung wünschte.“[15]

Ernst Busch, alter Sack, und schon wieder hast du ich voll ins Herz erwischt.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Rita

 

Lieber Salamander,

 

da habe ich jahrelang „Lovely Rita“ von den Beatles gehört – und jetzt muss ich feststellen, dass die Beatles damit offensichtlich entweder dokumentieren wollen, dass sie von nordischem Glauben keine Ahnung haben oder sie hatten vor, in Melodie und Text ein übles Wesen zu preisen.

Wie bitte? Die Beatles? Noch einmal: Die Beatles sind keine Asatru und können keine Runen lesen. Sonst wäre ein Lied wie „Lovely Rita“ unmöglich, denn „rita“ ist eine „pejorative Bezeichnung für einen Unhold/Übeltäter“.[16]

Zu dem bösen Fremdwort heißt es in der Wikipedia:

Als Pejorativum (Pl.: Pejorativa) oder Pejorativ (Pl.: Pejorative) (zu lat. peior ‚schlechter‘) wird in der Sprachwissenschaft, namentlich in der Semantik, ein sprachlicher Ausdruck dann genannt, wenn er das mit ihm Bezeichnete „implizit abwertet“. (Das zugehörige Adjektiv pejorativ bedeutet ‚abwertend‘.) Ein Pejorativum ist demnach keine grammatikalische Wortart, sondern deutet auf die Absicht des Sprechers hin, mit einem solchen Ausdruck etwas oder jemanden bewusst schlechter darzustellen. Hinsichtlich der Wortbildung sind Pejorativa oftmals durch bestimmte Vor- oder Nachsilben gekennzeichnet. Ausdrückliche Pejorativa sind Schimpfwörter; ähnlich einem Pejorativum ist ein Dysphemismus. Das Gegenteil eines Pejorativums ist die Affirmation.[17]

Wieder zwei Dinge gelernt: Etwas über Rita und die Beatles und eine Fremdwortlektion frei Haus dazu. Und dann sage einer, Runenbücher würden nicht bilden.

 

Dein Homo Magi


 

Herzliche Segenswünsche

 

Hallo Salamander,

 

meine Mutter räumt daheim auf. Ob sie noch einmal umziehen will und wird – wer weiß. Aber jetzt hat sie die Glückwunschkarten zu meiner Konfirmation wieder gefunden. Nein, das müsste man eigentlich in Anführungsstrichen setzen, das wieder gefunden. Sie wusste sicherlich über 30 Jahre lang sehr genau, wo die Karten lagern. Kein Mensch hat sie vermisst, aber jetzt sind sie wieder da.

Also, Konfirmationskarten. Drauf: In den 70er-Jahre-Modefarben Lila und Dunkelrot eine Art Kreuz, darunter „Herzliche Segenswünsche. Darin dann Grüße der katholischen Nachbarsfamilie und eine krakelige Handschriftennotiz von mir zum Geschenk: „Meister des Grauens“. Ich erinnere mich: Das war eine gebundene Ausgabe von klassischen Grusel- und Gespenstergeschichten. Sogar an das Titelbild kann ich mich erinnern.

Zur Konfirmation?

Von Katholiken?

Das macht mir jetzt Angst. Noch mehr als der Gedanke an meine Mutter, die mit der Grubenlampe auf der Stirn im Keller nach alten Bildern und Briefen sucht. Gru-se-lig.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Bürgerkrieg und Enterprise

 

Hallo Salamander,

 

mal wieder habe ich im Auto Arbeiterlieder gehört, so auch das schöne „Hans Beimler, Kamerad“, gesungen von Ernst Busch. Irgendwie war ich neugierig, die Lebensdaten von Hans Beimler zu erfahren. Das tat ich – aber was durfte ich in der Wikipedia über seine Nachfahren erfahren:

Der am 28. April 1921 in München geborene Sohn Beimlers Johann wurde 1937 in Moskau wegen angeblicher Teilnahme an der Vorbereitung eines Attentates auf Stalin verhaftet, später vermutlich wegen seines bekannten Vaters freigelassen und konnte nach Mexiko fliehen. Dort wurde Johanns Sohn Hans Anthony Beimler geboren, der später als Drehbuchautor für Fernsehserien wie Star Trek: The Next Generation und Deep Space Nine arbeitete.[18]

Die deutsche Wikipedia hilft einem jetzt nicht weiter, wenn man etwas über Hans Anthony Beimler erfahren will, aber in der englischen Version wird einem weiter geholfen:

Beimler gained a position on the staff of television series Fame as a screenwriter, and went on to work for shows such as Knightwatch before gaining a staff position on Star Trek: The Next Generation.

Beimler wrote multiple episodes of, and worked as a story editor and co-producer for, The Next Generation from 1988 to 1990. (…) He was then co-executive producer, director, and writer for the short-lived series TekWar, before working on Star Trek: Deep Space Nine from 1995 to 1999. He had an uncredited appearance as a holodeck character in the series‘final episode, „What You Leave Behind“.[19]

„What You Leave Behind“ – das, was man hinter sich lässt. Das passt doch zur Familie Beimler, zur Geschichte der deutschen Republik und ein wenig auch zu „Raumschiff Enterprise“. Der Drang hinaus, der steckt in beidem, im Revolutionär wie im Raumschiffkapitän.

Seine Heimat musst er lassen

Weil er Freiheitskämpfer war

Auf Spaniens blut'gen Strassen

Für das Recht der armen Klassen

/: Starb Hans, der Kommissar. :/[20]

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Erinnerungen

 

Lieber Salamander,

 

meine Mutter hat angefangen, in meinem Elternhaus ein wenig aufzuräumen. Jetzt fand sie 40 Jahre alte Umschläge mit Mitteilungen meines Vaters. Wir waren damals als Kinder mit Mutter im Urlaub, er war arbeiten. Also gab er uns für jeden Tag eine Wundertüte mit – so waren diese auch benannt, aktuell schaue ich gerade auf eine „Spezial-Wundertüte“. Darauf der Hinweis: „Beim Mittagessen zu erbrechen!“

Enthalten sind sein Passfoto, seine Visitenkarte, eine Postkarte meiner Heimatstadt – der Rest ist im Lauf der Zeit verschwunden. Ich weiß sogar noch genau, wie: Tag-genau. Denn er hatte von seinen Dienstreisen immer fremde Währung mitgebracht. Diese schenkte er uns tageweise als Taschengeld, sortiert nach Land.

Heute undenkbar: Fremde Währung aus vielen Ländern, die heute in der Euro-Zone sind. Ganz schön schwer vorstellbar, dass es damals nicht sehr weit war, wenn man 8 oder 10 fremde Rechnungen mit einer Autofahrt einsammeln wollte. Und natürlich war das meiste „konvertierbare Währung“, also keine der schönen Münzen aus obskuren Ostblockländern. Heute alle in der Euro-Zone, wenn ich das mal so nachschieben darf.

Mein kleiner Bruder und ich waren jeden Tag auf der Bank, um die Münzen und kleinen Scheine umzuwechseln. Mal war es weniger als eine Mark, mal ein paar Mark für uns beide. Und das Geld haben wir dann brüderlich geteilt und sind losgezogen. In mir hat dieses Geld ein Sammelgebiet begründet, das mich bis heute begleitet. Ich habe von den Einnahmen „Perry Rhodan“-Comics gekauft. Und das allein war ein wichtiger Grundstein für mein späteres Leben, den man Vater damit mitfinanziert hat. Danke dafür.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Heute früh

 

Lieber Salamander,

 

heute früh saß ich beim Arzt. Ein Facharzt – da bin ich manchmal morgens der Einzige, der entspannt herumsitzt. Nach 30 Jahren in solchen Wartezimmern habe ich einen entspannten Umgang mit meiner Erkrankung gewonnen, so dass mir das keine rechte Angst mehr einflößt. Ich nutze die Zeit, um mich beim Klatsch und Tratsch über europäische Fürstenfamilien auf den aktuellen Stand zu bringen. Ansonsten sitze ich und lese.

Die Praxis öffnet vor 8.00 Uhr, aber die Ärzte haben erst ab 8.00 Uhr Sprechstunde. Wegen der Parkplätze und wegen der Entspannung, die eine zu frühe Anreise bringt, war ich schon um 7.30 Uhr da. Also saß ich im Wartezimmer und las Zeitung, als nacheinander die Patienten eintrudelten. Ein Paar machte mich aufmerksam. Sie war maximal Anfang 20. Wächserne Haut, geschwollene Tränensäcke, zittrige Stimme und zitternde Hände. Offensichtlich war sie stark untergewichtig, so dass ich mir meinen Teil schon zusammenreimen konnte. Auf jeden Fall hatte sie schreckliche Angst. Er schien ihr Freund zu sein, dabei sah er mindestens zehn Jahre älter aus als sie. Zurückweichender Haaransatz, teures Rasierwasser, teurer Anzug, Lederschuhe. Er führte sie um 7.55 Uhr in den Warteraum. Nachdem sie saß, sprang er sofort wieder auf und fragte (ziemlich laut) an der Anmeldung nach, wie lange es dauern würde, bis „sie“ dran käme. Man meinte, dass würde bestimmt noch 20 Minuten dauern. Glücklich lächelnd eilte er wieder zu uns in das Wartezimmer und verkündete ihr, dass es ihr doch bestimmt recht sei, wenn er noch einmal kurz verschwände. Er würde nur „schnell“ in die Firma fahren, sich einloggen (Zitat: „Damit meine Arbeitszeit beginnt“), ein paar E-Mails checken, seine Jacke im Büro aufhängen und dann wäre er „gleich“ und „rechtzeitig“ wieder hier. Sie schaute ihn aus traurigen Augen an, die nur Verwirrung und Angst zeigten. Ohne ihre Antwort abzuwarten, verschwand er.

Da ich als nächster aufgerufen wurde, konnte ich nicht mehr zu ihr rübergehen und ihr zuraunen, dass sie das Arschloch in den Wind schießen soll, wenn es ihr ein wenig besser geht. Oder eher: Dass sie das Arschloch in den Wind schießen soll, damit es ihr ein wenig besser geht. So kann ich es nur schreiben: Junge Frau, wenn du das liest, weg mit dem Kerl. Er ist deiner nicht würdig. Und nicht erwachsen.

 

Dein Homo Magi

Comics und Tätowierer

 

Lieber Salamander,

 

eines Tages fand ich einen Zettel im Briefkasten, dass mein Paket bei „Drakdar“ abzuholen sei. Nun gut, ich wohne noch keine drei Monate in dem Haus, also muss man nicht wissen, wer „Drakdar“ ist. Nach Durchsicht aller Klingelknöpfe wurde aber schnell klar, dass weder im Haus noch links oder rechts daneben eine Familie diesen Namens lebt. Auch keine mit einem ähnlichen Namen, um die nächste Frage gleich abzuarbeiten. Nicht auffindbar.

Also fragte ich den Nachbarn von untendrunter, der seit drölfzig Jahren in dem Haus wohnt und jeden kennt. „Nie gehört.“ Ich sah mein Paket voll mit amerikanischen Superheldencomics schon in Paraguay enden, weil es auf seiner Odyssee zum Kunden, den es nicht gibt, immer weiter befördert wird. Dann wurde mein Nachbar nachdenklich und meinte, dass der Laden vom Tätowierer nebenan eigentlich „Drakken“ heißt.

Okay, ich wollte es überprüfen. Ein Drakken ist eigentlich ein Drachenschiff, und das wäre mir an der breiten Glasfront neben meiner Haustür sicher nicht entgangen. Also musterte ich das Schild erneut. Kein Drachenboot, aber verschlungene Symbole. Zwanzig Meter zurücktretend und die Glasfront kritisch musternd erkannte ich, dass die Bordüren die Buchstaben für Drakken bilden. Eine eigenartige Art der Tarnung, aber nicht clever genug, um mich zu täuschen.

Also nahm ich meinen Mut zusammen und ging hinein. Sofort verstummten alle Gespräche und wenige Atemzüge später auch das Geräusch des surrenden Tätowiergerätes (ich nenne es intern „Bohrer“, weil es aussieht wie ein Zahnarztgerät). Alle starrten mich an. 90 % der im Raum befindlichen untätowierten Haut befand sich auf meinem Körper, wobei ich fairerweise Vorhäute und Liderinnenseiten abgezogen hatte. Rechnerisch abgezogen, nicht von meinem Körper.

Ich räusperte mich, was die Aufmerksamkeit weiter auf mich zentrierte. „Guten Tag.“ Die Blicke wanderten an mir herunter. Einverstanden, ich kam gerade von der Arbeit – Jackett, weißes Hemd, flotter Hut, Rucksack. Aber das konnte doch nicht alles Unverständnis erklären, das mir hier entgegenschlug.

In meiner rechten Hand hob ich nun den Zustellzettel hoch und zeigte ihn allen Anwesenden. „Wenn Sie Drakken sind, dann haben Sie mein Paket.“ Ein „Keiner bewegt sich, bis ich meine Ware habe“ hätte auch gewirkt. Der jüngere Tätowierer stutzte, dann bewegte er sich vorsichtig hinter die Theke und holte meine Comiclieferung hervor. Ebenso vorsichtig übergab er mir die Waren. Wenn ich jetzt geschrien hätte „Wenn alle vernünftig sind, muss kein Blut fließen“, dann wäre es perfekt gewesen. War es nicht. Irgendwie war es trotzdem cool.

Mit meinem Paket verließ ich lächelnd den Laden. Jetzt noch die Superheldencomics lesen und nicht nur nachspielen und der Tag war super.

 

Dein Homo Magi


 

Ostara

 

Lieber Salamander,

 

es gibt Dinge, die mein Bewusstsein so überschwemmen, dass ich dann tage- oder gar wochenlang nicht schreiben kann. Okay, natürlich schreibe ich trotzdem, aber ich schreibe nicht dir.

Ein solches Ereignis war für mich Ostara. Natürlich könnte ich mich jetzt einfach aus der Affäre ziehen und nur ein „wow“ schreiben.

Wow.

 

Macht man nicht. Natürlich bin ich als Mitveranstalter auch in der Position, dass ich gerne etwas Nettes über die Veranstaltung lesen und schreiben möchte. Aber dieses Mal habe ich das überhaupt nicht nötig. Wer da war, der weiß, dass es toll war. Wer nicht da war, wird es hören. Diejenige, die uns und/oder mich vorher nicht mochten, mögen mich auch jetzt nicht. Das ist predigen vor tauben Ohren, weil da schlechte Vorerwartungen befriedigt werden müssen, die nur in den Gehirnen der Zuhörer vorhanden sind. Haken dran.

Dieses Mal kann man sich wirklich zurücklehnen. Alles richtig gemacht. Schirmchen in den Cocktail stecken, am Strohhalm ziehen und glücklich grinsen. So und nicht anders macht man das.

Programm? Keine Ahnung. Hatte zu tun.

Gäste? Großartig.

Ritual? Der Anfang war gut gemacht und sah toll aus, das Ende war ein wenig chaotisch aber trotzdem voller Energie. Was will man mehr.

Haus? Unheimlich kooperativ.

Mitveranstalter? Ein Traum.

 

Anmerkungen: Nachts kam ein Gast zu mir und bat mich um fünf Minuten meiner Zeit. Die gab ich ihm gerne. Dann erklärte er mir, dass er mich fragen möchte, ob ich bereit wäre im Falle seines Ablebens (das möglichst lange auf sich warten lassen möge) seine Grabrede zu halten. Da hatte ich Pipi in den Augen. Zugesagt habe ich natürlich.

 

Der Rahmen war da. Die Burg. Die Sterne. Der Zauber. Da sind solche Gespräche möglich. Mehr will ich nicht, aber auch nicht weniger.

 

Dein Homo Magi


 

Beraubte Ware

 

Hallo Salamander,

 

beruflich war ich jetzt gezwungen, mich mit einem Begriff auseinanderzusetzen, den ich so vorher noch nie gehört hatte: Beraubte Ware. Und den findet man nicht im Duden und nicht in der Wikipedia, sondern nur nach Suchen. Dann liest man:

Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und Hilfsorganisationen sammeln Gebrauchtkleidung, um sie an Menschen mit wenig Geld weiter zu geben. In der Regel sortieren sie die bei ihnen abgegebene Kleidung vollständig durch. Oft mit ehrenamtlichen Kräften. Sie behalten aber nur die wirklich guten Stücke. Was dagegen von schlechter Qualität ist oder sich für Projektpartner im Ausland nicht eignet, wird wieder verpackt und an die Seite gestellt.

Doch wohin damit? Häufig werden diese Reste an andere Sammler weitergegeben. Oder einfach in die Container anderer Sammelorganisationen eingeworfen, in dem Glauben, damit noch etwas Gutes getan zu haben. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Denn jetzt stehen andere Sammler vor der Frage, ob und wie sie die Reste eigentlich los werden.

Gewerbliche Textilverwerter lehnen es nämlich häufig ab, diese so genannte „beraubte Ware“ abzunehmen. Denn nur das Verwerten von gut erhaltenen Sachen ist für sie rentabel. Fehlen diese Anteile, rechnet sich das Sortieren nicht mehr. „Wer sich die Rosinen herauspickt, soll sich auch um das kümmern, was übrig bleibt“, ist deshalb die einhellige Meinung der Alttextil-Branche.[21]

Also lernt man neue Begrifflichkeiten, wenn man sich mit Textilrecycling beschäftigt. Und dann sage noch jemand, ich würde nicht in der Bildungsarbeit tätig sein.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Kathedrale aus Toilettenhäuschen

 

Lieber Salamander,

 

eigentlich besitze ich ein ausbaufähiges Humorkonzept. Trotzdem bin ich immer ein wenig baff, wenn ich solche Dinge lese:

Toilettenhäuschen, die von der Decke hängen, an der Wand liegen oder ordentlich in einer Reihe stehen: Der Künstler Andreas Slominski hat in den Hamburger Deichtorhallen eine raumfüllende Installation aus mehr als hundert mobilen Kunststoff-WCs geschaffen. Die Schau ist bis 21. August zu sehen.

„Andreas Slominski ist ein Meister der Doppelstrategien, der die Grenzen zwischen Kunst und Alltag verwischt“, sagte Direktor Dirk Luckow in Hamburg.

Auch die Innenausstattung der mobilen Toilettenhäuschen wie das Urinal, ein Toilettensitz oder der Papierrollenhalter wurden an den Wänden wie bunte Tafelbilder oder im Raum wie Skulpturen arrangiert.

„Andreas Slominski lädt ein zum Staunen, ist geistreich und gleichzeitig erheiternd“, sagte Luckow. So könne das Arrangement der Toilettenhäuschen in der 3800 Quadratmeter großen Deichtorhalle auch an eine Kathedrale erinnern: Die in einer Reihe aufgestellten blauen Toilettenhäuschen wären demnach das Hauptschiff, die an der Decke schwebenden Häuschen der barocke Kronleuchter und die roten Toilettenhäuschen symbolisierten das Rot der Kardinäle. Einzelne Häuschen könnten auch an einen Sarg oder einen Beichtstuhl erinnern, den manche Menschen auch als „Seelenklo“ bezeichneten.[22]

Wenn das ein Steinkreis aus Toiletten wäre, den er da nachbaut, oder eine Wikinger-Schiffssetzung, dann wüsste ich wenigstens sicher, dass ihm jemand dafür einen auf den Hinterkopf gibt. Zumindest verbal. So ist das nur ein weiterer Punkt in einer langen Kette, der die Entfremdung zwischen normaler Menschen und moderner Kunst beschreibt. Das ist nicht mal mehr lustig, das ist gut bezahlte Volksverarschung. Und ein weiterer Tropfen in jenem Becken, der zu Unmut und einem Misstrauen gegen „die da oben“ führt.

„Andreas Slominski ist ein Meister der Doppelstrategien, der die Grenzen zwischen Kunst und Alltag verwischt“

Unfassbar weise Worte. Kotz.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Tote Freunde im Netz

 

Lieber Salamander,

 

am Wochenende wurde ich mal wieder gefragt, warum ich auf Anfragen bei Facebook nicht antworte. Meine Standard-Antwort „ich habe gar keinen Account“ griff, aber ich überlegte mir, was da eigentlich technisch im Hintergrund passiert ist, dass alle glauben, ich wäre Kunde dieser Firma.

Also ging ich suchen. Und ja: Es gibt einen Eintrag auf meinen Namen, der auch zwei Freunde hatte – beides Menschen, die ich kannte. Dann rätselte ich eine Weile, gab meine E-Mail-Adresse und ein paar (wie ich finde: doofe) Passwörter ein und hatte auch bald Zugang zu „meinem“ Konto. 153 Freundschaftsanfragen, kein Bild von mir, zwei Beiträge: Meine Geburt (anhand des Geburtsdatums eingetragen) und meine Verlobung 2008. Jetzt grübelte ich kurz: Einfaches Passwort, Konto vor der (ersten) Hochzeit eingerichtet, zwei Leute, die auch Gäste auf der Hochzeit waren als (einzige) Freunde eingetragen. Ich vermute, man wollte mir ein Hochzeitsgeschenk machen und ich habe im Vorfeld wohl (mal wieder) gesagt, was ich vom Fratzenbuch halte, nämlich nichts. Man (ja, ich habe einen Verdacht) ließ den Plan fallen, vergaß aber irgendwie, den ganzen „Account“ zu löschen.

Das übernahm jetzt ich, acht Jahre zu spät, aber immerhin. Erst las ich brav alles über „Konto dauerhaft löschen“. Dann kam die nächste Aufforderung: „Du bist kurz davor dein Konto dauerhaft zu löschen. Bist du sicher? If so, fill the following:“ Ja, es war wirklich zweisprachig, ich habe das nicht erfunden, obwohl es alle meine Vorbehalte gegen FB untermauert.

Dann kam: „Bitte wähle alle Fotos aus, auf denen ein Tiger angezeigt wird.“ Es kamen 7 Bilder, auf denen 3 keinen einzige Tiger, 2 einen Tiger und 2 mehrere Tiger anzeigten. Ich markierte also die 2 Bilder mit „ein Tiger“ und bekam sofort eine Fehlermeldung. Bei der nächsten Abfrage habe ich dann alles markiert, was irgendwie Blumen hatte, obwohl „eine Blume“ gefragt war, und schon war ich weiter. Logisch war das nicht, aber das verlangt ja keiner. „Dein Konto wurde deaktiviert und wird innerhalb der nächsten 14 Tage endgültig gelöscht. Wenn du dich in den nächsten 14 Tagen für dein Konto anmeldest, kannst du deinen Antrag auf Löschung widerrufen.“

Habe ich nicht vor. Und ab dann sind meine Aussagen und meine Handlungen identisch – ich habe keinen Facebook-Account, auch keinen geschenkten.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Margot Honecker

 

Lieber Salamander,

 

zum Tode von Margot Honecker war ich neugierig: Ist sie die letzte Ministerin aus der Zeit der DDR (und damit meine ich die Jahre vor der Regierung Modrow beziehungsweise de Maziere), oder leben da noch welche? Immerhin ist das Geschichte, über 25 Jahre her und doch Teil unserer deutschen Biographie.

Als erstes musste ich eine Menge über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik lernen.[23] Dann lernte ich einige Ministerien kennen, von denen ich noch nie in meinem Leben gehört hatte. Der Reihe nach.

Der Vorsitzende des Ministerrates

Willi Stoph (1914-1999), verstorben[24]

Der Minister für Auswärtige Angelegenheiten

Oskar Fischer (*1923)[25]

Der Minister für Verkehrswesen

Otto Arndt (1920-1992), verstorben[26]

Minister für Post und Fernmeldewesen

Rudolph Schulze (1918-1996), verstorben[27]

Minister für Kultur

Hans-Joachim Hoffmann (1929-1994), verstorben[28]

Ministerin für Volksbildung

Margot Honecker (1927-2016), verstorben[29]

Minister für Hoch- und Fachschulwesen

Hans-Joachim Böhme (1931-1995), verstorben[30]

Minister für Wissenschaft und Technik

Herbert Weiz (* 1924)[31]

Minister für Gesundheitswesen

Ludwig Mecklinger (1919-1994), verstorben[32]

Minister für Umweltschutz und Wasserwirtschaft

Hans Reichelt (* 1925)[33]

Minister der Justiz

        Hans-Joachim Heusinger (* 1925)[34]

Minister des Innern

        Friedrich Dickel (1913-1993), verstorben[35]

Ministerium für Staatssicherheit

        Erich Fritz Emil Mielke (1907-2000), verstorben[36]

Minister für Nationale Verteidigung

        Heinz Keßler (* 1920)[37]

14 Ministerien, darunter nur eine Frau – Margot Honecker. Von Gleichberechtigung in den oberen Rängen war die DDR also von der BRD und ihrer angeblichen Ideologie weit entfernt. Aber: In der BRD waren es Anfang 1989 nebenbei 14 Ministerien (so ein Zufall), darunter ebenfalls nur eine Frau.[38]

1989 gab es in der DDR 14 Minister, davon waren zwei früher Mitglieder der NSDAP (Reichelt und Weiz). Und was für ein Altersdurchschnitt – kein Wunder bei den Geburtsjahren (1907, 1913, 1914, 1918, 1919, 1920 [2], 1923, 1924, 1925 [2], 1927, 1929, 1931). Von 82 Jahren bis zu „jungen Leuten“ von 58 und 56. Das erklärt auch, warum 9 schon verstorben sind (von der Altersstruktur her müssten das mehr sein, aber offensichtlich gab es doch eine gute Gesundheitsversorgung für die „oberen Zehntausend“ in der DDR). Aber 27 Jahre nach dem Ende des „anderen Deutschlands“ leben immer noch 5 Minister der ehemaligen DDR. Eine parallele Welt, ein zweiter Staat, der noch lebende Staatsträger hat. Wenn das keine Alternativwelt ist, dann weiß ich nicht, was … der älteste lebende Minister ist Jahrgang 1920, immerhin der Verteidigungsminister. Ich werde also hoffentlich noch das Jahr erleben, wenn die alle tot sind. Nicht, weil ich sie nicht leiden kann – sondern, weil ich jünger bin. Und dann bleibt nur die Erinnerung an die Zustände vor dem Fall der Mauer. Aber ich habe mich daran gewöhnt, dass kein junger Mensch mehr über „Geh doch nach drüben“ lachen kann.

 

Älter werden heißt auch, dass man realweltliche Bezüge verliert. Bei solchen Überlegungen lerne ich etwas über Geschichte und Politik, über mich – und über meine Eltern- und Großelterngeneration. Ich ziehe den Hut vor meinen Ahnen und entschuldige mich mental für manchen doofen Spruch.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Ritual in Berlin

 

Lieber Salamander,

 

vor ein paar Wochen war ich samt Frau zu einem Wochenende in Berlin. Eingeladen hatten eine Handvoll Berliner Heiden, von daher war das kein Museums- oder Einkaufsbesuch. Ich musste für die Rückfahrt meine Lektüre im Bahnhof kaufen, so voll war unser Tagesplan.

Ich wollte unbedingt mal wieder nach Berlin. Nicht, weil ich Berlin so toll finde (anderes Thema), sondern weil der zehnte Todestag meines Vaters und sein 85. Geburtstag hinter mir lagen. Dazu gibt es eine Geschichte: Mein Vater war in den letzten Kriegswochen Hitlerjunge in Berlin. Er hat mir (fast: leider) einiges davon erzählt. Und ich habe es jahrelang nicht geschafft, Berlin mit diesen Augen zu betrachten, die er mir damals lieh.

Jetzt ging es. Und Samstag waren wir auf einem sehr kraftvollen Ritual, irgendwo draußen in der Uckermark. Eine wunderschöne, wild romantische Gegend. Nette Gastgeber, eine tolle Stimmung. Perfektion. „Total bliss“.

Beim Blot habe ich es geschafft, auf Papa einen Schluck aus dem Horn zu nehmen. Danach machte ich einen langen Blick über die Felder, die Wiesen, hinauf zu den Gipfeln der Bäume. Schlagartig ging es mir besser – ein später Schluck, werter Vater, aber einer, der aus der Seele kam und im Herzen ankam.

 

Dein Homo Magi


 

Zeit & Uhr & Fahrt

 

Hallo Salamander,

 

wenn ich als Kind mit meiner Großmutter Zug gefahren bin, dann wurden die Aussagen über unsere Bewegung noch über erreichte Orte gemacht. Es ging brav die Strecke entlang – Cölbe, Buchenau, Biedenkopf. Dann wusste ich schon, dass wir fast da sind. Irgendwann kam dann der Wohnort meiner Großmutter, Laasphe (noch ohne „Bad“).

Heute sehe ich im Zug immer wieder Menschen, die nicht ihre räumliche Bewegung mit einer räumlichen Orientierung abgleichen (in welche Richtung bewege ich mich wie schnell und wo bin ich gerade?), sondern eine Raum-Zeit-Blase bemühen – „Wir sollten in fünf Minuten da sein.“ Verspätungsinfos der Bahn auf das Handy, Computerseiten mit Zugverspätungen, Leuchttexte im Zug, die einem mitteilen, wo man ist, wo man hin will und wo man als nächstes hin kommt.

Dabei unterschätzen die Menschen aber, dass hier zwei Dimensionskoordinatensysteme verknüpft werden, die schwer zu überschauen sind. Das eine ist die Zeitkonstante – wir bewegen uns alle gleich schnell vorwärts in der Zeit, das ist von Geburt bis Tod so. Dazu kommt dann die räumliche Ortsveränderung in mehreren Dimensionen, gekoppelt an Geschwindigkeit in einer bestimmten Richtung. Ich weiß, dass der Zug nicht pfeilgerade gleich schnell fährt, aber das ist doch das Prinzip, das dahinter steht.

Hier werden also das Zeitsystem und das räumliche System verknüpft – schon normalerweise eine Leistung, die meine Neuronen beschäftigt. Nun ist die Zahl der Informationen, die auf uns einströmen, in den letzten Jahrzehnten deutlich größer geworden, ohne dass unser Gehirn größer geworden wäre. Musik, Filme, mehrere Anzeigen, laute Unterhaltungen und mitgehörte Mobilfunktelefongespräche, all das führt dazu, dass man mehr Informationen bei mehr Störungen aufnehmen will, während man im Zug unterwegs ist.

Deshalb schaue ich brav weiterhin in gedruckte Fahrpläne, weiß immer, was auf dem letzten Bahnsteigschild stand und bin mir ganz sicher, dass die Bahn mit ihren Zügen nicht beamt. Wenn der letzte Bahnhof Cölbe war, dann ist Laasphe noch nicht dran. Egal, wie spät es ist und was die Bahn-App sagt. Wir können noch nicht da sein. Punkt.

 

Mit den jungen Magiern ist es so ähnlich. Mehr Informationen bei mehr Störungen, aber weniger Macht. Zumindest von meiner Warte aus, der ich die alten Wegzeichen und Schilder noch lesen kann.

 

Dein Homo Magi


 

Mein neues Buch …

 

Lieber Salamander,

 

ich bin eigentlich eher etwas zurückhaltend, was Werbung für meine eigenen Werke betrifft. Nein, jetzt keine Versuche, mich davon zu überzeugen, dass das der Versuch ist, Lob einzusammeln. Wer in über 30 Jahren nur zwei Lesungen macht, der macht keine offensive Werbung für seine Bücher, um damit Lob einzutreiben. Punkt.

Also: Das Thema ist esoterisch. Und ich zitiere den Werbetext, um mir nichts nachsagen zu lassen:

Es ist paradox: Wohl niemand kann sich der Faszination der Vergangenheit entziehen – und gleichzeitig wird sie in den seltensten Fällen ungebrochen reflektiert.

Der Nationalsozialismus bzw. seine Manifestation in der deutschen Geschichte ist nicht nur ein weltpolitisches Phänomen 1933–45, dessen mahnende Reflexion heute wesentlicher Bestandteil des bundesdeutschen Erinnerungsnarrativs ist. Die völkischen, faschistischen und nationalsozialistischen Diskurse und Gesellschaftsentwürfe selbst und ihre post-faschistischen Wiedergänger haben eine populärkulturelle Dimension: Es zieht sich ein roter Faden von den völkischen Utopien zur Selbstästhetisierung der faschistischen Diktaturen in Europa – und von diesen zu den modernen rechtskonservativen bis rechtsradikalen Epigonen, die sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen aus beider Zeichen- und Mythenvorrat bedienen.

Einmal mehr erweist sich die fantastische Literatur als Seismograf gesamtkultureller Zusammenhänge, finden das psychologische Spiel mit Archetypen der Fantasy und die allegorische Qualität der Science-Fiction als Ideenliteratur zu großer Wirkung zusammen. Deshalb gilt gerade für diesen literarischen Bereich in besonderem Maße: Ob affirmative faschistoide Allmachtsfantasie, weltanschaulich taubstumme Naziästhetik im Actionfilm oder geschliffene Satire – die Verarbeitung von totalitär-nationalsozialistischen Versatzstücken in der Popkultur bedarf dringend der Decodierung, damit der Umgang mit der Zeitgeschichte differenziert erfolgt.

Das ist auch die Intention dieses Buches: Diesem tumben Raunen sollen ein paar helle Beiklänge beigemischt werden, in die braunverdunkelten Geister ein kleines Flämmchen der Aufklärung getragen werden. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

Der Inhalt:

·         Wenn’s doch nur um Julius Caesar ginge. Vorwort

·         Hermann Ritter: Die geheime Weltregierung tagt in Tibet

·         Johannes Rüster: Ein Volk, ein Reich und|oder ein Führer? Von der Faszination nationalsozialistischer Alternativwelten

·         Dierk Spreen: Rechtsextreme Populärkultur. Zum mediensoziologischen und medienethischen Verständnis der Print-Science-Fiction-Serie Stahlfront[39]

 

Ritter, Rüster, Spreen, Haitel (Hrsg.), Heute die Welt – morgen das ganze Universum

Hermann Ritter, Johannes Rüster, Dierk Spreen, Michael Haitel (Hrsg.)

ISBN 978 3 95765 049 8 – EUR 11,90 (DE)

eBook-ISBN 978 3 7396 5212 2 – EUR 5,99 (DE)

 

Mein erstes Buch, bei dem meine Mutter rundum stolz auf mich ist …

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Butterblume

 

Lieber Salamander,

 

dem Delling als Gott der Butter sollte die Butterblume heilig sein. Aber zuerst muss man klären, welche der allgemein Butterblume genannten Pflanzen dafür in Frage kommen. Immerhin haben wir die Wahl zwischen dem scharfen Hahnenfuß, der Sumpfdotterblume, dem Scharbockskraut, der Trollblume und dem gewöhnlichen Löwenzahn.[40]

Fangen wir mit den einfachen Entscheidungen an: Die Trollblume ist raus. Nicht nur wegen des Namens, der einem Gotte nicht gut zu Gesicht steht. Sondern auch wegen ihrer Verwendung (gegen Skorbut) und wegen ihres Auftauchen in einem einzigen Wappen, nämlich im heutigen Polen.[41]

Warum kein Skorbut? Das ist eine Seefahrerkrankheit und Delling ist ziemlich sicher kein Schutzgott der Seefahrt oder Seefahrer. Habe ich was gegen Polen? Nein, aber eine Pflanze, die nur ein einziges Mal in einem Wappen tradiert wird, kann keine wichtige kultische Bedeutung gespielt haben.

Nächste Eliminierung: Der scharfe Hahnenfuß, denn: „Giftig sind alle Pflanzenteile (…).“ Und: „Eingenommen verursacht der Saft Brennen im Mund, Brechen, Magen- und Leibschmerzen, Durchfall, allgemeine Körperschmerzen, konvulsivische Anfälle, Betäubung, Schwindel Abnahme der Herzleistung und Dyspnoe.[42] Nichts für Delling.

Machen wir weiter. Behalten wir die „Edda“ und deren isländische Herkunft als grundlegende Quelle aller nordischen Weisheit im Auge, so fällt auch das Scharbockskraut aus, denn: „Das Scharbockskraut ist schwerpunktmäßig in Nord- und Mitteleuropa beheimatet. Es kommt aber auch in Kleinasien und in Nordafrika vor, meidet aber in Europa den äußersten Norden.“[43] Haken dran.

Es bleiben Sumpfdotterblume und gewöhnlicher Löwenzahn übrig. Machen wir jetzt einen Positivabgleich. Nach Lesen beider Beschreibungen bleibt die Sumpfdotterblume, denn hier liest man unter „Die Sumpfdotterblume im Aberglauben“ folgendes: „Wie viele andere Frühlingspflanzen galt auch die Dotterblume bei vielen Völkern als Dämonen abwehrend. An Walpurgis gesammelt und vor die Tür des Viehstalles gestreut, sollte sie die Hexen abhalten. Man gab sie auch dem Vieh zu fressen, damit die Butter das ganze Jahr eine schöne, gelbe Farbe hat. In Dänemark, Schweden und in Irland galt die (an Walpurgis bzw. Georgi gesammelte) Pflanze ebenfalls als zauberkräftig.“[44] Gelbe Butter? Walpurgis und Zauber? Die ist dem Delling heilig. Sicher.

Heil Delling!

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Kaltgerätestecker

 

Lieber Salamander,

 

da wacht man eines Tages auf und stellt fest, dass man überhaupt nicht genau weiß, was denn ein Kaltgerätestecker ist. In der Anwendung weiß ich es schon und ich konnte es mir auch erklären, ohne allzu viel Unsinn zu sagen, aber ich wollte es wissen. Das ist nicht immer das Gleiche wie es sich erklären zu können. Also, auf zu Wikipedia, dem Quell des unnützen Wissens:

Kaltgerätestecker nach der Norm IEC 60320 C13 werden für den Stromanschluss von Geräten verwendet, welche im Betrieb keine nennenswerte Wärme entwickeln (z. B. Computer, Peripheriegeräte etc.). Die maximale Temperatur an den Verbindungsstiften des Steckers darf 70°C nicht überschreiten. Der maximale Stromdurchfluss ist auf 10 A festgelegt. Kaltgerätestecker passen nicht in Warm- oder Heißgerätebuchsen.[45]

Also wurde ich neugierig und wollte wissen, was in der blöden Norm IEC 60320 eigentlich drin steht. Ganz ehrlich: Ich habe es nicht geschafft, während mein Hals immer mehr anschwoll, weil ich mich geärgert habe. Die Verweise auf der Wikipedia führten mich auf eine längere Reise von Kaltgerätesteckern zu Steckern zu Haushaltsgeräten zu europäischen Normen, aber nicht zur guten Norm IEC 60320. In der Schweiz kann man sie herunterladen (280 Franken)[46], auch die dazugehörige VDE-Norm kann man kaufen (37,31 Euro)[47]. Aber das war nicht mein Ziel, ich wollte freie Information.

Und für jemand wie mich, der gerne recherchiert: Die IEC ist die „International Electrotechnical Commission“[48], da ist für Deutschland die „Deutsche Kommission Elektrontechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE“ Mitglied[49] - auf deren Seite bringt die Suche nach ICE 60320 kein Ergebnis.[50]

 

Warum wird da so ein Geheimnis drum gemacht? Der obskure Biologismus, der in anderen Texten längt zu Verboten geführt hätte, wird hier geduldet, okay:

Um mehrere Geräte von einem Gerät aus gemeinsam zu schalten, werden auch Netzanschlusskabel mit beidseitiger Gerätesteckverbindung (1 × „männlich“, 1 × „weiblich“) gefertigt. Ein Beispiel ist das Netzkabel zum Anschluss eines Monitors an einen PC. Die Steckrichtung ist immer so gewählt, dass stets Berührungsschutz gewährleistet ist; das speisende Gerät trägt also eine Einbaubuchse (weiblich), das gespeiste Gerät einen Einbaustecker.[51]

Männliche und weibliche Geräte … und was ist mit den anderen Formen von Sexualität als Kaltgerätestecker in Kaltgerätedose?

Aber das ist doch kein Grund, die Wartung der Seite einzustellen und alle Verbindungen zu Quellen zu kappen ... oder?

Aber warum führt der Wikipedia-Verweis auf „Steckertypen nach IEC 60320 (englisch)“ zu „The page you were looking for appears to have been moved, deleted or does not exist.“?[52] Mysteriös.

 

Was verbirgt sich wirklich hinter dem Geheimnis um den Kaltgerätestecker? Was soll die Verneblung um IEC 60320 C13?

Menschenexperimente? Siedlungen auf dem Mars? Eingänge ins Erdinnere am Pol?

Wenn ich mich nächste Woche nicht melde … du weißt Bescheid.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Blitz und Fußball

 

Hallo Salamander,

 

manches Mal passieren Dinge, die mich nicht überraschen – denn ich bin ja auch Zauberer. Aber alle anderen Menschen sind verwirrt, wenn so etwas passiert. Beispiele? Bitteschön:

Durch einen Blitzeinschlag während eines Jugend-Fußballspiels in Rheinland-Pfalz sind 33 Menschen teils schwer verletzt worden, darunter 29 Kinder. Bei dem am stärksten verletzten Mann handele es sich laut Polizeiangaben nicht – wie zunächst angenommen – um den Schiedsrichter des E-Jugend-Spiels, sondern um einen 45-jährigen Betreuer. Er musste nach einem Herzkreislauf-Stillstand reanimiert werden. Der Schiedsrichter kam mit leichten Verletzungen davon.

Von allen Kindern und Erwachsenen seien noch vor Ort Elektrokardiogramme geschrieben worden, um die Herzfunktionen zu überprüfen, sagte ein Polizeisprecher. Bei den Kindern im Alter von neun bis elf Jahren und zwei Elternteilen seien die Ergebnisse auffällig gewesen. Sie wurden vorsorglich ins Krankenhaus gebracht und gelten als leicht verletzt. Zwei Notarzt- und fünf Rettungswagen sowie alle Freiwilligen Feuerwehren aus der Umgebung waren im Einsatz.

Das Spiel war zum Zeitpunkt des Blitzschlags gerade beendet. „Es gab Zeugen zufolge keinen Regen und keinen dunklen Himmel“, sagte der Polizeisprecher. Ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sagte, zur Zeit des Unglücks seien zwar drei Gewitterzellen in der Region zu beobachten gewesen. Allerdings hätten diese den betreffenden Landkreis nur am äußeren Rand gestreift.[53]

Für mich keine Überraschung. Da war der alte Donnerer wohl aufgeweckt worden, als die Menge laut „Thor! Thor! Thor!“ schrie. Dann hat er halt geblitzt – und sich wieder hingelegt. Würde ich genauso machen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Enkeltrick

 

Hallo Salamander,

 

kürzlich waren wir mit einem befreunden heidnischen Paar und deren Nachwuchs in der Stadt unterwegs. Keine schlimmen Vorgaben, nicht eine einzige davon heidnisch, sondern einfach nur ein Besuch, der eigentlich zum Konsumieren von Eis gedacht war, abends aber in einer Gaststätte endete. Da diese sich mit Schnitzel und Steaks profiliert, könnte man sie als gutbürgerlich bezeichnen.

Irgendwann wurde – die Kneipe war voll – dem Kind die Wartezeit zu lange. Also bot ich mich an, mit ihm draußen zu spielen. Erst eine Runde herumtollen, dann Ladenfenster anschauen und als letztes der Besuch der Wippe. Kenne ich alles, mache ich gerne, hatte ich schon mit Sohnemann und Neffen, von daher …

Auf dem Rückweg dann das Passieren der Wirtin und jener Satz, der sich wie ein eisiger Dolch zwischen mein Rückenmark schob (gelogen, aber das würde passen): „Ihr Enkelsohn?“ Ich schaute kurz an ihr herunter, dann an mir, dann an dem Kind. Wäre legal und kein Problem. Ich bin über 50, mein (Was-auch-immer-)Sohn ist Anfang 20, der könnte sehr wohl ältere Geschwister oder natürlich auch schon Kinder in dem Alter des Krabbeltiers zu meinen Füßen haben.

Und da ich nicht Rockstar oder Schauspieler oder Politiker bin, der mit 60+ noch eine 30 Jahre jüngere Frau findet, die mich dann angeblich trotz langsamerer Bewegungen und faltiger Haut wegen mir und meiner Persönlichkeit (!?!) ganz toll findet, um dann von mir geschwängert zu werden, die Hälfte meines nicht vorhandenen Vermögens zu erhalten und sich nach zehn Jahren von mir zu trennen, ist davon auszugehen, dass ich bereit bin, meine altersgemäße Rolle auszuleben.

Großvater.

Das erklärt natürlich, warum ich in den letzten Jahren alle Kleinkinder auf die Knie bekam und (wieder) weiß, wie man Windeln wechselt.

Meine Schläfen werden grau, Märchen vorlesen und Lieder singen kann ich noch. Horrido! Auf in den Kampf, ihr kleinen Racker! Der magische Großonkel hat noch Termine frei.

 

Dein Homo Magi (d.Ä.)

 

 

 

Schwur

 

Hallo Salamander,

 

heute jährt sich der Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944. Und da stellt sich die Frage, was uns die Umstürzler von damals heute noch zu sagen haben – das Wort „Putschisten“ vermeide ich mal wegen der aktuellen Geschehnisse in der Türkei.

Also bin ich ein wenig auf die Suche gegangen, um ein paar Selbstzeugnisse zu finden. Und da fand ich auch ihren vorher abgeleisteten Schwur. Der Text des Schwurs der Widerständler lautet:

Wir glauben an die Zukunft der Deutschen.

Wir wissen im Deutschen die Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen.

Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf.

Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge.

Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat verwurzelt den natürlichen Mächten nahebleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und sein Genüge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Missgunst überwindet.

Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsend, verbunden den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen.

Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tat der Neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen.

Wir geloben:

untadelig zu leben -

gewissenhaft zu dienen -

unverbrüchlich zu schweigen -

und füreinander einzustehen.[54]

Schlimm … und dann wieder großartig.

Die Vorreiterrolle Deutschlands in Europa, die naturgegebenen Ränge in der Gesellschaft, die „Neue Ordnung“ und die „künftigen Führer“. Alles überkommene Konzepte, muffig riechend aus dem Schrank der deutschen Geschichte hervorgezerrt, wenn ich sie jetzt anschaue. Aber: neben den hellenischen und christlichen Überlieferungen wird das germanische genannt, ein Volk, das „sein Genüge findet“.

Wenn der Widerstand erfolgreich gewesen wäre – alles wäre mir lieber gewesen als noch fast ein Jahr NS-Diktatur. Ob sie sich hätten am Ende durchsetzen können, wer weiß. Aber sie waren Widerstand, mutig und auf eine bestimmte Art edel. Deswegen hebe ich heute mein Glas auf sie – ich würde sie nicht wählen, wenn sie in einer Demokratie antreten würden. Aber als Widerständler gegen ein unfassbar schlimmeres System kann ich mich vor ihnen verbeugen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Aphorismus der Woche

 

„Sei sparsam! Hasse nicht, wo du mit Verachtung auskommst.“

 

Roda Roda


 

Bombenstimmung

 

Lieber Salamander,

 

da geht man eines Abends aus dem Haus, um eine Runde Computer zu spielen. Die Umschreibung „Computer spielen“ ist total „out“, aber ich nenne es immer noch so, auch wenn wir an Konsolen sitzen und das ganze Gerät kein PC ist, sondern … egal.

Um meinen Wohnsitz herum fand gerade eine Stadtlauf statt, so eine Art Marathon-Lauf für Minimalsportler. An allen Ecken gab es Wasserflaschen für umsonst und die Möglichkeit, sich auszuruhen. Ich schlenderte in Richtung des geparkten Autos, das wegen des Andrangs für den Stadtlauf ein wenig weiter fort geparkt war. Irgendwann kam der erste Krankenwagen in Sicht, dann das THW, endlich ein weiterer Krankenwagen, ein Polizeikordon … ich schaffte es bis zum Auto, obwohl ich ein wenig über den Aufwand verwundert war, der hier für einen Stadtlauf verwendet wird.

Ich rief meinen Gastgeber aus dem Auto (Freisprechanlage!) heraus an, um ihm mitzuteilen, dass ich wegen des Marathons später kommen würde.

„Marathon – Pustekuchen!“ meinte dieser. Er erzählte mir, dass man eine Bombe aus dem 2. Weltkrieg gefunden habe. Nun warte man auf den Minenräumtrupp und die Heilsarmee und die Notärzte und einen Helikopter und weitere Hilfskräfte, damit nach dem Räumen des umliegenden Gebäudes die Bombe entschärft werden kann.

Natürlich versuchte ich, meine Frau zu warnen. Aber weder konnte ich zurückfahren – der Polizeigürtel – noch sie anrufen – das überlastete Mobilfunknetz. Ich bin dann Spielen gefahren. Auch irgendwie aus einem weitläufigen Fatalismus heraus, denn Bomben explodieren wann sie wollen, nachdem man sie 60 oder mehr Jahre gelagert hat. Und mehr Absicherung als das, was ich gerade hinter mir gelassen hatte, war nicht möglich. Anstatt Nägel zu kauen (hätte ich vor 30 Jahren vielleicht getan) gab ich mich dem Schicksal (Fatum, Wyrd …) hin und harrte der Dinge, die da kommen.

„Der Mensch denkt, Gott lenkt.“ Ist manchmal auch für Nicht-Christen wahr. Passiert ist nichts. Keinem.

 

So weit, so gut. Aber ein Aspekt ließ mich nicht los und verwirrte mich noch so, dass ich das Ganze von einer anderen Seite betrachtete. Und bei diesen Überlegungen ging es nicht nur um die zeitliche Nähe des letzten Kriegs, der einem durch die Bombe ins Gedächtnis gerufen wurde, sondern auch über die Koinzidenz zwischen der Schlacht von Marathon und dem Zweiten Weltkrieg. In Erinnerung an den ersten Kampf läuft die Hälfte der Besucher, während die andere wegen der Folgen des zweiten Kampfes ihre Häuser räumen müssen. Irgendwas stimmt da nicht mit der Wahrnehmung von Krieg.

 

Dein Homo Magi


 

Ars Magna

 

Lieber Salamander,

 

beim Blättern im „Ars Magna“ (1982) von Arnold & Wilhelmine Keyserling war ich mehr als überrascht. Ich hatte zwar erwartet, hier verquaste Esoterik zu finden – immerhin ist der Autor der Sohn von Hermann Keyserling, der mir nicht durch durchdachte Weltgebäude aufgefallen ist. Aber das hier … Ein Versuch eines großen Werkes, das alle Wege der Esoterik verbindet:

Das erste Kapitel bestimmt das Rad der Mitte, den Ursprung der Astrologie als qualitativen Raum-Zeit-Rahmen des Bewusstseins. Dieses Wissen stammt aus dem Süden der Erde, wahrscheinlich aus Afrika, die älteste Tierkreisdarstellung wurde von Frobenius entdeckt und später auf 8 000 v. Chr. Datiert. Der phänomenologische Zugang zur Astrologie zeigt, wie jeder Mensch eine besondere Kombination der Weltelemente darstellt und diese kennen muss, um Wassermannzeitalter Mitarbeiter der Erde und des Kosmos zu werden.[55]

Um Mitarbeiter des Kosmos zu werden, muss man weiterhin

seine vier Tore verstehen, die zur Offenbarung führen und von denen jedes durch eine andere Kultur eröffnet wurde.[56]

Diese Tore wären:[57]

Osten                Inspirationen                      Chinesen    „Buch der Wandlungen“

Norden      Mathematik                       Pythagoras Numerologie

Westen      Mystik                               Inder        Yoga

Süden               Seelischer Zusammenhang   Indianer/Altgermanen

Ich blätterte weiter, suchte nach dem Zusammenhang zwischen Indianern und Germanen. Aber erst fand ich eine Karte der Erde, in denen den Längengraden der Erde jeweils astrologische Symbole zugeordnet werden.[58] Das ist dann schon sehr eigenartig, wenn man sich die Erläuterungen anschaut:

In den Jungfrauländern Ozeaniens und Hawaii vereint der Gesang Menschen und Götter, die Rückbindung im Zeichen Fische versteht die Heilung im religiösen Sinn als Finden des Einklangs mit der göttlichen Welt.

Die Länder von Widder bis Jungfrau [Arabien/Persien bis Ozeanien/Hawaii, HR] haben ihren Schwerpunkt in der Intimität; jene von Waage bis Fische [Westamerika bis östlicher Mittelmeerraum, HR] haben diesen in der Öffentlichkeit, in ihnen wird die Weltpolitik entschieden.[59]

Endlich kommt dann die von mir lang gesuchte germanisch-indianische Verbindung:

Doch heute ist es möglich, die germanische und indianische Zählweise als Einheit zu schauen. Die germanische Kabbala, der »Futhork« [sic], hatte als Grundsymbol die Hagalrune, das Chi. Sie bedeutet: der Atem schwingt im Heiligen All. Sie besteht aus folgenden Runen:

Hagal        Is     Not   Eh     Man  Yr

Die Is-Rune, die Grundlage des Ich, ist die innere Achse des Chi. Nur wenn diese auf die Erdmitte bezogen ist, dann wird der Mensch aufrichtig durch seine senkrechte Achse und fähig, die Offenbarung zu aktualisieren. Die Man-Rune zeigt, dass der Mann aus dem Nagual empfängt, von oben, und seine Vision im Tonal verwirklicht. Die Yr-rune veranschaulicht, dass die Frau von unten aus der Erde empfängt, vom Tonal her, und deren Bedürfnisse versteht. Beide zusammen in der Zwillingskreuzigung schaffen die Voraussetzung der Verbindung von Himmel und Erde, Hagal. Der gleiche Zusammenhang wird im Schöpfungsmythos der Navaho beschrieben, wo Erster Mann und Erste Frau, nachdem sie im Aufstieg aus dem Dunkel auf die fünfte Stufe des Menschen gestiegen waren, sich im Hogan mit den Köpfen gegeneinander nach Ost und West legten, um in ihren heiligen Gedanken das Werk der Zivilisation mit der Schaffung des Tierkreises zu beginnen.[60]

Um Mitarbeiter des Kosmos zu werden, fehlen mir grundlegende Gaben – so die Fähigkeit, meinen Intellekt auszuschalten. Oder sind mir grundlegende Parallelen zwischen Navaho und Nordisch-Gläubigen in den letzten Jahren entgangen? Ich werde darauf achten (müssen), wenn wir das nächste Mal mit dem Methorn in der Hand um das Medizinrad tanzen und dabei auf Navaho für Baldur chanten.

 

Ob ich einen astrologischen Tierkreis als Grundlage der Zivilisation ansehe – nein. Vielleicht bin ich auch deswegen „raus“.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Internationale Probleme

 

Lieber Salamander,

 

manche Probleme sind so eigenartig … die hatten wir nicht, bevor wir Netz bekamen und die Welt zum Dorf wurde.

Ich bestelle ein (englischsprachiges) Buch bei einem Anbieter online; der Anbieter sitzt in England. Das Buch kam nicht, obwohl die Frachtverfolgung ein „ausgeliefert“ ergab, wenn man online alle Daten eingab. Also rief ich die Kontaktseite des Händlers auf und schrieb (nach Angabe der Bestellnummer, meiner Adresse, der Beschreibung der bestellten Ware) unter „To: Customer Service (orders-de)“ als Hinweis folgende unfassbar eindeutige Mitteilung: „Buch nicht hier ...“.

Am nächsten Tag (einem Sonntag) bekam ich mit dem Betreff „Re: Rückfrage zur Lieferung einer Bestellung“ folgende E-Mail vom Anbieter:

Ich bin froh, das zu hören, bitte genießen.

Mit freundlichen Grüßen

Audrey

Kundendienst

So kann man höflich einem in die Fresse schlagen. Aber böse kann ich überhaupt nicht sein, eher amüsiert. Und ich genieße mein fehlendes Buch. Was bleibt auch sonst.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Alarm! Okkultismus!

 

Hallo Salamander,

 

bei einer Veranstaltung für die Motorradfahrer Gottes (anderes Thema) konnte ich ein Exemplar der Broschüre „Alarm! Okkultismus!“ (Untertitel: „Hände weg von Okkultismus und Aberglauben“[61]) vom Gabentisch entgegen nehmen.

Gleich war ich gefesselt:

„Wieviel Unwissenheit und oft sogar Leichtsinn bestehen gegenüber dem Wirken dämonischer Mächte, die unter dem Schein der Hilfe viele Menschenleben, ganze Familien und ihre Nachkommen der ewigen Verdammnis entgegenführen.

Wie viele könnten wieder froh, glücklich und gesund werden, wenn sie erkennen wollten, dass ihre Not die schreckliche Folgen bewusst oder unbewusst eingegangener Bindungen mit dämonischen Mächten ist.“[62]

Verdammnis für mich, meine Familie und alle meine Nachkommen … uff. Und wenn man mitmacht bei den Okkulten:

„(…) dann aber verfallen sie in Schwermut bis zur Nervenzerrüttung, in Verzweiflung bis zum Selbstmord.“[63]

„Ein Heer von Kranken leidet unter diesen Folgen des Aberglaubens, und alle Heilmittel der Ärzte versagen. Es sind auch keine organischen Krankheiten, sondern Folgen der Zaubereisünden an dämonisierten Menschen.“[64]

Das macht schon Angst. Zaubereisünde … zum Glück habe ich die Organisation, bei der es Sünde gibt, vor Jahrzehnten verlassen. Neugierig bleibe ich trotzdem: Was ist denn alles gefährlich? Also:

„Irrlehren und Sekten“[65] – „In vielen Kirchen und Organisationen werden Irrlehren festgehalten, die im Widerspruch zu den Fundamental-Wahrheiten der Bibel stehen.“[66] Da bin ich nicht Zielgruppe, vermute ich.

„Teufelsdienst“[67]: bin ich raus, ungefährlich.

Aber selbst wenn man diese beiden Klippen umschifft hat, bleiben genug Probleme.

·         Akupunktur[68], ebenso Akupressur[69]: Habe ich nie ausprobiert, halte das aber nicht für okkult.

·         „Auf den Vogelschrei achten“[70]: Unschuldig.

·         „Auf Zahlen achten“[71]: Ich finde schon, dass die 42 eine wichtige Zahl ist. Und Ernie und Bert haben auch Lieblingszahlen … alle verdammt bis in alle Ewigkeit.

·         Beschwörungen wie „Hals- und Beinbruch“[72]: Ich kann noch ganz viele andere Grußsprüche, bin also doch beim Teufel.

·         Besprechen von Krankheiten[73]: Da geht es nicht um das Besprechen von Krankheiten, sondern um das Besprechen von Krankheiten.

·         Biorhythmen[74]: Bin ich raus, halte ich auch nicht für okkult.

·         Gruppendynamik, genannt werden Selbsterfahrungsgruppen, Sianon-Gruppen, Kreativitäts-Workshops. „Manchmal werden auch Decknamen wie »Erwachsenenbildung« usw. verwendet.“[75] Treffer, erwischt. Ich mache oft Erwachsenenbildung, bin also tief drin in den Zaubereisünden.

·         „Heilmagnetopathie“[76]: Ägypten?

·         „Heilung durch Telepathie, d.h. Fernheilkunst“[77]: Keine Ahnung, vielleicht ist Reiki gemeint. Oder das Gesundbeten … ach, das waren ja die Christen.

·         Homöopathie[78]: Satan! Satan! Satan! Endlich einer Meinung mit den irren Christen.

·         Horoskope[79] und „Auf die Gestirne achten“ („Dazu gehört auch das Tragen von Monatsringen und Sternzeichen.“[80]). Ich vermute, dass der „Zodiac Killer“ auch Superchrist ist, der Frauen jagt, die Sternzeichen tragen … Hitler hat Horoskope gelesen, aber das mache ich im Wartezimmer beim Arzt auch, wenn die Adelszeitschriften durch sind.

·         Hypnose – „Die alte heidnische, orientalische, dämonische Kunst der Suggestion und der Hypnose, die von den ältesten Völkern zum Zwecke der Wahrsagerei schon angewandt wurde, ist unter dem harmlosen Gewand der sogenannten »modernen Wissenschaft« wieder neu aufgetaucht.“[81] Äh, das lasse ich mir gerade beibringen. Satan, ich hör dich rufen!

·         „Magische und andere okkulte Heilmethoden“ – u.a. auch Reflexzonenmassage[82]. Pruahahahaha.

·         „Meditative Praktiken“, inklusive Yoga und Autogenes Training[83]. Denn: „Menschen, die Yoga üben (…), öffnen sich immer, wenn auch unwissend, einer fremden Geisteswelt und den Mächten, die dahinterstehen.“[84] Lasse ich mal unkommentiert.

·         Pendeln[85]: Nie ausprobiert, mir egal.

·         Psychoanalyse[86]: Ausprobiert, hat gewirkt, einige meiner Trauma(ta) zu beseitigen. Ist nicht bei Gott, das weiß ich, aber auch nicht beim (christlichen) Teufel.

·         Spiritismus – „Umgang und Verkehr mit den Geistern von Verstorbenen“[87]: Jedes Ahnen-Gedenken, jeder „Wake“ ist da eingeschlossen, oder? Schuldig.

·         Suggestion – „Fernsuggestion oder Autosuggestion“[88]. Kein Kommentar.

·         „Tagewählen“[89]: Am Samstag kommt das Sams – sind das auch Satanisten? Das Sa vorne könnte ja für SA stehen …

·         Tischrücken[90]: Quatsch.

·         Wahrsagen[91] – „Kartenlegerinnen, Zigeuner, Hellseher (…), durch (…) Bleigiessen, Münzenwerfen, Traumdeuten (…). Darunter fällt auch das Feststellen einer Krankheit durch die Augen-Irisdiagnose.“[92] Jetzt wird noch der Zigeuner in mir beleidigt. Rassisten!

·         Wünschelruten, damit verbunden Erdstrahlen[93]: Ich bin ein Freund der Geomantie, kann sie aber nicht ganz nachvollziehen, wenn es um Erdstrahlen geht. Aber ich würde das Recht daran zu glauben verteidigen.

·         Zauberei – hier aber bezogen auf das (total langweilige) 6. und 7. Buch Moses.[94] Ich habe einmal versucht, die Schwarte zu lesen. Unerträglich.

·         Zaubersegen[95]: Schuldig.

·         „Zeichendeuterei“ („Man glaubt an Zeichen, die Glück oder Unglück bringen sollen, wie Glücksschweine, Glückspilze […], Amulette, Hufeisen, vierblättrige Kleeblätter, […] Schornsteinfeger (…]“)[96]: Schuldig.

 

Liebe Nachkommen, leider seid ihr wegen mir für immer verdammt. Keine Nachkommen? Glück gehabt.

Meine Familie? Ach, die werden das aushalten (müssen).

 

Mein Gott, was habe ich über die Broschüre gelacht. Und mit „mein Gott“ ist nicht der Gott des Alten Testaments gemeint. Was wohl auch Sünde ist. Egal. Zum Glück – und Hals- und Beinbruch!

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Jupiter-Rauschen

 

Hallo Salamander,

 

seitdem es keine Radios mehr gibt, bei denen man am Rand endlos weiterdrehen kann (bis hin zum Polizeifunk – zumindest in meiner Jugend), kann man das Rauschen des Jupiters nicht mehr empfangen. Nein, kein griechischer Gott, der mir Anweisungen schickt, sondern ein Radiophänomen:

Jupiter-Bursts (auch DAM für decametric radio emission) sind natürliche Radiosignale im Kurzwellenbereich, die vom Planeten Jupiter ausgehen. Die Signale wurden 1955 von den beiden amerikanischen Astronomen Kenneth Franklin und Bernard Flood Burke entdeckt.

Die stärksten Jupiter-Bursts entstehen, wenn vulkanische Aktivität auf seinem Mond Io Gas in die Magnetosphäre des Jupiter schleudert. Dabei entstehen Plasmawellen, die je nach Konstellation auf der Erde empfangen werden können. Der genaue Entstehungsmechanismus ist noch unbekannt.

Es gibt L-Bursts (long) und S-Bursts (short). L-Bursts tönen wie Brandungswellen und S-Bursts wie das Flattern einer Fahne im Wind.

Die Signale sind aufgrund ihrer Frequenz und ihrer hohen Signalstärke einfach zu empfangen. Sie eignen sich darum besonders gut für Amateurbeobachtungen und Schulprojekte, beispielsweise mit der durch das Projekt Radio JOVE der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA bereitgestellten Hard- und Software.[97]

Irgendwie prosaisch. Auch ein Teil von den Dingen, die uns moderne Geräte vermissen lassen. Lustig ist, dass ich bei der Recherche darauf gestoßen bin, dass die Seite www.jupiterrauschen.de der Telekom gehört. Da steht:

Diese Homepage wird zur Zeit überarbeitet. Schauen Sie doch mal wieder vorbei![98]

Habe ich. War langweilig.

Naja, gestern durften wir auf einer Party eine Musikcassette mit den Fingern aufdrehen, weil das Band raus war. Wann habe ich das das letzte Mal gemacht? Vor zwanzig Jahren, würde ich vermuten. Dann wird man esoterisch ganz rührselig. Ohne Tonbänder – was wurde denn aus den paranormalen Tonbandstimmen. Ja, so etwas gab (und gibt) es:

Tonbandstimmen – engl. als electronic voice phenomenon (EVP) bezeichnet – sind Hörereignisse innerhalb akustischer Aufzeichnungen, die als gesprochene Sätze oder Satzfragmente interpretiert werden können und denen von einigen Menschen eine außergewöhnliche Bedeutung beigemessen wird. Unter wissenschaftlichen Testbedingungen konnten bisher keine Auffälligkeiten reproduziert werden, welche über die Auswirkungen technischer Unzulänglichkeiten der Aufnahmegeräte hinausgingen.

Bislang ist nicht eindeutig definiert, ob das eigentliche Phänomen im technisch-physikalischen (Hypothese: Das Vorkommen des den Tonbandstimmen zugrunde liegenden Schalls ist unerklärlich) oder rein im informellen (Hypothese: Tonbandstimmen stellen eine Art unerklärlichen Informations-Feedback dar) Bereich liegen soll.

Vor allem Anhänger esoterischer Strömungen glauben, dass sie auf diese Weise mit den Seelen Verstorbener oder anderen Entitäten kommunizieren. Der Physiker Ernst Senkowski (1922–2015) prägte hierfür den Begriff der instrumentellen Transkommunikation. Das stellt nichts anderes dar, als eine moderne, säkularisierte Form des Spiritismus. Andere Verfechter von Tonbandstimmen gehen lediglich von einem der Wissenschaft bislang unbekannten Vorgang aus und erhoffen sich weitere Erkenntnisse durch umfassendere methodische Untersuchungen.[99]

Und wir sind in Deutschland, auch dafür gibt es einen Verein:

Der Verein für Transkommunikations-Forschung (VTF) e.V. (1975 gegründet) hat die Aufgabe, die Erforschung der Tonbandstimmen zu fördern, indem er jeden ernsthaft Interessierten durch Information und Beratung in den Stand versetzt, durch eigene Experimente selbst solche Stimmen zu erhalten, und indem er bestrebt ist, alle Personen, Institutionen usw. zu erreichen, welche wissenschaftlich, technisch oder auf andere Weise helfen können, sowie durch Öffentlichkeitsarbeit.[100]

 

Was ist mir jetzt lieber – dass ein Verein esoterische Gerätemitteilungen erforscht, oder dass die Telekom das Jupiterrauschen als Internetseite verwalten will? Beides eigenartige Wege, aber irgendwie auch typisch Deutsch. Und ein Zeichen dafür, dass Geräte nicht einfach verschwinden, sondern weitere ihre Bedeutung im Massenbewusstsein haben.

Irgendwie auch beruhigend.

 

Dein Homo Magi


 

Der ewige Brunnen

 

Lieber Salamander!

 

Es war mal wieder Zeit, mich mit Gedichten zu beschäftigen. Ja, ich lese Gedichte. Nicht unbedingt das, was man heute Lyrik nennt, sondern Gedichte. Also habe ich auch die fast 1000 Seiten von „Der ewige Brunnen“[101] durchgelesen, ohne mich dabei zu langweilen.

Erstaunt war ich dabei vom nordischen Inhalt vieler Gedichte. Einige Stücke sind hier klar im Thema, könnten heute noch bei Feiern verlesen werden. Auf Quellenangaben zum Buch habe ich jetzt hier verzichtet, die Sachen sind online anhand Autor und Titel leicht auffindbar. Oder du leistest dir „Der ewige Brunnen“ – etwas, das du nicht bereuen wirst.

Zum Inhalt: Felix Dahn hat mich nicht überrascht, immerhin ist mir seit dem ersten Versuch „Kampf um Rom“ zu lesen klar, dass der Mann germanische Mystik ausatmet (aber schreiben, schreiben kann er nicht). Gefunden habe ich von Felix Dahn „Hagens Sterbelied“ und „Der stolze Gast“. Letzteres hat auch einen arg schönen Schluss:

»Ha, Tod dem Frevler,« klang es wieder und alle Klingen wurden bloß.

»Zu spät,« sprach er vom Thron hernieder: »der alten Götter Macht ist groß.

 

Blickt aus zum Strand! Hört ihr es schallen? Hie Thor und Odhin! tönt‘s mit Wucht,

Und meine Drachenschiffe wallen mit stolzen Wimpeln in die Bucht.

 

Mein ist das Reich: und in drei Stunden, Herr Bischof, räumet Ihr das Land.

Doch du, mein Weib, das sich verbunden dem Flüchtling arm und unbekannt,

 

Die schönste Nordlandskrone legen will auf die weiße Stirn‘ ich dir,

Denn Sigurd bin ich von Norwegen und Meer und Inseln dienen mir.«

 

Dann gibt es noch Agnes Miegel mit „Die Nibelungen“:

„In der dunkelnden Halle saßen sie,

sie saßen geschart um die Flammen,

Hagen Tronje zur Linken, sein Schwert auf dem Knie,

die Könige saßen zusammen.“

Schöne Reime, schwere Sprache. Dazu gibt es aber noch lustige Fundstücke. So schrieb

Johann Wolfgang von Goethe im „Der getreue Eckart“:

„(…) Sie kommen. Da kommt schon der nächtliche Graus

Sie sinds, die unholdigen Schwestern. (…)

Die Hulden, sie kommen von durstiger Jagd,

Und laßt ihr sie trinken, wie’s jeder behagt,

Dann sind sie euch hold, die Unholden. (…)“

Über die Holden und Frau Holle habe ich schon einiges gehört, der Hinweis auf Goethe ist mir bis jetzt entgangen.

 

Abschließend etwas, das lokal hier wichtig ist: „Wo Bismarck liegen soll“ von Theodor Fontane. Nicht wegen dem Bezug auf Bismarck, sondern wegen dem Hinweis auf Widukind, die Sachsen und die Macht des Waldes:

„Nicht in Dom oder Fürstengruft,

Er ruh’ in Gottes freier Luft

Draußen auf Berg und Halde,

Noch besser tief, tief im Walde;

Widukind lädt ihn zu sich ein:

„Ein Sachse war er, drum ist er mein,

Im Sachsenwald soll er begraben sein.“

 

Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt,

Aber der Sachsenwald, der hält,

Und kommen nach dreitausend Jahren

Fremde hier des Weges gefahren

Und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen,

Den Waldrand in Epheu tief eingesponnen,

Und staunen der Schönheit und jauchzen froh,

So gebietet einer: „Lärmt nicht so! –

Hier unten liegt Bismarck irgendwo.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Wildschwein

 

Hallo Salamander,

 

am Wochenende fuhr ich nach einem Ritual als Beifahrer durch einen dichten, dunklen Wald, irgendwo im Osten der Republik. Die Straße war dunkel und schwer zu übersehen, daher fuhr mein Fahrer nur mit gemächlichen dreißig Stundenkilometern über den Asphalt.

Hinter uns näherte sich der klassische Eingeborene, der uns natürlich überholen musste. Er selbst war auch nicht schnell, vielleicht fünfzig Stundenkilometer insgesamt. Aber es reichte für das, was kommen sollte. Es tat einen Schlag, der Wagen vor uns schlingerte, kam dann mit Warnblinklicht zum Stehen. Ich hatte noch gesehen, dass er „etwas“ gerammt hatte – nur was das war, hatte ich nicht erkennen können.

Wir fuhren auch rechts ran – nicht zuletzt, weil die Straße vor uns mit Plastikteilen und Splittern übersät war. Vater und Sohn bei mir im Auto ließ ich zurück und stieg aus. Mir war zu 90 % klar, dass wir kein Kind auf einem Skateboard gerammt hatten, aber für eine absolute Sicherheit dafür hätte ich meine Hand nicht ins Feuer gelegt. Und ob der Minderjährige auf der Rückbank das sehen muss, wage ich zu bezweifeln. Also stieg ich aus. Mitten im Nirgendwo in einem dunklen, düsteren Wald.

Zwei Schritte nach vorne sah ich rechts schon etwas im Wald liegen. Menschengroß, mit zuckenden Extremitäten. Es war ein großes Wildschwein, eine Bache. Es dauerte eine Weile, bis die Zuckungen aufhörten. Dann signalisierte ich dem Fahrer unseres Autos, dass ich noch etwas zu erledigen hätte. Der Fahrer des Wagens vor uns kam mir kreidebleich entgegen. Ich konnte ihn beruhigen und ihm mitteilen, dass er „nur“ ein Wildschwein überfahren hatte. Dann räumten wir gemeinsam den Müll seines Kotflügels vom Weg und beseitigten ein paar Splitter des Blinkers. Als letztes überredete ich ihn noch, sich unsere Autonummer aufzuschreiben – man weiß nie, was nachher noch von der Polizei alles an Informationen erwartet wird, wenn man seine Aussage macht.

Dann, erst dann kehrte ich in das wartende Auto zurück. Ich erzählte kurz meine Geschichte und erklärte dem Minderjährigen auf der Rückbank, warum ich nicht wollte, dass er „es“ sieht. Sein Vater und er meinten zwar übereinstimmend, das wäre kein Problem gewesen – aber das ist einfach zu sagen, nachdem klar ist, dass es „nur“ in Tier war. Das 10%-Kind auf dem Skateboard-Problem meiner Wahrnehmung wird dadurch nicht besser.

Verdammt, ich war nicht einmal froh, dass es dann ein Tier war. Ich war nur traurig. Angst, dass das Tier nur verletzt ist und mich angreifen könnte, hatte ich keine. Ich näherte mich dem Tod, das war mir klar. Warum, das ist eine Frage, die ich mir seitdem immer wieder stelle. Als Banshee fühle ich mich sonst nämlich eher ungeeignet.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Der ewige Brunnen II

 

Lieber Salamander!

 

Überhaupt darüber zu berichten, dass ich „Der ewige Brunnen“ gelesen habe, war für mich eine Überwindung. Ich musste das Buch nämlich neu kaufen, obwohl ich es einmal besessen hatte. Es war das Geschenk zu irgendeinem Geburtstag, gefühlt zwischen dem 14. und dem 19.

Die Schenkerin war das Problem: Meine faschistoide Großtante. Jede Familie sollte eine haben und in meiner Jugend hatten auch viele Familien eine. Die wurden zentral irgendwo geschnitzt und dann auf die Familien verteilt. So kamen wir zu meiner Großtante.

Die Gedichte fand ich schon damals schön. Aber ich konnte das Buch nicht von der Schenkerin trennen, die über die „andere Blutmischung der Juden“ schwafelte und eigenartige Vorurteile gegen bedruckte T-Shirts und Jeans hatte. Auch hier gilt: Aus dem Satz gab es damals für viele Familien ein Exemplar. Übrig geblieben aus dem Krieg und in Familien abgeworfen.

Später hat Geld, das ich über Umwege von ihr bekam, dazu geführt, dass eigentlich ich am Siegeszug von George R. R. Martin in Deutschland schuld bin (okay, das ist nicht ganz wahr, aber 10 % würde ich mir schon gönnen). Eine andere Geschichte. Sie verdarb auf jeden Fall meinen Zugang zu deutschen Gedichten, weil ich beim Lesen immer das Gefühl hatte, ihre Stimme zu hören (und ja, sie konnte verdammt viele davon auswendig). Also habe ich es gelassen.

Und jetzt, fast 40 Jahre später, habe ich wieder zu „ihren“ Gedichten gefunden. Nicht zu ihr, aber irgendwie macht es das einfacher, damit umzugehen, dass sie zu meiner Familie gehörte. Dichtung kann heilen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

In der Kirche

 

Hallo Salamander!

 

Vor einigen Wochen war ich über das Wochenende bei meiner Mutter. Das ist nicht verwerflich.

Am Sonntag fuhr ich dann heim. Wir hatten das Programm so vorbereitet, dass ich morgens mit ihr frühstücken konnte, bevor sie in die Kirche geht. Dann fragte sie, ob ich sie hinfahren würde. Kein Problem, lag auf dem Weg. Die Begründung war, dass sie ein Paket mitnehmen müsse. Ich habe das Paket später in den Händen gehabt – es war ein Karton mit Wolle. Wahrscheinlich hätte man es mit zwei Fingern den ganzen Weg tragen können. Aber ich bin ein guter Sohn.

Am Ziel fragte sie, ob ich nicht noch schnell mit rein … Ich antwortete, dass ich am Eingang einer Kirche zu Staub zerfallen würde. Meine Mutter war von dem Argument nicht überzeugt (ehrlich: ich auch nicht), so dass mir wenig Ausreden blieben. Ich ging also mit.

Drinnen war es so wie bei meiner Konfirmation, gefühlt vor 35 Jahren. Der Dritte-Welt-Stand steht woanders, der Pfarrer sieht anders aus, aber der Rest – von den Fenstern bis zum Gestühl und hinauf zur Orgel – ist identisch. Sogar der Geruch ist noch derselbe.

Und links, in der fünftletzten Reihe, saß dasselbe Ehepaar wie vor 35 Jahren, immer noch fröhlich lächelnd und mich nett grüßend. Bevor ich darüber nachdenken konnte, ob das Christentum vielleicht wirklich bewahrend und konservierend auf glückliche Liebe wirkt, fiel mein Blick auf zwei ältere Frauen. Ich stutzte, dann fiel mir auf, dass es Mutter und Tochter sein mussten – die Mutter erkannte ich wieder, um 30 Jahre gealtert, die Tochter konnte ich nur rekonstruieren, denn sie war in den 30 Jahren um 60 Jahre gealtert. Aus der jungen, ausgesprochen gutaussehenden Frau war ein farb- und geschlechtsloses Etwas geworden, das mich aus stumpfen Augen anschaute. Also verwarf ich meine Theorie, küsste meine Mutter zum Abschied, drückte ein paar Hände und ging wieder.

War nicht so schlimm, wie gedacht. Aber sie hatten auch keinen Knoblauch aufgehängt, um sich vor mir zu schützen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Dan Cooper

 

Lieber Salamander,

 

manchmal sind die Wege des Universum eigenartig. Da erhielt ich von einem Freund den ersten Band der „Dan Cooper“-Gesamtausgabe geschenkt. Coole Comics aus Belgien – eine wundervolle Handlung um einen Piloten, mit einigen Science Fiction-Elementen am Anfang.[102] Früher habe ich die begeistert verfolgt und auch heute noch üben sie ihren Reiz auf mich aus.

Dann kam in der Zeitung der Artikel, dass der Flugzeugentführer Dan Cooper (der nie ein Flugzeug entführt hat, egal) endlich für tot erklärt worden ist. Man ging immer davon aus, dass er sich nach der Comic-Figur benannt hat.

Ich meine, der Typ kann nicht allzu helle gewesen sein:

Dan Cooper und D. B. Cooper sind Pseudonyme für einen Flugzeugentführer, der am 24. November 1971 über dem Pazifischen Nordwesten über der Gebirgskette der südlichen Kaskaden aus einer Boeing 727 sprang, nachdem er zuvor ein Lösegeld in Höhe von 200.000 US-Dollar (entspräche heute etwa 1.160.000 US-Dollar) erhalten hatte.

Weder zur Identität noch über das Verbleiben des Entführers tauchten schlüssige Anhaltspunkte auf, und es gibt etliche sich widersprechende Theorien darüber, was nach dessen Absprung geschah. Die einzigen Hinweise in diesem Fall sind drei Bündel verwitterter Banknoten, die ein Kind 1980 am sandigen Flussufer des Columbia River ausgegraben hatte und die später als Teil des Lösegelds identifiziert wurden, sowie ein Teil eines Schildes, das vermutlich von der hinteren Treppe des Flugzeuges stammt, von der Cooper abgesprungen war. Das FBI führt den Fall Cooper unter dem Codenamen „Norjak“.

(…) Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.[103]

Wer mit einem vollen Geldbeutel, aber ohne entsprechende arktische Schutzkleidung, über den Kaskaden aus einer Boeing springt, der ist nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen. Man ging auch immer davon aus, dass er in der Luft erfroren ist (der Fundort des Geldes spricht dafür).


 

Aber es kommt noch eigenartiger. Am nächsten Morgen las ich dann das schöne Online-Magazin „Protodimension Magazine 19“[104], ein total gut gemachtes Horror-Rollenspiel-Fanzine. Und wer spielte eine wichtige Rolle in einem Beitrag: Dan Cooper (der Flugzeug-nicht-entführer). Eigenartig, oder?

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Heidnische Überlappungen

 

Lieber Salamander,

 

diese Woche saß ich in einem Arbeitskreis mit einem Alt-68er, der mir durch seine dogmenhaften Einwürfe ziemlich auf den Geist ging. Als er dann irgendwann meinte, dass alle Probleme nur von Fehlfunktionen der Frontallappen her rührten, war es um meine Beherrschung geschehen.

Ich meinte (laut), dass das gegenüber der indigenen Volksgruppe herabmindernd wäre. Sie würden sich nicht mehr Lappen nennen, weswegen man nicht von Frontal-Lappen, sondern von Frontal-Samen sprechen müsste.

Betretenes Schweigen. Dann machte der Dogmen-Schleuderer weiter, als wäre nichts geschehen; intern hatte er seiner Volldeppen-Liste nun meinen Namen vorgeführt. Aber mir ging es danach besser. Eine Art Bullshit-Bingo auf höherem Niveau, das einem beweist, dass man noch nicht tot ist.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Fundraising

 

Lieber Salamander,

 

frühen waren die Fund Raiser noch Spendensammler, und die Zahl der Leihwörter aus der englischen Sprache verschonte den sozialen Bereich weitest möglichst. Vielleicht lag es daran, dass die Haie und Hyänen, die das Englisch in die Werbung geschleust haben, zu Recht vermuteten, dass bei der Klientel im Sozialbereich nicht genug zu holen sei.

Ich bin ein wenig gefangen in den letzten Tagen bei dem Sprachspiel, das sich zwischen Fund und Pfand abspielt. Auf der einen Seite die großen Banken, die mit Steuermitteln subventioniert werden (alleine dies lässt mich darüber nachdenken, wo die RAF ist, wenn man sie mal braucht). Alles hungernde Bankmitarbeiter, die jetzt sicherlich bei den Filialschließungen unser Mitleid verdient haben, nachdem sie vorher jahre- und jahrzehntelang Teil des Systems waren, das uns völlig sinnlose Anlagen und Aktienpakete angedreht hat.

Auf der anderen Seite die (meist männlichen) Wesen mit großen Taschen und verschmierten Rollkoffern, die auf der Suche nach Pfand sind. Sie durchwühlen mit ungeschützten Händen Mülleimer, suchen in Büschen und sammeln alles ein, was sie dann für kleines Geld an Automaten abgeben können, um sich etwas zu trinken zu kaufen.

Bizarr ist doch, dass die ganzen Ökosystem-Retter, die sonst immer laut trommeln, jetzt ganz still sind. Woher kommt denn der Pfand? Den werfen andere fort. Und die Pfandsammler erfüllen doch nur eine (ökologische?) Funktion, weil andere vorher Müll erzeugt haben. Viel lieber wäre mir, wir hätten Parkwächter, die mit Knüppeln bewaffnet gegen Unterführungspinkler und Glas-in-Büsche-Werfer vorgehen, während wir außerdem genug Geld als Sozialstaat ausgeben, damit kein Mensch gezwungen ist, Pfandgeld zu sammeln.

Fund oder Pfand. Wenn ich nicht vermuten würde, dass sich unsere Gesellschaft längst entschieden hat, wer hier Opfer, wer hier Täter ist – ich würde die Frage öffentlich stellen.

Oder beide Gruppen einfach mal für vier Wochen austauschen. Während ich hoffe, dass unser Aktiensystem nicht zusammenbricht, wenn es vier Wochen von Pfandsammlern geleitet wird, so denke ich doch, dass die Fundmanager keinen Fund von Pfand machen.

Und nachher führen wir dann in kleinen Gruppen ein Gespräch über Würde.

 

Man darf träumen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

I wanna talk to reception

 

Lieber Salamander,

 

kürzlich klingelte abends um Elf mein Handy. Die Nummer kam mir bekannt vor – ja! Meine Frau hatte von der Hotelnummer angerufen. Also ging ich ran – etwas müde, etwas verwirrt, aber immer noch klar.

Eine Stimme mit starkem chinesischem Hintergrund sprach den uralten Satz zu mir: „I wanna talk to reception.“

Zwei Dinge fielen mir sofort ein. Erstens: Meine Frau hatte keinen chinesischen Akzent, wenn Sie englisch spricht. Zweitens: Sie war heute nicht im Hotel und überhaupt nicht beruflich unterwegs, sondern daheim – letzte Sichtung vor einigen Stunden.

Also schaltete ich auf Englisch um und versuchte der Dame klar zu machen, dass ich nicht die Rezeption des Hotels sei. Warum ich dann ans Telefon gegangen sei? Weil Sie mich angerufen habe. Aber Sie hätte doch die Rezeption angerufen?

Ich verzichtete darauf, der Dame den logischen Zirkelschluss vorzuhalten, dass Sie ja erst hatte mit der Rezeption sprechen wollen, als Sie zu mir sprach, also ein zukünftiges Ziel festlegte, dass in diesem Moment ihrer Ansicht nach noch nicht erreicht war.

Zurück zur Diskussion.

Ich bin nicht die Rezeption. Warum meine Nummer dann angewählt würde, wenn Sie wählt?

An diesem Punkt war ich es leid. Ich machte ihr klar, dass ich nicht die Rezeption war und wünschte ihr eine schöne restliche Nacht. Natürlich ich damit die Chance verpasst, ihr zu erklären, dass man in Deutschland die Rezeption dadurch erreicht, dass man kleine Zettel mit den eigenen Wünschen beschriftet und die in den Fahrstuhl wirft. Der Rest ergibt sich dann schon. Wie gesagt: verpasste Gelegenheiten.

Nachts fiel mir auch die Existenz der Wiederwahltaste wieder ein. Meine Frau hatte mich Tage vorher aus dem Hotel angerufen. Die Chinesin hatte dann wohl die Nummern runtergescrollt, bis eine Mobilfunknummer auftauchte, die nach Macht und Wissen aussah – meine.

Dann doch alles nachvollziehbar. Irgendwie.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Penisschnitzer

 

Lieber Salamander,

 

bei der „Langen Nacht der Religionen“ saß er neben mir: Der Penisschnitzer.

Eine eigenartige Situation. Wir sollen eigentlich Werbung machen für einen heidnischen Verein. Dafür war ein Programm organisiert worden, das wirklich gut aussah. Die Räumlichkeiten waren ordentlich, der Platz zentral, das Essen gut, die Bedienung freundlich. Aber ab und an wollte ich mich für eine Raucherpause hinaus begeben, und da befand ich mich dann im Rahmen der Schnitzgruppe.

Das man nicht in den Räumlichkeiten eines Restaurants schnitzt, erscheint mir nachvollziehbar. Das ganze Schnitzen war professionell organisiert, kein Zweifel. Aber der Herr neben mir schnitzte an einem riesigen … Penis. Er sagte zwar, es würde später mal eine Götterstatue, aber der Weg dorthin schien eine längere Beschäftigung mit einem Holzpenis zu umfassen, den man wegen der besseren Handhabbarkeit zwischen den Schenkeln festklemmt und dem man mehr und mehr die Form eines männlichen Geschlechtsteils gibt.

Das alles vor dem Restaurant, ganz in bester Sicht von Passanten und potentiellen Besuchern.

Eigentlich stellte ich bald fest, dass es mir egal ist. Wir (die Schnitzgruppe und die Raucher) machten dann ein paar typische Männerwitze, das man das Holz am besten nachher einölen muss und wie man es hinbekommt, dass die regelmäßige Pflege auch wirklich verabreicht wird und so weiter und so fort.

Aber heidnisch – ach, heidnisch war mir das egal. Ich habe im Nebel auf einer Thingstätte gestanden und stand, als der Nebel sich hob, zwischen lauter Neonazis. Im Laden eins bekennenden Nazis war ich, um ein Buch als Beleg zu kaufen. Ich habe bei Veranstaltungen mitgewirkt, bei denen Pferde gechannelt wurden, die nur hessische Vierzeiler konnten. Ich war bei einem Ritual dabei, bei dem das Ozonloch geschlossen werden sollte. Nackt stand ich an einem FKK-Strand und war Teil eines Wikka-Rituals. Was kann mir noch peinlich sein? Wenig.

Und wenn wir durch das Heidentum näher an unserer Sexualität sind … bitteschön. Dann eben auch Penisschwitzerworkshops. Aber das nächste Mal auch so ankündigen, okay?

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Gefahrenklassen

 

Hallo Salamander!

 

Die VBG als gesetzliche Unfallversicherung vergibt Gefahrenklassen, damit eingeschätzt werden kann, wie sicher oder unsicher eine Beschäftigung ist. Wenn ich in einer Gefahrenklasse arbeite, in der nur gefährliche Berufe sind (ich würde auf Löwendompteur und Organspender tippen) zahle ich mehr an Beitrag als einem Beruf, der ohne körperliche Gefahren ist (Verwaltungsangestellter). Das macht Sinn.

Jetzt bin ich Sozialarbeiter und zwar schon eine Weile. Und da gibt es (ab 2017) eine neue Gefahrenklasseneinordnung, die mir ein wenig – äh – suspekt erscheint. Die Berufsgruppe, in der ich mich ab dann befinde, wird so beschrieben:

Unternehmen im sozialen, kulturellen und Freizeit-Bereich

 

Abenteuerspielplätze – Aquarien – Artistinnen und Artisten – Automatenspielhallen – Bewirtschaftung von Sportanlagen – Billardsalons – Erlebnisparks – Freizeitparks – Hundepensionen – Indoorspielanlagen – Kabaretts – Kunstmalerinnen und Kunstmaler – Künstlerinnen und Künstler der Bereiche Wort, Musik, bildende, darstellende Kunst – Minigolfanlagen – Museen – Musicaltheater – Musikerinnen und Musiker – Orchester – Partnerschaftsberatungen – Puppentheater – Regisseurinnen und Regisseure – Sängerinnen und Sänger – Schauspielerinnen und Schauspieler – Schriftstellerinnen und Schriftsteller – Seelsorge – Seilschwebebahnen – Selbsthilfegruppen – Skilifte – Sozialberatungen – Spielstätten – Sprechtheater – Stuntwomen und Stuntmen – Tänzerinnen und Tänzer – Theater – Tierparks – Tierschutz, -pflege, -zucht und -dressur – Tourneetheater – Transfergesellschaften (Beschäftigungs-, Qualifizierungsgesellschaften) – Wildgehege – Zoos[105]

 

Mal ehrlich – Sozialarbeiter inhaltlich im selben Bereich mit Aquarien, Hundepensionen, Kunstmalern und Theatern einzustufen, erscheint mir zumindest erklärungsbedürftig. Aber hier geht es ja um Gefahrenklassen. Und dann muss (!) die Frage erlaubt sein, wann ich an meinem Arbeitstag ähnlichen Gefahren ausgesetzt bin wie bei der Arbeit mit Skiliften, als Stuntmen oder im Wildgehege? Ich meine, was tue ich den ganzen Tag, was mich in eine ähnliche Gefahrengruppe bringt wie Stuntmen?

Oder: Wird mein Beruf zum 01.01.2017 neu gefasst? Darf ich mich jetzt wöchentlich von Skiliften stürzen, mich für Filmaufnahmen mit Benzin übergießen oder in Zoos die Löwen hüten? Ich weiß es nicht. Die Zeit wird es erbringen.

 

Hundepension. Keine Fragen.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

Jahresende

 

Lieber Salamander!

 

Das heidnische Jahr ist wieder einmal gekommen und gegangen. Man sagt zwar, beim älter werden würde sich die Zeitwahrnehmung verändern. Davon merke ich noch wenig. Natürlich ist es so, dass mir immer noch nicht klar ist, wie die Sommerferien in meiner Kindheit gefühlt acht Monate gedauert haben, während heute ein Dreiwochenurlaub mental zu einem Sieben-Tage-Ausflug wird. Aber das hat mit der Verkürzung von Zeitläufen nichts zu tun, eher mit der Begeisterungsfähigkeit, die einem abgeht, wenn man älter wird.

Was ich merke ist eine Nostalgie ungeahnten Ausmaßes beim Auswählen von Literatur. Ich versuche jetzt manchmal Dinge erneut zu lesen, die ich mit 12, 13, 14 schon einmal gelesen haben. In seltenen Ausnahmen stellt sich das alte Lesegefühl wieder ein und ich bin noch einmal unterwegs mit einem Raumschiff, jenseits des Asteroidengürtels, um dort Abenteuer zu erleben. Diese seltenen Ausnahmen erlauben es aber ohne Reue, in die Bücher aus meinen ersten Lesejahren erneut hinein zu schauen. Und man vergisst doch einiges, was einem Jahrzehnte später als erneutes freudiges Ereignis ein Lesevergnügen bereitet, das man schon fast als vermisst abtat.

In der Magie ist es ähnlich. Die faden, an einem vorbeihuschenden magischen Modeerscheinungen sind – dem technischen Fortschritt geschuldet – online buchbar und multimedial, aber noch genauso langweilig wie vor über 30 Jahren. Das mit dem Wein und den Schläuchen fällt einem unvermeidbarerweise ein und man wird dann daran erinnert, das man diese Weisheit von den eigenen Ahnen erhielt, ohne sie zu würdigen. Jetzt bin ich in der Lage, die Weisheit zu erkennen. Was fade schmeckt, kann molekulare Küche sein und sündhaft teuer. Es muss mir schmecken, um mich glücklich zu machen. Bei der Magie ist es genauso. Nur braucht man 30 Jahre Erfahrung, um das belegen zu können (aber nur fünf Minuten Bauchgefühl, um es zu wissen).

Du siehst, kleiner Lurch, bei mir ist alles gut. Die Seele ist fröhlich. Und wenn es dir Spaß macht, dann schreibe ich dir ein weiteres Jahr.

Kuss und Gruß, dein Maximus!

 

Dein Homo Magi


 

Willkommen in Night Vale

 

Joseph Fink & Jeffrey Cranor

„Willkommen in Night Vale“

Hobbit Presse Kletto-Cotta 2016

 

Drei Dinge weiß ich nach der Lektüre dieses Buches.

Erstens: Nie wieder eine lange Zugfahrt ohne ein Ersatzbuch. Das Buch ist Langeweile pur und man wünscht sich ab spätestens Seite 50, das irgendjemand im Wagen eine Rosamunde Pilcher liegen lässt, damit man etwas lesen kann, was das Gehirn wieder in den Normalzustand bringt.

Zweitens: Nie wieder ein Buch lesen, auf dessen Cover Patrick Rothfuss zitiert wird. Hier schreibt er: „Möglicherweise das beste Buch, das ich in den letzten Jahren gelesen habe.“ Der Konjunktiv deutet an, dass es eben halt möglicherweise das beste Buch ist. Also nicht sicher. Ich bin mir sicher, dass es nicht das beste Buch ist, das ich in den letzten Jahren gelesen habe. Aber bei den schlechtesten ist es dabei.

Drittens: Nie wieder ein Leseexemplar anfordern, weil einem der Klappentext gefällt. Das muss man nämlich dann rezensieren.

 

Der Originaltitel fehlt, aber das mag darin liegen, dass Leseexemplare anders ausgestattet sind als richtige Bücher. Spannender dürfte das Buch auch nicht sein.

Man beginnt nicht mit dem Buch, sondern mit einem Interview von Patrick Rothfuss mit den Autoren. Das sollte einem zu denken geben, ist es doch ungewöhnlich. Dann beginnt das fast 400 Seiten lange Buch langatmig. Achtung, das bleibt so. „Die Geschichte der Stadt Night Vale ist lang und verschlungen (…).“ Das gilt leider auch für den ganzen Roman. Dahin mäandernde Sätze, völlig langweilige Figuren und eine Handlung, die die Bezeichnung nicht wert ist. Ist der Start noch ganz nett („Pfandhäuser in Night Vale funktionieren so: Erstens braucht man einen Gegenstand zum Verpfänden.“) und die Protagonistin erhält einen seltsamen Zettel, auf dem „King City“ steht, den sie nie wieder abkriegt. Hmpf.

Und dann Absätze wie: „Sie wusste, dass Neunzehnjährige zum Beispiel aufs College gehen. Sie wusste, dass andere Neunzehnjährige auf einem schwierigen Arbeitsmarkt keinen Job finden und bei ihren Eltern wohnen. Sie war froh, dass keines von beidem auf sie zutraf.“ (S. 9)

Nach vielen Verschlingungen und Verschlängelungen und nur lesend, weil der Zug noch nicht angekommen ist, langweilt das Buch ein wenig herum. Das Ganze wirkt so, als hätte Hunter S. Thompson auf Drogen versucht einen Urban Fantasy-Roman zu schreiben ohne zu wissen, was dieses Genre kann – aber alles zu zeigen, was das Genre nicht kann. Nämlich: Langweilige Geschichten erzählen. Ab Seite 100 wünscht man sich einen Zombie oder einen liebeskranken Vampir, ab Seite 200 sehnt man sich nach einer Teenie-Vampirjägerin und ab Seite 300 möchte man hören, wie der Held wohnt und wie seine Freunde sind.

Aber: Pappkameraden wohin man schaut, langweilige, unglaubhafte Städte und eine gestelzte Handlung. Es hilft nicht, dass das Buch erst ein Podcast war (habe ich nicht erfunden, steht so da drin). Aber hip und trendy ist was anderes als gut zu lesen.


 

Am Kreuzweg der Zeit

 

Am Kreuzweg der Zeit steht seit uralten Zeiten

die Kneipe, die lang‘ vor uns Menschen bestand.

Von dort führen Straßen und Wege und Pfade

in jedes am Anfang erschaffene Land.

 

Wo bemooste Pfeiler, Zinken am Baume,

metallene Schilder die Straßen markier’n,

wo Lieder, Gedichte, Sinnsprüche, Zauber

für wissende Wege und Tore tradier’n.

 

Früh hier nackte Sohlen den Boden verehrten,

flog SPQR als der Römer Geleit.

Vandalen, Awaren, Zigeuner wie Kelten,

sie alle hier reisten im Ablauf der Zeit.

 

Kreuzritter mit Weihrauch und Goden mit Runen,

drei Wicca-Touristen und Avalons Brut,

Templer und Ketzer, Häretiker, Hexer,

Stella Matutina und Silberweg-Blut.

 

Ein Bier an der Theke wird jedem geboten,

die Münze ist Silber, doch langt auch ein Lied.

Das Gastrecht ist ehern und uralte Sitte –

Wer weiß schon, was hier nach dem Fortgang geschieht?

 

Der Ort hier – so hell wie die Kerze im Fenster –

spendet dem Wanderer klärendes Licht.

Drum wartet nicht länger, los: bucht eure Betten!

Die Kneipe am Kreuzweg ist Ostara Pflicht!


 

Die Welt

 

Die Welt, sie stand in Flammen,

verbrannt war alles Sein,

verloren und vernichtet

im hellen Feuersschein.

 

So griffen dann Dämonen

nach meines Herzens Glut,

zu zerreißen und zu trinken,

mein Leben und mein Blut.

 

Sie rissen mir die Därme

aus meinem wunden Leib,

und fraßen meine Seele,

im Anbeginn der Zeit.

 

Bevor die Schmerzen kamen

erstarrte ich und fror,

am Ende alles Lebens,

das sich im Nichts verlor.

 

Oh Mutter, hör mein Rufen.

Gebrauche deine Macht!

Hättest du mich nie getrieben

hinaus in jener Nacht.


 

Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick

 

Mein Wagen lag am Straßenrand,

weit draußen in der Walachei.

Die Gegend war mir unbekannt,

die Karte hatt‘ ich nicht dabei.

 

Drum stieg ich aus und schritt voran;

die Dämmerung hernieder fiel.

Wie dankbar war ich endlich dann –

ein Wirtshauslicht wurde mein Ziel.

 

Ein Hammer hing als Zeichen dort.

Die schwere Holztür drückt‘ ich auf,

beäugte kritisch diesen Ort,

die Hand noch sichernd fest am Knauf.

 

Refrain:

Einäugig funkelte der Wirt

mich an mit seinem glühend‘ Blick,

und murmelt leis, doch hör‘ ich’s wohl:

„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“

 

An den Tischen – zwanzig Mann,

und Schweigen liegt wie schweres Tuch.

Zwanzig Gesichter schau‘n mir zu,

schweigend – wie unter einem Fluch.

 

„Mein Wagen“, wispere ich leis,

und schreite forsch der Theke zu.

Die Maid taucht auf – „Heut‘ keine Speis!“

und klappt dabei die Karte zu.

 

„Ein Bier – und dann ein Telefon?“

„Beides führen wir hier nicht!“

Ich schau mich um und fühle schon

verdutzt entgleist mir mein Gesicht.


 

Refrain:

Grollend spricht der große Wirt:

„Mit sowas habt ihr hier kein Glück!“

Wendet den Blick und spricht zu sich:

„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“

 

„Was habt ihr denn für einen Mann,

der verloren und durstig vor euch steht?“

Der Wirt schaut nachdenklich mich an.

„Verloren … ach … wir haben Met.“

 

Wie Eis, das laut und krachend bricht,

erhellen Mienen sich im Raum.

Aus manchen Augen bricht ein Licht,

so hell – ich kannte so was kaum.

 

Ein Grummeln hier, und dort ein Klang,

wie ein erster Ton der Melodie

die mein Vater leise sang,

als ich schlief auf seinem Knie.

 

Refrain:

Lächelnd fast der alte Mann,

aus einem Auge bricht ein Blick,

der mich berührt, und er spricht laut:

„Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“

 

Bald kamen die ersten und tranken mir zu,

ein Becher mit Met stand auf einmal vor mir.

Wir sprachen, wir tranken, und wie im Nu

wechselten wir vom „Euch“ zum „Dir“.

 

Vergessen mein Unglück, vergessen die Nacht,

die draußen die Menschen in Alpträume treibt.

Und langsam das Reden, das Singen erwacht,

die Erinnerung an die Sagen mir bleibt.


 

Die Stunden verschwinden in fröhlicher Schar.

„Wer sind diese Menschen?“ Vergessen die Frag‘.

Ich schwöre nur, es war alles wahr,

wir endeten erst, als klopfte der Tag.

 

Refrain:

Ein Auge, es blitzte nun unter ‘nem Hut –

er sprach: „Geht heim, genießt euer Glück.

Der Wagen ist heil und ihr seid es auch.

Im Haus des Gehängten schweigt man vom Strick.“


 

Lied des Things

nach „Die Partei hat immer recht“ (1950)

Bearbeitung: Hermann Ritter (2014)

 

Es hat uns alles gegeben,

Sonne und Wind und nie geizte es.

Wo es war, war das Leben,

Was wir sind, sind wir durch es.

Es hat uns niemals verlassen,

Fror auch die Welt, uns war warm.

Uns schützt der Vater der Massen,

Uns trägt sein mächtiger Arm.

 

Refrain:

Denn das Thing, denn das Thing,

das hat immer recht

Und Asatru, es bleibe dabei,

Denn wer kämpft für das Recht,

Der hat immer Recht

Gegen Lüge und Ausbeuterei.

Wer das Leben beleidigt,

Ist dumm oder schlecht,

Wer die Menschen verteidigt,

Hat immer Recht.

So aus Odin‘schem Geist

Wächst als Ring fest geschweißt

unser Thing, unser Thing, unser Thing.

 

Es hat uns niemals geschmeichelt.

Sank uns im Kampfe auch mal der Mut,

Hat es uns leis nur gestreichelt:

„Zagt nicht!“ und gleich war uns gut.

Zählt denn noch Schmerz und Beschwerde,

Wenn uns das Gute gelingt,

Wenn man den Ärmsten der Erde,

Freiheit und Frieden erzwingt?


 

Refrain:

Denn das Thing, denn das Thing,

das hat immer recht

Und Asatru, es bleibe dabei,

Denn wer kämpft für das Recht,

Der hat immer Recht

Gegen Lüge und Ausbeuterei.

Wer das Leben beleidigt,

Ist dumm oder schlecht,

Wer die Menschen verteidigt,

Hat immer Recht.

So aus Odin‘schem Geist

Wächst als Ring fest geschweißt

unser Thing, unser Thing, unser Thing.

 

Es hat uns alles gegeben,

Sumbeln und Bloten und den großen Plan.

Es sprach: „Meistert das Leben,

Vorwärts Asatru, packt an.“

Hetzen die Riesen zum Kriege,

Bricht euer Bau ihre Macht.

Zimmert das Haus und die Wiege,

Asatru, seid auf der Wacht!

 

Refrain:

Denn das Thing, denn das Thing,

das hat immer recht

Und Asatru, es bleibe dabei,

Denn wer kämpft für das Recht,

Der hat immer Recht

Gegen Lüge und Ausbeuterei.

Wer das Leben beleidigt,

Ist dumm oder schlecht,

Wer die Menschen verteidigt,

Hat immer Recht.

So aus Odin‘schem Geist

Wächst als Ring fest geschweißt

unser Thing, unser Thing, unser Thing.


 

Neubeginn

 

Es liegt in jedem Neubeginn

ganz innen tief ein Zauber drin,

welchen, wenn man lang ihn sucht,

man am Ende doch verflucht.

 

Weil, was am Ende man gefunden

nach suchend zugebrachten Stunden

ist kleiner, als man sich erhofft –

so ist es nun bei Zaubern oft.

 

Manchmal fühlt man sich betrogen

wenn der Zauber schnell verflogen,

flüchtig, wie halt Zauber sind,

weht er fort im ersten Wind.

 

Und man sieht ihn langsam steigen,

wie es ist den Zaubern eigen,

und er wird schnell klein und kleiner.

Oft fragt man sich so: „War da einer?

 

Oder hab ich nur empfunden,

dass den Zauber ich gefunden?“

Egal. Im nächsten Neubeginn

Steckt ein neuer Zauber drin.



[4] www.duden.de, 20.01.2016

[11] ebenda

[12] ebenda

[13] ebenda

[14] ebenda

[16] „Runenkunde (4. Auflage)“ von Klaus Düwel (Stuttgart/Weimar, 2008), S. 101

[20] „Beimler-Lied“, zitiert nach www.erinnerungsort.de/beimler-lied--28beimlerlied-29-_93.html; 06.04.2016

[49] ebenda

[55] S. 11

[56] ebenda

[57] Nach S. 11 f.; Übersicht von mir

[58] S. 30

[59] S. 31, Hervorhebung im Original

[60] S. 146 f.; Runensymbole nicht reproduziert

[61] Paul F. Keine „Alarm! Okkultismus!“, Beröa-Verlag, Zürich, 9. überarbeitete Auflage, 1994

[62] S. 5

[63] S. 8

[64] S. 21

[65] S. 19

[66] S. 19

[67] S. 7

[68] S. 30

[69] S. 31

[70] S. 14

[71] S. 15

[72] S. 16

[73] S. 18

[74] S. 29

[75] S. 27

[76] S. 36

[77] S. 36

[78] S. 32

[79] S. 8

[80] S. 15

[81] S. 36

[82] S. 18

[83] S. 18; dito S. 22

[84] S. 23

[85] S. 16

[86] S. 35

[87] S. 19

[88] S. 36

[89] S. 15

[90] S. 8

[91] S. 8

[92] S. 16

[93] S. 17

[94] Nach S. 16 f.

[95] S. 18

[96] S. 14 f.

[101] Ludwig Reiners „Der ewige Brunnen“, München, 1955

 

 

 

 


 

 

 


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