Homo Magi - Teambeitrag

Kate Bush, Aerial

Doppel-CD, November 2005

 „[Sie] schwebte gleich einer Fee durch spielerisch inszenierte, wundersame Klangwelten, die bis ins kleinste Detail geplant wurden“ Dieses Zitat aus dem „Lexikon der Singer und Songwriter“ habe ich schon einmal verwendet. Es beschreibt die Werke von Kate Bush, einer der ungewöhnlichsten Sängerinnen der Achtziger Jahre. Ich verwendete es in einer Rezension zum „Running Up That Hill“-Cover von Within Temptation. Als ich diese Rezension schrieb (Anfang 2004) erschien mir die Vergangenheitsform des Satzes sehr passend. Denn Kate Bush hatte sich nach 1993, als ihr Album „The Red Shoes“ erschienen war, komplett aus der Musikszene zurückgezogen. Sie veröffentlichte ein oder zwei Lieder auf Samplern, aber war ansonsten komplett ins Privatleben abgetaucht. Viele Kate-Bush-Fans in aller Welt (darunter auch ich) hatten schweren Herzens die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder etwas neues von ihr zu hören.

 Doch nun hat sich Kate Bush zurückgemeldet – und das gleich mit einem „luftigen Doppelschlag“, sprich: dem Doppelalbum „Aerial“

 „Aerial besteht im Prinzip aus zwei Alben, die thematisch miteinander verwandt sind: „A Sea of Honey“ und „A Sky of Honey“

A Sea of Honey: Songs über Elvis, die Zahl Pi, Unsichtbarkeit und Kates Sohn

 Bereits der erste Song des „Meeres aus Honig“ „King of the Mountain“, erweist sich als positive Überraschung. Inhaltlich ist er eine Hommage an Elvis, allerdings mit ein wenig Ironie gewürzt. Musikalisch kann sich „King of the Mountain“ durchaus mit Kate Bushs Klassikern wie „Wuthering Heights“, „Cloudbusting“ oder „Running Up That Hill“messen. Dazu passt auch das Video, das wiederum vermutlich von Kate Bush selbst massgeblich mitentworfen wurde. Es zeigt einen Kleiderschrank in einer gespenstischen Villa (Graceland?), in dem sich ein weisser Anzug (von der Art, wie Elvis sie immer auf der Bühne trug) selbstständig macht und durch die Welt läuft bzw. schwebt. Dazu sind immer wieder Schlagzeilen zu sehen: „Elvis auf dem Mond gesichtet“, „Elvis am Times Square gesehen“ und gegen Ende (als der Anzug durch ein Gebirge schwebt) „Elvis in Yeti-Kolonie gesichtet“. Daher habe ich den Eindruck, dass ein Teil des Songs (und des Videos) ironisch gemeint sind – nicht in Bezug auf Elvis, aber in Bezug auf den Kult, der um seine Person gemacht wird. Zumindest scheint Kate Bush die „Elvis Sightings“, die seit dem Tod des „Kings“ nicht mehr abreissen, ein wenig auf die Schippe zu nehmen.

 „King of the Mountain“ wird übrigens im CD-Booklet mit einer Kinderzeichnung illustriert, die Bertie, Kate Bushs Sohn, angefertigt hat. Einige Kritiker haben sich über diese Zeichnung aufgeregt; ich kann dies nicht nachvollziehen. Meiner Ansicht nach passen die Zeichnungen durchaus ins Gesamtkonzept des hervorragenden Booklet-Artworks, ohne dass das Ganze dadurch kindisch oder albern wirkt. Ob Bertie allerdings ein Picasso von morgen ist (bzw. sein wird) oder nicht, das kann man an seinen Zeichnungen nicht ersehen.

 Der nächste Song „Pi“, handelt von einem Mann der sein Leben wiederum der Zahl Pi gewidmet hat. Kate Bush scheint von der Transzendenz der Zahl Pi fasziniert zu sein.

 „Bertie“, der dritte Song, ist – wie man anhand des Titels sich unschwer denken kann – Kate Bushs gleichnamigem Sohn gewidmet. Ein netter Song, musikalisch relativ einfach (für einen Kate Bush-Song). Sicher wollte Kate Bush mit diesem Song ihrem Sohn eine Freude machen.

 Auch der vierte Song scheint einer Person gewidmet zu sein: „Mrs. Bartolozzi“, dem Text nach eine Hausfrau, die den ganzen Tag schrubbt und vor allem Kleider wäscht. Der Refrain „washing machine, washing machine“ mutet durch seine seltsame Betonung fast schon mystisch an, als wolle jemand die Sauberkeit beschwören. Ob Mrs. Bartolozzi eine reale Person ist (eine Nachbarin der Bushs etwa?) oder nur eine Art „typische Hausfrau“, geht aus dem Song nicht hervor.

 Noch ein dritter personenbezogener Song findet sich auf „A Sea of Honey“. „Joanni“ über Jeanne d’Arc, während „How to be invisible“ ein surreales Fantasy.Rezept zur Unsichtbarkeit nennt.

 Der letzte Song „A Coral Room“ handelt von einer Unterwasserstadt voller versunkener Schiffe und anderer wundersamer Dinge.

 Die Musik ist wiederum mit Worten kaum zu beschreiben. Psychedelik-Klänge und exotische Instrumente mischen sich mit Wave-Musik und Ambient. Wie schon in den Achtzigern lässt sich Kate Bushs Musik in keine Schublade einordnen.

 A Sky of Honey: Vögel erzählen

 Die zweite CD “A Sky of Honey” besteht aus neun Songs, die alle zusammenhängen. Das Thema sind – Vögel. Die neun Songs beschreiben, wie Vögel von ihren Reise um die Welt erzählen, u.a. von Rom, hohen Hügeln und dem Sonnenuntergang.

Von der Musik her gesehen wirkt „A Sky of Honey“ geschlossener als „A Sea of Honey“. Das Thema „Luft/Vogelflug“ ist gut umgesetzt, die Musik ist „luftig“.Die Lieder gehen oftmals fließend ineinander über, auch inhaltlich: So beschreibt etwa „The Painters Link“ einen Maler, dem im Regen die Farbe auf seinem Gemälde verläuft. Aus den zerlaufenden Farben entsteht das Bild eines Sonnenuntergangs. Und der darauffolgende Song heißt passenderweise: Sunset (Sonnenuntergang). Dieser Song wiederum schlägt textlich eine Brücke zur „Sea of Honey“.

Auffallend ist, dass auf „Sky of Honey“ einige Vogelstimmensamples verwendet werden; auf „Sea of Honey“ fehlen sie völlig. Andererseits passt dies zum Thema von „Sky of Honey“.

Fazit

Kate Bush hat ihre lange Pause gut genutzt. Die sechzehn Songs des Doppelalbums „Aerial“ sind gut, teilweise sogar hervorragend. Dieses Album hat bei mir das Zeug, „Album des Jahres“ zu werden. Sehr empfehlenswert!

 

Volkmar Kuhnle, November 2005


 

 

 

       

 

 

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