Homo Magi - Teambeitrag

Was ist ein Planet?

Versuch einer Definition

Nachtrag 24. August 2006: Die IAU hat entschieden - allerdings in eine andere Richtung. Sie hat einen anderen Vorschlag angenommen. Dadurch ist endlich der Begriff "Planet" definiert. Das ist gut. Allerdings ist die Definition ein wenig zweifelhaft: Ein Planet ist ein nicht selbstleuchtender Himmelskörper, der durch seine Eigengravitation zu einer Kugel geformt wurde und nicht selbst leuchet, und der bei der Entstehung des Sonnensystems seine Umgebung dominiert hat.Dadurch verliert Pluto seinen Status als Planet, er wird zum Mitglied einer neuen Gruppe von Objekten, den "Zwergplaneten", zu denen auch Ceres und 2003 UB313 "Xena" gehören. Schade!

Nachtrag 23. August 2006: Die IAU hat auf die in diesem Artikel geschilderte Situation reagiert. Morgen (am 24.August 2006) wird auf der Vollversammlung der IAU in Prag über einen Vorschlag für eine Definition des Begriffes "Planet" entschieden. Der Vorschlag beinhaltet eine Trennung zwischen Planet und Mond: danach ist ein Himmelskörper ein Mond, wenn der Schwerpunkt der gemeinsamen Bahn Planet-Mond im Inneren des Planeten liegt. Ein Planet liegt vor, wenn die Eigengravitation ein Himmelsobjekt in Kugelform zwingt. Nach dieser Definition bekäme das Sonnensystem auf einen Schlag drei neue Planeten: Charon (bisheriger Plutomond), Ceres (bisheriger Asteroid) und 2003 UB313, Spitzname "Xena". Laut diesem Telepolis-Artikel gibt es zwölf weitere potenzielle Planeten im Sonnensystem, darunter auch die unten genannten Quaoar, Varuna und Sedna. Über den Planetenstatus dieser Himmelskörper muss aber noch separat abgestimmt werden.

 

Nachtrag 31. Juli 2005: Durch die Entdeckung des Objekts 2003 UB313, dessen Durchmesser anderthalbmal so groß ist wie der des Pluto, ist die hier aufgeworfene Frage brandaktuell geworden. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten und berichten.

Volkmar Kuhnle

Letzte Woche gab die NASA die Entdeckung eines neuen Himmelsobjektes namens Sedna bekannt. Sedna, ein stark rötliches Objekt, umkreist die Sonne auf einer extremen Bahn; der Abstand zur Sonne schwankt zwischen 76 und 1000 Astronomischen Einheiten (AE). Für einen Umlauf braucht Sedna 10.000 Jahre (zum Vergleich: Pluto braucht „nur“ 277 Jahre). Am interessantesten ist aber der Durchmesser von Sedna: er wird derzeit auf etwa 1.800 km geschätzt. Dies warf die Diskussion auf, ob Sedna noch als Asteroid zu betrachten oder bereits als Planet zu zählen ist. Ebenfalls kam die Frage auf, ob unter diesen Umständen Pluto (Durchmesser 2.300 km) noch zu den Planeten gezählt werden kann. Denn bisher hat die Internationale Astronomische Union den  Begriff „Planet“ nicht eindeutig definiert. Und das, obwohl inzwischen bereits über 100 Planeten in anderen Sonnensystemen entdeckt wurden.

Mich brachte die Diskussion auf die Idee, mich eingehend mit der Definition des Begriffes „Planet“ zu beschäftigen und mir Kriterien zu überlegen, nach denen ein Himmelskörper als Planet eingestuft werden kann.

 

Die ersten Kriterien

Für die Astronomen/Astrologen[1] gab es sieben Planeten: Merkur, Venus, Mond, Mars, Jupiter, Saturn, Sonne – eine Einteilung, die auf das Altertum zurückgeht. In der beginnenden Neuzeit setzte aber ein Umdenken ein. Als erstes fielen Sonne und Mond aus der Liste der Planeten heraus.

Die Gründe sind verschieden. Bei der Sonne wurde erkannt, dass es sich um einen selbstleuchtenden Fixstern handelt. Das bringt uns zum ersten Kriterium für einen Planeten:

Kriterium 1: Ein Planet ist ein Himmelskörper, der nicht von selbst leuchtet.

Der Mond dagegen fiel aus einem anderen Grund heraus: er kreist nicht um die Sonne, sondern um einen anderen Planeten, nämlich die Erde. Inzwischen wurden bei allen anderen Planeten (außer Merkur und Venus) ebenfalls Monde entdeckt. Ein Teil dieser Monde hat durchaus Planetengröße; so ist etwa der Saturnmond Titan größer als der Planet Merkur. Entscheidend ist aber, dass Titan um Saturn kreist. Somit ist er kein Planet.

Was passiert aber, wenn ein Planet durch eine Störung (z.B. durch die Annäherung eines anderen Fixsterns) sich von seinem „Muttergestirn“ losreist? Auch dann bleibt er ein Planet.

Damit kommen wir zu

Kriterium 2: Ein Planet umkreist einen Fixstern (oder ein Mehrfachsternsystem), oder er treibt alleine durchs Weltall, ohne ein spezielles Objekt zu umkreisen. Nicht selbstleuchtende Himmelskörper, die einen anderen Planeten umkreisen, werden als Monde bezeichnet.

Natürlich kann es vorkommen, dass ein Planet von einem anderen „eingefangen“ und somit zum Mond wird. Aber das ist kein Grund, die Definition zu ändern.

 

Braune Zwerge

Fixsterne erzeugen das Licht, das sie ausstrahlen, durch Fusionsprozesse im Inneren (Stichwort CNO-Zyklus, auch Bethe-Weizsäcker-Zyklus genannt). Damit diese Prozesse starten können, ist eine gewisse Mindestmasse notwendig, die bei 8% der Sonnenmasse liegt.

In den letzten Jahren wurden mehrere Himmelskörper entdeckt, deren Masse knapp unterhalb dieser Grenze liegt. Sie sind sozusagen „verhinderte“ Sterne und strahlen stark im Infraroten. Man bezeichnet sie als „Braune Zwerge“. Es wird vermutet, dass zumindest ein Teil von ihnen Energie erzeugt durch Fusion von Deuterium zu Helium, dazu sind keine 8% Sonnenmasse erforderlich. Folglich handelt es sich um (in gewisser Weise) selbstleuchtende Himmelskörper.

Das „Lexikon der Astronomie“ (http://lexikon.astronomie.info/stichworte/b.html?&printpage=#BraunerZwerg ) setzt die Grenze zwischen Planet und Braunem Zwerg bei 10 Jupitermassen an, was 1% der Sonnenmasse entspricht. Dies erscheint mir ein vernünftiger Wert zu sein, um Planeten nach „oben“ abzugrenzen:

Kriterium 3: Ein Planet hat eine maximale Masse von 10 Jupitermassen, das entspricht etwa einem Prozent der Sonnenmasse.

Letzteres Kriterium ist gerade bei der Entdeckung extrasolarer Planeten (also solcher Planeten, die ausserhalb des Sonnensystems liegen) wichtig, da viele von ihnen im Grenzbereich zwischen Planet und Brauner Zwerg liegen.

 

Planeten und Asteroiden. Der Kuiper-Gürtel.

Nachdem die Abgrenzung nach „oben“ klar ist, brauchen wir nun eine Abgrenzung nach „unten“. Damit tut man sich schwer.

Historisch gesehen kamen zu den Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn, die mit bloßem Auge beobachtet werden können, in der Neuzeit die Planeten Uranus, Neptun und Pluto hinzu. Dabei wurde bereits sehr früh klar, dass Pluto aus der Reihe tanzt: seine Bahn ist um 17 Grad gegen die Ekliptik (Erdbahnebene) geneigt. Alle anderen Planeten bewegen sich etwa in der Ebene der Ekliptik. Plutos Bahn ist sogar so extrem, dass sie teilweise innerhalb der Neptunbahn verläuft, so dass etwa von 1984 bis 1999 Pluto der Sonne näher stand als Neptun.

Auch wurde Plutos Größe anfangs stark überschätzt. Ging man kurz nach seiner Entdeckung (1930) noch von einem Durchmesser von bis zu 9.000 km aus, ergaben neuere Messungen, dass Pluto nur einen Durchmesser von knapp 2.300 km aufweist. Damit ist Pluto mit Abstand der kleinste Planet; selbst Merkur ist mit 4.800 km Durchmesser mehr als doppelt so groß.

Seit 1992 wurden jenseits der Neptunbahn eine Reihe von Asteroiden entdeckt. Die meisten von ihnen ähneln in der Zusammensetzung Kometenkernen. Man spricht inzwischen vom Kuiper-Gürtel, benannt nach dem niederländischen Astronomen G. Kuiper, der 1951 die Existenz eines solchen Gürtels vorhersagte. Ein Teil der Kuiper-Gürtel-Objekte weist nun einen Durchmesser auf, der nur knapp unterhalb dem von Pluto liegt. Beispiele hierfür sind Varuna (1.100 km Durchmesser), Quaoar (1.500 km) oder, wie eingangs erwähnt, Sedna (1.800 km). Somit entsteht der Eindruck, als wäre Pluto nur das größte Objekt im Kuiper-Gürtel, das es nur seiner frühen Entdeckung zu verdanken hat, nicht als Asteroid eingestuft zu werden.

Neuerdings ist sogar ein Objekt bekannt (2003 UB313), dessen Durchmesser 1,5 mal so groß ist wie der Plutodurchmesser. s.o. AnmdVK

Wo soll man nun die Grenze ziehen? Ein mögliches Kriterium liefert die Form des Objektes. Modellrechnungen zufolge muss ein Himmelskörper ab einem Durchmesser von etwa 700 km unter seiner eigenen Gravitation immer eine Kugelform annehmen. Viele Asteroiden dagegen sind lose, „kartoffelförmige“ Geröll- und Steinhaufen, aber bei all diesen Asteroiden liegt der Durchmesser unter 700 km.

Es liegt nahe, nun die 700 km als untere Grenze anzunehmen. Um jedoch sicherzugehen, will ich die Grenze etwas höher ansetzen. Außerdem hat das den Vorteil, dass der größte „klassische“ Asteroid Ceres (Durchmesser 900 km) damit ausgeschlossen wird:

´Kriterium 4: Ein Planet hat einen Durchmesser von mindestens 1.000 km.

Nach diesen Kriterien hätte das Sonnensystem zwölf Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto, Quaoar, Varuna und Sedna, wobei im Kuiper-Gürtel durchaus noch weitere Planeten sitzen könnten. Ich bin auch jederzeit bereit, einen anderen, größeren Mindestdurchmesser für Planeten anzusetzen. Dabei darf dieser auch über 2.300 km liegen, selbst wenn das bedeutet, dass Pluto dadurch seinen Status als Planet verliert. Unter 1000 km sollte die Zahl aber keineswegs liegen, sonst haben wir auf einmal einen „Planeten Ceres“ zwischen Mars und Jupiter, was ich als arg verwirrend empfinden würde.

 

Volkmar Kuhnle, März 2004



[1] Damals waren Astronomie und Astrologie noch ein und dasselbe.

 

 

       

 

 

Mail an Verfasser

Weitere Teambeiträge:
Rezensionen

Märchen und Satire
 
Essais
Sachartikel Nachrufe  

Homo Magi Inhaltsverzeichnis

HomoMagi
Forum