Homo Magi Archiv

Wöchentliche Ansichten eines Magiers über den Jahreslauf und die Welt

Teil 3

 

Captain Marvel

Lieber Salamander,

wir alle sind von Bildern beeinflusst. Mythen und Märchen geben uns Rahmen vor für die Figuren, die wir beschwören oder selbst auszufüllen versuchen. Dies ist normal so und wahrscheinlich seit dem Anbeginn der Zeit so.

Früher mögen sich Homo Erectus am Feuer zusammengeschart und Geschichten vom ewigen Kampf des Helden Oplowwoff gegen das Riesenmurmeltier Ullullllulllums angehört haben. Später entstanden die Legenden, die wir auch heute noch kennen – von Gilgamesch über die griechischen Sagen, das alte Testament, die römische Götterwelt, die germanischen Sagen etc. pp. Und diese Reihe endet nicht, sie geht auch in der Gegenwart weiter.

Aber die anfangs nur mündlich weitergegebenen Geschichten sind heute zurückgewichen, weil die Konkurrenz durch Radio und Fernsehen stärker geworden ist. Mit dem Radio kamen Figuren wie der „Shadow“ in unsere Wohnzimmer, das Fernsehen brachte z.B. „Bonanza“, „Buck Rogers“ und die „Sesamstraße“. Alle diese Bilder sind Teil unser populären Kultur. Dazu kommen natürlich Einflüsse aus dem Bereich der Hörspiele (wie viele Kinder sitzen in ihren Kinderzimmern und hören „Commander Perkins“ oder „Bibi Blocksberg“?) und die Musik. Ein Beispiel nur: Ich glaube, dass die Show, die David Bowie um seine Person abzieht, eine mythische Figur erzeugt hat – Ziggy Stardust. Und jener droht mehr und mehr den echten Bowie unter sich zu verbergen.

Ich gebe es gerne zu: Neben den „alten“ Helden, die ich bewundere, gibt es auch „moderne“ Helden, die ich gerne habe. Und einer von ihnen ist – ich gestehe – Elvis. In meiner Jugend habe ich alle Elvis-Filme gesehen (heute fällt mir das schwer; wahrscheinlich, weil mir jetzt auffällt wie platt die sind) und viele seiner Platten gehört. Ein paar habe ich sogar noch. Vor einigen Jahren haben wir im Rahmen einer Ritualvorbereitung ein Elvis-Ritual andiskutiert. Die vier Himmelsrichtungen, die vier Elemente waren alle mit unterschiedlichen Elvis’ besetzt. Da gab es den jungen Elvis vor der Armee, den Elvis der Filme (nur auf einen Film konnten wir uns nicht einigen), den Elvis auf seiner Comeback-Tour (live aus Hawai) und den alten, fetten Elvis, der in seiner Burg Graceland sitzt und von seinen Erfolgen träumt.

Kürzlich las ich in einem Buch über Elvis einen eigenartigen Zugang zu seiner Persönlichkeit. „Elaine Dundys Buch zeichnet sich durch die Leidenschaft aus, die Priscilla Presley in ihrem Buch weggelassen hat. Ihre Arbeit ist ehrlich und direkt (einmal abgesehen von ihrer mit Nachdruck vorgetragenen These, der Schlüssel zum Verständnis der privaten und öffentlichen Persönlichkeit von Elvis sei Freddy Freeman, besser bekannt als Captain Marvel jun., der absolute Comic-Heft-Liebling des jungen Presley).“[1]

Ich habe die Suchworte „Captain Marvel“ und „Elvis“ dann noch unüberzeugt in eine Suchmaschine eingehackt – und dann einige Stunden damit verbracht, die Ergebnisse auszudrucken und völlig erstaunt zu lesen. Die Welt ist doch viel eigenartiger, als ich mir vorstellen kann. Und ich kann mir viel vorstellen.

Wer war Captain Marvel? „Junior was teenage Freddy Freeman, an newsboy crippled and orphaned by Captain Nazi in Whiz Comics 25 (1941). Captain Marvel gave the dying Freddy a portion of his superpowers to save his life – which resulted, of course, in yet another superhero.”[2] Ich kommentiere es jetzt nicht, dass es in den US-Comics einen Captain Nazi gab.

Nun, früher war ich selbst ein begeisterter Comic-Sammler. Und wer war mein Lieblingsheld? Shazam, der junge Mann, der sich durch ein Anrufen des uralten Zauberers Shazam in ein Superwesen verwandeln konnte. Jener Shazam, der die Kräfte von sechs klassischen Helden auf sich vereinbaren konnte. So stand Shazam für Salomon, Herkules, Atlas, Zeus, Achilles und Merkur (man beachte die geniale Folge der Anfangsbuchstaben!). Von diesen erhielt er Salomons Weisheit, Herkules’ Stärke, Atlas Konstitution, Zeus’ Macht, Achilles’ Mut und Merkurs Geschwindigkeit. Als junger Leser fiel mir nicht auf, wie wild hier verschiedene Pantheons gemischt werden – Shazam war für mich immer eine Art Brücke vom klassischen Helden zum Comic-Charakter (die andere mögliche Brücke, „Thor“, fand ich immer ziemlich peinlich in Comicform – was aber auch an den Begleitcharakteren gelegen haben mag, welche Walhall immer ein wenig in eine Wagner-Oper mit schlechten Schauspielern verwandelt haben).

Jahrelang habe ich sogar ein Egozine herausgegeben, welches ebendiesen Namen trug: „Shazam“. Und jetzt finde ich an einem Ort, wo ich nicht danach gesucht habe, eine Verbindung Elvis-Shazam. Wenn ich noch eine Weile weitersuche, dann finde ich auch noch eine Brücke Sherlock Holmes-Elvis oder Sherlock Holmes-Shazam. Für sachdienliche Hinweise wäre ich dankbar!

Aber das war nicht mein Eingangsgedanke. Es ging um Helden, um Legenden, um Märchen und Sagen. Ich sage es dir immer wieder: Magie muss sich anpassen. Wir können nicht an einem beliebigen Punkt stehen bleiben und die Bilder jener Zeit nehmen – sonst sind wir wieder bei dem Helden Oplowwoff und dem Riesenmurmeltier Ullullllulllums. Und bis dahin will ich eigentlich nicht zurück. Also ist auch ein Ritual mit Elvis und Captain Marvel möglich. Warum auch nicht?

Ich kann mich doch in den Wald stellen und erst einmal etwas von Elvis singen. „Burning Love“, „Animal Instinct“ oder „King of the Whole Wide World” wären gute Vorschläge. Und dazu rufe ich dann Shazam an, um an Weisheit, Stärke, Konstitution, Macht, Mut und Geschwindigkeit zu kommen.

Und am Ende kann ich dann in aller Ruhe „My Way“ singen. Meinetwegen auch in der Frank Sinatra-Version. Der ist wenigstens alt geworden und nicht so fett wie Elvis. Auch ein Zukunftsbild, dass man ja in der Magie wenigstens ein wenig korrigieren kann.

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Märtyrer

Hallo Salamander,

in den letzten Tagen denke ich viel über Märtyrer nach. Genauer: Über Märtyrer, Mut und Memmen. Letzte Woche war ich wieder einmal auf einer heidnischen Versammlung. Nein, eigentlich war die Versammlung nicht heidnisch – genauso wenig, wie T-Shirts oder Gurken heidnisch sind. Es war eine Versammlung von Menschen, die über sich sagen, dass sie Heiden sind.

Es wurde nett geredet, es wurde gemeinsam gegessen und gemeinsam getrunken. Man unterhielt sich über all die wichtigen und unwichtigen Dinge, die man sich erzählt, wenn man sich längere Zeit nicht gesehen hat und das Bedürfnis hat, sich wieder einmal ein wenig zu unterhalten. Der Rahmen war also ein freundlicher.

Scheinbar scheint es ein universelles Gesetz zu geben, dass nette Dinge nicht für immer andauern können. So kam es auch hier, wie es scheinbar nach diesem Gesetz kommen musste. Einen netten Abend, einen netten Morgen bezahlt man mit einer Versammlung, die ausartet.

Formal ging es hoch her. Man unterhielt sich über Satzungen, Satzungsänderungen, Geschäftsordnungsanträge, Änderungsanträge und Anträge auf Änderung der Tagesordnung. Da wurden Stimmen gezählt, Vorstände gewählt und Feinde mit Blicken gepfählt. Man gab nicht nach und gab nichts zu, verstand sich nicht, vergaß sich manchmal und vergaß oft den Verstand. Kaninchenzüchter kann ich nicht beurteilen, aber diese Versammlung war all das, was Menschen in der Hölle erwartet, die streng bestraft werden müssen. Kinderschänder und Kannibalen mögen in der Hölle auf ein solches Schicksal warten – doch mein Kadaver ist sich für so etwas eigentlich zu schade.

Seufz. Werter Salamander – wäre ich nicht dort gewesen, ich könnte dir nicht davon berichten. Also war ich wohl dort.

Es gab dann einen Punkt in der Versammlung, wo es um Betroffenheit ging. Mehrere Menschen waren betroffen, betroffen davon, dass man sich nicht deutlich genug gegen Nazis abgrenzt. Abgrenzen ist schön, das Bemühen meistens ein kläglicher Versuch, etwas zu erreichen, bei dem man mit weniger Mühe mehr erreicht hätte.

Wenn ich mich deutlich gegen Nazis abgrenze, aber nicht deutlich gegen Kinderschänder und Kannibalen – heißt das nicht, dass ich letztere (weil ich mich nicht deutlich erkläre, alle Grenzen definiere) innerhalb meiner Grenzen einschließe?

Wenn ich von meinen Bekannten Peter von meinem Geburtstag auslade, aber Paul nicht auslade – heißt das dann, dass ich mich darüber freuen würde, wenn Paul kommt? Wenn ich Paul – der Logik bei Peter folgend – auch ausschließe, was ist mit Horst, Hans und Herbert? Mit Iwan und Igor? Josef und Jupp? Aber nein, diese Logik scheint nicht zu greifen, wenn der Antifaschismus gestaltlos über den Tischen wabert und Menschen zu Worten greifen, die im Ernstfall nicht zur Waffe greifen würden. Politologische Heißluftballons steigen auf und schweben über den Tischen.

Von Betroffenheit war die Rede. Und wer betroffen ist, der wird leicht von Worten getroffen. Von vielen Dingen war im Rahmen dieser Diskussion die Rede, die man besser nicht gesagt hätte. Von Vereinsaustritten war die Rede, von der Bedrohung der eigenen Existenz via des Verlusts der Arbeitsstätte und so weiter und so fort. Und von Glaubensdingen wurde geredet, von einer notwendigen Trennung zwischen Bla und Blubb, von der Unvermeidbarkeit der Konfrontation, wenn man sich und andere nicht abgrenzt und andere ausgrenzt.

Ich war dagegen. Bin gegen jede Art von Gesinnungskontrolle – was nicht heißt, dass ich ein Nazi bin. Aber das ist ein anderes Thema.

Aber während ich in dieser Versammlung saß, war ich für einen kurzen Moment entrückt. Verzeih mir das Bild – geprägt ist es durch meine Erziehung, die abzustreifen ich nicht vorhabe (man streift Erziehung nicht ab oder über wie einen andersfarbigen Mantel!) Und ich sah durch den Nebel der wabernden Worthülsen eine Straße, an der links und rechts Kreuze standen. An sie waren geschlagen jene, die für ihren christlichen Glauben gestorben waren. Märtyrer waren es, deren Blut die Straße nässte. Und dann dachte ich an den Circus Maximus und die Löwen, welche die Christen fraßen. Dachte an die Judenprogrome und ähnliches. Und auf einmal war mir klar, was junge Religionen u.a. nach oben gebracht hat – ihre Märtyrer. Ein Glaube, der stark genug ist, um dafür zu sterben – der ist es auch wert zu leben (und sei es nur für diejenigen, die nicht als Märtyrer sterben mussten oder konnten).

Das Heidentum der Moderne ist frei von Märtyrern. Die Todesstrafe ist „out“ (zumindest in Deutschland) und es ist schwierig, hier mehr als eine Ordnungswidrigkeit für heidnische Rituale zu kassieren. Vielleicht ist es das was uns fehlt: persönlicher Mut, persönlicher Verzicht und persönlicher Glauben.

„Woran man glaubt, dafür soll man leben und sterben.“ Das ist eine von den Maximen, die ich mir gerne in Stein gemeißelt über den Eingang meiner Villa hängen würde. Wenn es zum sterben nicht langt – dafür leben wäre doch auch schon schön, oder? Was ist mir wichtiger: Mein Arbeitsplatz oder mein Glauben? Wenn mich jemand nicht mehr als Freund möchte, weil seine Götter nicht die meinen sind – was ist mir wichtiger, ein Freund oder mein Glauben? Das wir nicht mehr für unseren Glauben sterben können ist zumindest für mich eine Erleichterung, die unsere Gesellschaft uns gegeben hat. Auch dass wir für unseren Glauben leben können, ist ein Ergebnis unserer Gesellschaftsform (zu deren Verteidigung ich nicht ins Horn zu blasen geschaffen bin). Aber – verdammt noch mal! – wir müssen auch dafür leben und nicht nur dafür vegetieren.

Die Nacht ist lang genug, die uns nach unserem Tode erwartet! Wohlan, dann lebe wenigstens den Tag ohne Angst! Der Sturm der heidnischen Götter weht – jetzt lass uns Segel setzen, auch wenn der Sturm uns das letzte Stückchen Stoff vom Mast reißt! Lass uns vor dem Wind segeln und nicht länger kreuzen, nicht Sturm predigen und dann doch Flaute leben!

Wohlan!

Dein Homo Magi

P.S.: „Tue, was Du befürchtest, und die Angst stirbt einen sicheren Tod.“ Goethe

 

Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!

Lieber Salamander,

scheinbar ist es so, dass wir uns wieder auf Straßenschlachten zwischen Linken und Rechten vorbereiten. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass gewisse Teile des Heidentums wieder zum Sturm gegen Neonazis, Faschisten, Rechtsextreme etc. aufrufen.

Ich will mich hier überhaupt nicht über die Begriffsverwirrung aufregen, die immer auftritt, wenn Menschen aus einem dumpfen Gefühl heraus und ohne Unterstützung ihres Großhirns Plattitüden absondern.

Wir sind uns wahrscheinlich problemlos einig, dass Neonazis Menschen sind, mit denen es politisch wenig Gemeinsamkeiten zwischen „denen“ und dir oder mir geben würde.

Politisch bin ich mit dem Ansatz des Antifaschismus einverstanden. Sicherlich gibt es einen Diskussionsbedarf bei der Frage der möglichen Aktionen genauso wie bei der Frage der intellektuellen Einschätzung des neuen Faschismus. Aber eine grundsätzliche Konsensfähigkeit ist vorhanden.

Mein Problem ist die Frage, woran ich einen Faschisten erkennen soll. Sind es die abrasierten Haare? Ist es die Bomberjacke mit den eigenartigen Aufnähern? Sind es die Springerstiefel mit den farbkodierten Schnürsenkeln?

Muss man, um sich als Neonazi zu outen, „Störkraft“ hören oder reichen schon die „Unfreundlichen Tanten“ (oder wie immer diese komische Band auch heißen mag)? Sollte man in der Öffentlichkeit ab und an den rechten Arm hochreißen oder sich die 88 auf den Oberarm tätowieren lassen? Reicht eine Schlägerei im Bierzelt oder müssen Synagogen brennen?

Ist man als Anti-Zionist auch Anti-Semit? Muss man heute – unter Einbeziehung der sich verändernden Weltlage – nicht auch Anti-Moslem (Anti-Islamist?) und Anti-Hindu sein?

Und ist eine einfache Brandstiftung heute schon ausreichend – in einer Zeit, da eine zünftige Sekte schon Massenselbstmord oder Sarin-Anschläge bieten kann?

Wie sieht es mit technischen Möglichkeiten aus – faschistische Internetseiten, Flugblätter aus dem eigenen Drucker und selbst bedruckte T-Shirts? Alles Bingo.

Diese ganze Scheiße der momentanen Diskussion regt mich auf, weil sie Menschen auf einem bestimmten Stadium festnagelt. Natürlich macht eine Abgrenzung gegen Neonazis Sinn – wenn es die Möglichkeit der Veränderung gibt. Jemand, der mit 23 Neonazi ist, kann mit 33 ein ganz normaler Familienvater ohne obskure politische Überzeugungen sein. Stempele ich ihn für immer jetzt zum Republikfeind und Bösewicht, dann verfestige ich seine Überzeugung – und ich festige die Gruppe, in der er sich befindet, durch Angriffe von außen.

Wir sollten erkannt haben, dass die Frage nach der kollektiven Schuld von der Eigenverantwortlichkeit jedes Menschen ablenkt. Keine Gruppe einer Gesellschaft, keine Gesellschaft trifft eine kollektive Schuld an irgendeinem Ereignis. Wir können nicht feststellen, ob sich Einzelne verweigert haben, wir können nur in den seltensten Fällen Dinge wie „Reue“ oder „Veränderung“ in Skalen bannen. Der Innenraum eines Menschen bleibt unseren Blicken versperrt – und das ist gut so.

Nach dem 2. Weltkrieg erhielten viele Nazis Persil-Scheine, die diese sicher nicht verdient hatten – aber einige haben diese Gelegenheit der zweiten Chance genutzt, um ihre Ansichten, ihr Leben zu ändern. Wir dürfen die wenigen Guten nicht am Gros der Bösen messen – sonst machen wir uns einer ideologischen Kollektivierung (mit-)schuldig, die wir so nicht wollen; nein: nicht wollen können.

Plumper Antifaschismus ist so wie der Unterschied zwischen „gut gemacht“ und „gut gemeint“. Worthülsen verhüllen das wesentliche, lenken vom Problem ab.

Die deutsche Geschichte endete nicht mit dem Holocaust, sie begann auch nicht mit ihm. Das Holocaust ist Teil der deutschen Geschichte, aus ihr erklärbar (wenn auch für mich nicht verstehbar). Das III. Reich, der zweite Weltkrieg – genauso Teil der deutschen Geschichte wie die Wende und die Wiedervereinigung.

Eine Beschäftigung mit dem Faschismus ist wichtig – wenn sie den Blick nicht dafür verstellt, dass Faschisten in einem demokratischen Heidentum genauso wenig zu suchen haben wie Kinderschänder, Leute, die ihre Macht über Menschen ausnutzen („Missbrauch von Schutzbefohlenen“) und Betrüger, die z.B. in der Esoterik-Szene nur darauf aus sind, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Ich gebe gerne zu, dass dieses Problem, dieser Themenkreis mich beschäftigt. Ich sage nicht, dass ich am Ende meiner Gedanken zu diesem Thema angekommen bin – aber diese Einschränkung, dieser Vorbehalt gilt wie für mich für jeden Neonazi. Veränderung, Panta Rei.

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Der gesunde Wunschzettel

Hallo Salamander,

in der Vorweihnachtszeit nutzen auch Versender von Esoterikzubehör jede Gelegenheit, um für sich und ihre Angebotspalette zu werben. Nun findet man ab und an auch eine Nadel im Heuhaufen will sagen ein vernünftiges Angebot unter 50 Katalogen – aber bis man dieses Ziel erreicht hat, läuft einem leider auch schon Blut statt Tränen aus den Augen.

Die Dummheit der Menschen ist grenzenlos, und der Geschenketerror führt dazu, dass man lieber per Post bestellt anstatt sich in den Vorweihnachtsverkauf zu stürzen (dass die Post das Paket dann nicht zustellt, sondern einen roten Zettel einwirft, der wiederum zu Wartezeiten auf der Paketstelle führt, ist ein anderes Problem).

Aber lesen – ja: lesen tue ich diese Kataloge schon ganz gerne. Mal so zwischendrin, um die Neuronen in Schwung zu bringen.

In den letzten Tagen flatterte auch ein Katalog mit der Überschrift „Der gesunde Wunschzettel“ in meinen Briefkasten (samt einem kitschigen Bild vom Weihnachtsmann, versteht sich). Wahrscheinlich habe ich wieder einmal im Netz eine Adresse hinterlassen, wo ich besser keine Adresse hinterlassen hätte.

Und natürlich bin ich neugierig und habe in dem Katalog geblättert. Auch ich muss Besorgungen für Weihnachten machen und habe (vielleicht) in der Hoffnung gelebt, dass ich hier noch etwas finden kann, was mir schon immer gefehlt hat oder was Freunden und Verwandten von mir schon immer gefehlt hat.

Die kurze Antwort ist: Nichts davon vermissen Menschen, die ich mag und mit denen ich verwandt bin (oder, der Vollständigkeit halber: Menschen, die ich mag oder Menschen, die ich mag und die mit mir verwandt sind). Ganz im Gegenteil: Hätte ich das Geld, würde ich ein paar persönliche Feinde von mir mit Dingen beschicken, die ich hier in diesem Katalog gefunden habe.

Ich habe einfach nur ein paar Highlights rausgesucht und für dich – wenn auch leicht verfremdet (ich will nicht bis hinten gegen Bagdad verklagt werden) – aufgelistet. Mir geht es zwar so, dass meine Feinde (so ich denn wirklich welche habe) das Geld nicht wert sind – aber vielleicht leidest du unter einem eigenartigen Ansturm von Reichtum.

Kristallsalz aus dem Himalaja

Natürlich ist das Salz aus dem Himalaja viel wertvoller als das Salz aus Buxtehude. Denn während in Buxtehude nur Kegelvereine über dem Salz sitzen, hocken im Himalaja Gelbkappenmönche auf den Salinen und ihr Schweiß diffundiert durch den Fels bis hinein in das Salz. Im Salz angekommen verändert der Schweiß die Kristalle dergestalt, dass sie nun auf einem höheren Niveau schwingen. Wenn ich dieses Schwingsalz auf meine Frühstückseier mache, dann werden meine Fingernägel wieder hart, mein Haar kriegt seinen vollen Glanz zurück und meine Aura gewinnt ihre natürliche Farbe und Ausstrahlung wieder.

Wasserfilter samt Sprudler

Japanische Wissenschaftler (wer auch sonst – immerhin waren die im Krieg mit uns verbündet!) haben erkannt, dass man Wasser beeinflussen kann. Leider nicht im Sinne von einer Übernahme a la Zauberlehrling („Walle, walle, Wasser, walle!“), sondern durch Schwingungen, Gedanken und Musik. Leider ist dieses Gerät nicht geeignet, um das Wasser mit letzterem zu beeinflussen. Das wäre auch billiger dadurch zu erreichen, dass ich das hauseigene Küchenstereogerät so drehe, dass der Schall auch den Wasserhahn trifft oder ein Haushaltsmitglied meiner Wahl jeden Tag zwinge, zehn Minuten vor dem Boiler über positive Dinge zu meditieren. Nein: Hier werden die Schwingungen mit einem „Auftischgerät“ beeinflusst. Man möge sich das Wort auf der Zunge zergehen lassen: „Auftischgerät“. Darf ich ihnen etwas auftischen?

Orgon-Brotkasten

Dieser nach Reich erbaute Brotkasten besteht aus sechs Wechselschichten Metallfolie, welche Orgon im Brot drin und schlechte Strahlung draußen lassen. Wer im Umkreis von 100 km um ein Atomkraftwerk wohnt, der braucht sich jetzt keine Sorgen mehr um eine Verpestung seiner Nahrung mit CORE-Energie zu machen. Praktisch ist, dass man neben Brot auch Mehl oder Nudeln in diesem Kasten aufheben kann – nur sollte man für einen größeren Haushalt gleich zwei oder drei dieser Kästen einplanen. Da die Nahrung länger haltbar bleibt, sollte sich die Anschaffung bald rechnen.

Magnetische Kugel

Dieses Ding habe ich schon mal in der Fernsehwerbung gesehen – da warfen es Wissenschaftler in eine Metallröhre und es blieb (wie durch Geisterhand) in der Hälfte hängen. Wegen des starken Magnetismus ... Man sollte das Ding einfach außen an die Waschmaschine machen und schon würde das Waschwasser weicher (wahrscheinlich wird der Kalk magnetisch vernichtet!). Natürlich spart man sich dann die aus der Fernsehwerbung bekannten teuren Verkalkungen der Waschmaschine und kann Unmengen an Geld für Reparaturen sparen – von den Einsparungen beim Waschmittel nicht zu reden, denn das magnetisierte Wasser reinigt natürlich fast von alleine (weil die Fleckenzwerge in den Klamotten magnetisch sind und so aus den Sachen gezogen werden!).

Nasenspülkanne

Wer schon immer mal „die Nase voll“ hatte, der kann sich mit diesen formschönen Kännchen jetzt Salzwasser in die Nase füllen, um diese damit zu reinigen. Okay, wahrscheinlich geht das mit jedem anderen Gegenstand mit Ausgießmöglichkeit auch (aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass auch schnöde Tupperware ausreicht!) – aber wahrscheinlich sind diese Kannen von Maori-Jungfrauen fußgetöpfert und von daher energetisch aufgeladen.

Unfassbar, oder? Ach nebenbei, ich habe einen der fünf Gegenstände erfunden. Die anderen vier sind echt. Krass, oder? Und dann regen wir uns über die christliche Vermarktung von Weihnachten auf ...

Frohes Fest!

Dein Homo Magi

 

Der neue Mazda ...

Hallo Salamander,

einer der besten Witze der letzten Wochen geht ungefähr so: „Was haben Jesus Christus und der neue Mazda gemeinsam?“ „Beide sind Mehrtürer.“ Natürlich klappt der Witz nur wegen dem Gleichklang Mehrtürer/Märtyrer und ist daher zum Erzählen, nicht jedoch zum Lesen geeignet. Aber man kann nicht alles haben ...

Bin ich als Märtyrer geeignet? Ich glaube nicht. Weder möchte ich Löwen vorgeworfen, noch (in welcher Kreuzigungspose auch immer) gekreuzigt, gepfählt oder einfach nur geköpft werden. Aber ich gebe auch zu, dass diese Gefahr in Deutschland zur Zeit sehr gering ist. In der BRD ist die Todesstrafe aufgehoben (auch wenn es sie in der hessischen Verfassung noch gibt) und es ist nicht davon auszugehen, dass sie in den nächsten Jahren wieder eingeführt wird.

Auch ist die Gefahr für mein eigenes Leben nicht sehr hoch. Die meisten gefährlichen Situationen, die ich erlebt habe, waren entweder im Straßenverkehr oder im Krankenhaus. Beim Straßenverkehr waren schon ein paar Ereignisse dabei, bei denen ich hätte sterben können – aber ich habe Glück gehabt. Ein paar Mal sind mir auch Schläge angedroht worden und ich wäre sicherlich nicht ohne einige Verletzungen aus der ganzen Sache hervorgegangen. Aber ich hatte Glück und habe zwar einige Male was „aufs Maul“ bekommen, aber mehr Bedrohung war nicht.

Warum spreche ich dann im Zusammenhang mit Heidentum von Märtyrern? Okay, der Begriff ist sicherlich christlich besetzt (wenn man von „christlichen Märtyrern“ spricht, wie das so oft geschieht, wobei mir keine bekannten heidnischen Märtyrer für Deutschland einfallen). Aber was ist mit den ganzen Wissenschaftlern, die Nachteile in Kauf nehmen, weil sie von ihrer Einstellung nicht abzubringen waren? Was ist mit den Politikern, die z.B. unter den Nazis Widerstand geleistet haben – auch unter Gefahr für ihr Leib und Leben? Das sind doch auch Menschen, die bereit waren, für ihren Glauben, ihre Ansichten, ihre Erkenntnisse alles zu opfern.

Selbst wenn der Tod keine ernsthafte Bedrohung ist – gehört nicht trotzdem Mut dazu, für das Stellung zu beziehen, was einem wichtig ist? Ich denke schon.

Wie ist das mit mir und meiner Einstellung? Ich habe an Menschenketten teilgenommen, gegen die Volkszählung demonstriert, habe vor Kinos gegen „Die rote Flut“ demonstriert (mein Gott, den habe ich Jahre später auf Video gesehen – hätte ich gewusst, wie mies der wirklich ist, ich hätte mir diesen verregneten Nachmittag gespart), mehrere Male das Vergnügen gehabt, vor der Polizei auszusagen etc. pp. Ich bin einige Male verklagt worden und wegen Zahlung von Geldstrafen dann doch nie vor Gericht gelandet. Vor Diskussionsrunden diverser politischer und weltanschaulicher Richtungen habe ich schon gestanden und gesprochen. Es gibt eine Broschüre, die ich wegen Äußerungen über mich habe verbieten lassen (auf der Homepage des Herausgebers wird das immer noch brav – ohne Namensnennung – so dokumentiert) und es gibt Herausgeber/Druckereien, die sich wegen der Inhalte geweigert haben, Werke von mir zu drucken (am deutlichsten wurde das bei dem Versuch, etwas über einen Neonazi zu publizieren). Als es den Ostblock noch gab, habe ich Bildungsurlaube nach Prag organisiert und Bücher in die DDR geschickt. Eine Zeitlang bin ich wegen „Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ von der Polizei beobachtet worden und wegen Briefkontakt in ein Gefängnis (zu einem „politischen Gefangenen“) ist ein Teil meiner Post geöffnet worden.

Bin ich deswegen ein Held? Nein. Ein Märtyrer? Sicherlich auch nicht. Aber ich denke, dass unser Staatssystem – trotz aller Fehler – es möglich macht, sich „relativ weit aus dem Fenster zu lehnen“, wenn man bereit ist, bestimmte Dinge dafür in Kauf zu nehmen. Und mir war es immer wichtig, kein „Warmduscher“ zu sein. Jeder sollte wissen, wo ich stehe und was ich zu sagen habe. Ich wollte immer „Pfähle“ oder „Markierungen“ hinterlassen, damit ich sagen kann, dass ich gezeigt habe, wo ich stehe. Manchmal ist das sicherlich mit einem gewissen Maß an Rechthaberei verbunden („Ich habe euch das vorher gesagt!“), aber mir geht es besser dabei.

Vor über 10 Jahren wurde ich schwer krank, psychosomatisch. Damals sagte man mir, dass ich anfangen muss, das, was mich von innen her auffrisst, rauszulassen. Sonst würde ich unweigerlich früher oder später daran kaputt gehen. Also habe ich überlegt, dass ich eigentlich noch nicht draufgehen will. Und habe angefangen, Position zu beziehen. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber es wurde besser. Ich habe gelernt, mich nicht dafür zu schämen oder Angst zu haben, weil ich meine Ansichten ausspreche. Und ich habe nach einer Form gesucht, die es mir möglich macht, über bestimmte Dinge meine Ansichten loszuwerden. Diese Briefe an dich sind eine Möglichkeit unter anderen. Aber sie sind eine Möglichkeit, die mir Spaß macht.

Würde ich meinen Beruf riskieren, weil ich Schwierigkeiten mit meinem Glauben auf der Arbeit habe? Ich weiß es nicht. Aber in den nächsten Tagen werde ich wieder einmal massiv Ärger mit meinem Arbeitgeber kriegen, weil ich Position beziehe. Hier geht es aber nicht um Religion, sondern um meine Tätigkeit als Betriebsrat.

Auch in anderen Gruppierungen sage ich, was ich denke. Ich glaube nicht, dass ich dafür getötet werde. Das ist wohl eher unwahrscheinlich. Aber mir geht es besser dabei. Das Risiko, für meine Ansichten Ärger zu kriegen, ist das Gefühl wert, dass es mir dabei gut geht.

Bin ich mutig? Ich weiß es nicht. „Mündig“ wäre ein Wort, was mir besser gefällt. Bin ich ehrlich? Nicht immer. Aber man kann eigentlich von mir erwarten, dass ich Dinge nicht nur für zehn Minuten oder zehn Tage vertrete, sondern über einen längeren Zeitraum meine Position nicht ändere – und wenn ich sie doch ändere, dann erkläre ich, warum ich das getan habe.

Ich stelle für meine Ansichten Öffentlichkeit her. Deswegen muss ich damit leben, dass ich auch öffentlich dafür kritisiert (oder gelobt) werde. Das nehme ich in Kauf. Und ich glaube weiterhin, dass ich bei diesem Handel profitiere. Es gibt Menschen, die stellen Schränke oder Schmuck her. Es gibt Menschen, die können heilen oder pflegen. Ich versuche mich als jemand, der erklärt, wie er die Welt sieht und mit anderen Menschen darüber redet, wie sie die Welt sehen. Damit bin ich nicht besser oder schlechter als Menschen mit anderen Gaben – so lange diese auch versuchen, ihre Gaben zu benutzen, ihre Fähigkeiten auszuleben.

„Woran du glaubst, dafür sollst du leben und sterben.“ Aber eben nicht nur sterben, sondern zuerst leben!

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Führerschein

Hallo Salamander,

du – wie alle anderen, die mit mir schon einmal im Auto gefahren sind – bestätigen mir immer wieder, dass ich ein guter Fahrer bin.

Nun, die Statistik spricht für mich. Ich habe meinen Führerschein fast 20 Jahre und in diesen 20 Jahren habe ich keine Unfälle verursacht. Und ansonsten kann ich nur einen Blechschaden, ein paar Mal Rutschen auf Eis sowie einige Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretungen und Falschparken bieten. Meine Großmutter ist von meinem Fahrstil so begeistert, dass sie am liebsten mit mir fährt. Und ich biete mich immer wieder für Wochenendveranstaltungen als Fahrer an. Einige Male ging das zwar schon bis an den Rand der absoluten körperlichen Erschöpfung, aber ich erkläre mich erst selbst zum Beifahrer, wenn ich überhaupt nicht mehr fahren kann.

Aber man darf keinem erzählen, wie ich zu meinem Führerschein gekommen bin. Ich erzähle es trotzdem, weil ich am Ende versuchen will, daraus etwas abzuleiten.

Ich fing meinen Führerschein mit 17 Jahren an. Die theoretischen Stunden brachte ich irgendwie hinter mich. Bei den praktischen Stunden hatte ich weniger Schwierigkeiten. Die ganzen Mädchen wollten unbedingt den jungen, bärtigen Fahrlehrer. Auf den konnte ich verzichten und so entschied ich mich für eine nette, wenn auch ein wenig schüchterne Fahrlehrerin. Mit der lernte man alles ganz perfekt – ich lernte ordentlich zu blinken, hielt mich an jede Geschwindigkeitsbeschränkung und fuhr ruhig und aufmerksam. Das einzige, was ich nicht ordentlich auf die Reihe bekam, war das rückwärts einparken. Aber bis zur Prüfung war ja nun noch ein wenig Zeit und auch hier machte hoffentlich Übung den Meister.

Dann bekam sie die Gelbsucht, als Fahrlehrerin fiel sie völlig aus. Die anderen Fahrlehrer hatten keine freien Stunden mehr – und ich musste noch die Sonderfahrten abarbeiten und rückwärts einparken lernen. Also aktivierte man den pensionierten Besitzer der Fahrschule, der seine Lizenz als Fahrlehrer noch nicht zurückgegeben hatte. Der gute Mann war im zweiten Weltkrieg Ausbilder für Lastwagenfahrer und danach Rennfahrer. Nach einigen Minuten mit ihm im Auto konnte ich mir genau vorstellen, wie er Lastwagenfahrer darauf drillte, herabstürzenden Spitfires auszuweichen.

Seine Lieblingskommentare waren „Mit dem Verkehrsfluss Schritt halten!“ (wenn ich seiner Meinung nach zu langsam fuhr) und „Los! Los! Los!“ (wenn ich wieder einmal eine drei Sekunden Fahrzeit ersparende Lücke übersehen hatte).

Er teilte mir auch relativ schnell mit, dass er für die Sonderfahrten (Überlandfahrt, Autobahn und Nachtfahrt) zu alt sei. Die Überlandfahrt absolvierten wir auf der Schnellstraße zwischen Vorort und Stadt. Diese Schnellstraße bin ich an diesem Tag etwa zehn Mal gefahren, dann hatte ich das hinter mir. Die Autobahnfahrt war ähnlich prickelnd. Wir fuhren bei der Auffahrt auf die Autobahn auf, dann bei der ersten Raststelle ab. Der gute Mann kaufte sich Zigaretten, rauchte eine und hielt mir einen Vortrag über das für und wieder von Autobahnen, den Bodenbelag von Autobahnen im Vergleich zum Nürburgring und die architektonischen Besonderheiten des nächsten Autobahnkreuzes. Dann fuhren wir wieder auf die Autobahn und bei der nächsten Abfahrt runter. Heimging es dann auf der leidlich bekannten Schnellstraße.

Die Nachtfahrt war der absolute Knaller. Wir fuhren in die Tiefgarage des größten Einkaufszentrums der Stadt. Dann erklärte er mir, wie die unterschiedlichen Lichter funktionieren. Die durfte ich dann an der Wand vor mir austesten, während er wieder einmal Zigaretten holen war. Nachdem ich schon fast eine Krampf in den Fingern hatte, weil ich andauernd das Licht an und aus drehte bzw. den Blinker bestätigte, kam er wieder. Dann fuhren wir noch ein paar Runden in der Tiefgarage und ich hatte meine Nachtfahrt hinter mir.

Rückwärts einparken habe ich auch bei ihm nicht gelernt – und das, obwohl wir etwa hundert Mal rückwärts um einen abgelegenen Kreisel gefahren sind. Aber in der Fahrprüfung kam natürlich auch der Wunsch auf, mich rückwärts einparken zu lassen. Ich war natürlich nervös und war gerade dabei, es schrecklich zu versägen. Da schrie mein Fahrlehrer von der Rückbank „Einschlagen! Ritter, einschlagen!“ Der Prüfer hat ihm dafür einen Verweis erteilt – beim nächsten Eingreifen von ihm wäre ich durchgefallen. Aber ich war so sauer auf ihn und durch seinen Anschiss so motiviert, dass der Wagen wie ein Stück Seife in die Parklücke glitt. Das ist mir vorher wie nachher nie wieder gelungen – aber in dem Moment, wo ich es brauchte, hat es geklappt.

Ich war gerettet, mein Führerschein war mir sicher.

Im Nachhinein bin ich ihm dankbar. Bei der schüchternen Dame hätte ich auch meinen Führerschein geschafft – aber würde ich dann heute noch bei Fahrten am Flugplatz vorbei, wenn über mir ein Flugzeug landet, an angreifende Spitfires denken? Und das gute „Mit dem Verkehrsstrom Schritt halten!“ hat mich zwar mindestens einen Strafzettel gekostet, aber dafür fahre ich jetzt zügig Auto. Auch was wert.

Und – hat es jemals jemanden interessiert, wer mich ausgebildet hat und wo ich gelernt habe? Nein. Alle sind damit zufrieden, dass ich Auto fahren kann. Das ist ja auch der richtige Ansatz. Was wäre ich froh, wenn ich im Bereich Magie / Heidentum genauso wenig Schwierigkeiten hätte. Wenn meine Arbeit gut ist, dann scheint auch meine Ausbildung gut gewesen zu sein. Aber so weit denken Magier oder Heiden leider nicht. Aber nachdem ich jetzt so oft meine magische Ausbildung legitimieren musste, meine Ränge und Titel erklären durfte, wollte ich jetzt wenigstens einmal meinen Führerschein legitimieren. Was ich hiermit getan habe.

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Reis, Körperfarbe und Stelzen

Hallo Salamander,

langsam aber sicher bereiten wir uns auf das nächste Hochfest vor. Yul oder Wintersonnenwende nennen es die Menschen. Und gerade in den Wintermonaten, wenn die Nächte lang und kalt sind, ist das Bedürfnis groß, das Licht zu teilen und gemeinsam zu feiern. So ist es auch zu Yul.

Natürlich will so eine Feier auch vorbereitet sein. Im Zeitalter der modernen Kommunikation ist es so, dass man (leider) nicht mehr einen schön gestalteten Brief oder einen Anruf bekommt, sondern man erhält – wie 30 andere Leute auch – eine E-Mail. In dieser E-Mail wird man also zu einer Feier geladen.

Scheinbar verleitet der E-Mail-Verkehr dazu, dass man sich auf die wesentlichen Dinge konzentriert. Eigentlich schade. Warum haben wir früher mehr in einem Brief geschrieben, wenn das Schreiben von Briefen doch mehr Arbeit ist als das Schreiben von E-Mails? Müssten wir nicht die gewonnene Zeit damit zubringen, längere Mails zu schreiben? Nein, die gewonnene Zeit ist wahrscheinlich eine Täuschung, verschwindet in PC-Wartungsarbeiten und dem Installieren von Programmen und schlägt sich nicht auf unser Zeitkonto nieder.

Wie auch immer. Die E-Mails, die ich zu solchen Festterminen erhalte, sind meist karg und brotlos. Wenn man Glück hat, enthalten sie noch einen Verweis (neudeutsch: Link) auf die Stätte der Veranstaltung. Wahrscheinlich kann man auch gleich einen Link anklicken, der einen zum Fremdenverkehrsverein des Ortes führt, einen Link, der einen zum Gaststättenführer bringt, einen Link zum Routenplaner, zur Streckenauskunft der Bundesbahn etc. Eigentlich darf man dankbar sein, wenn nicht hinter dem Satz „bringt was zum Räuchern mit“ gleich noch ein Link zum Internet-Räucherwerk-Versender des Vertrauens ist.

Bei Briefen war das alles viel schöner – aber ich schweife ab. Verzeihung.

Nun, bei einer dieser Einladungen habe ich zurückgerufen. Weil mir nicht ganz klar war, was ich mitbringen soll. Eigentlich wollte ich nach Dingen des täglichen Lebens fragen – meine Frage ging mehr in die Richtung von Handtuch (bringen oder leihen?), Schlafsack (bringen oder leihen?) und Gastgeschenke (naja, das gehört sich einfach so – aber man kann ja wenigstens nach Wünschen fragen, oder?). Die Antwort, die ich auf meine Frage „Was soll ich mitbringen?“ bekam, bezog sich aber auf die religiöse Seite des Ereignisses. Leider war die Antwort nicht Reis, Körperfarbe und Stelzen (das hätte mich dann völlig aus der Bahn geworfen), aber nachdem das Mißverständnis aufgeklärt war, kam ich dann doch ins Nachdenken.

Denke ich schon so sehr in magischen Bahnen, dass ich zuerst an rituelle Gegenstände anstatt an Gegenstände des täglichen Lebens denke? Ich hoffe nicht. Meine Gesprächspartnerin eigentlich auch nicht – haken wir es also in diesem Falle als Mißverständnis ab. Aber prinzipiell?

Prinzipiell kam ich schon ins nachdenken. Ich klassifiziere Dinge gerne, sortiere sie gerne in unterschiedliche Kisten. Oft kippe ich die Kisten nachher wieder aus und sortiere neu – aber ich nehme jeden Gegenstand in die Hand und überprüfe ihn nach einer bestimmten Kategorie. So ist es auch oft vor Umzügen – irgendwann kommt der Punkt, wo man nicht mehr darüber nachdenkt, ob der Gegenstand für einen selbst wichtig ist, sondern ob man wirklich Bock hat, ihn in den gottverdammten vierten Stock zu schleppen!

Mein letzter Arbeitgeber hat Würfel verkauft. Okay, das war nicht das Einzige, was er zu bieten hatte – aber Regal nach Regal in unserem Lager waren mit Würfeln in allen Formen und Größen gefüllt. Und manchmal, wenn ein Kunde eine ganz seltsame Bestellung hatte, da habe ich dann mithelfen müssen, die Würfel nach Farben und Formen in Behälter zu kippen und zu zählen. Eigentlich habe ich das ganz gerne gemacht – ein großes Kind in mir, das gerne mit Murmeln aus Plastik spielt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Ritual kann man auch in verschiedene Kästen stecken. Da gibt es die Menschen, die im Alltagsleben genauso aussehen wie im Ritual (wobei mir schon klar ist, dass diese Aussage zwei unterschiedliche Positionen erfasst – einmal die Menschen, die normale Kleidung im Ritual anbehalten und dann jene, die „esoterische Kleidung“ oder „heidnische Klamottage“ auch im Berufsleben tragen). Dann gibt es Menschen, die sich für das Ritual „aufbrettern“ – Rüschenhemd und Schminke, Riesenhorn und Thorshammer, Dolch und Ringe, Hut und langer Mantel. Alles das sind Formen von Verkleidungen, die aber auch für den Träger andeuten sollen, dass er mit dem Verkleiden in einen anderen Zustand eintritt. Und dann gibt es Menschen, die im Ritual nicht anders aussehen als sonst, aber anders sind. Ich kann das nicht beschreiben. Es ist so, als würde etwas von ihnen abfallen und sie bewegen sich anders, als wenn sie außerhalb des Rituals sind. Diese Form ist mir die liebste und ich träume davon, sie damit zu verknüpfen, dass man „innen wie außen“ im Ritual (wieder mein Meyrinksches „hüben und drüben“) gleich aussieht, aber sich nicht gleicht.

Ich würde gerne mal eine Einladung zu einem Ritual lesen, die per Post und schön aufgemacht bei mir ankommt. Eine Einladung, wo ich nicht aus dem Kopf der Mail erkennen kann, wer noch eingeladen ist. Eine Einladung, in der ich etwas über das Fest erfahre und etwas über den Geist, der bei der Feier herrschen soll.

Außerdem würde ich gerne etwas über beide Seiten erfahren – die weltliche und die spirituelle. So wüsste ich gerne, was ich an Dingen (Getränke, Kleidung etc.) mitbringen soll. Und ich wüsste gerne, ob von mir etwas für das Ritual erwartet wird – sei es jetzt ein Gedicht, ein Zettel, den man in die Flammen wirft, ein Duftstoff oder eben Reis, Körperfarbe und Stelzen. Da hätte ich zumindest was zum Nachdenken – und sicherlich würde mir auch alles Blättern in esoterischen Büchern nicht helfen, da müsste ich selbst nachdenken. Eigentlich eine hübsche Idee.

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

P.S.: Und bei Gelegenheit erzähle ich dir mal die Geschichte mit dem Reis und den Gummihandschuhen. Aber das ist eine andere Art Ritual ...

 

Drachenplätzchen

Lieber Salamander,

dieses Yul verbrachte ich mal etwas „exklusiver“ als die vergangenen Jahre. Eigentlich wollte ich zu einer ganz anderen Veranstaltung – aber das Schicksal war gegen mich und so zerschlug sich dies. Aber die Alternative erschien mir auch sehr wünschenswert. Eine Handvoll Leute (lustigerweise genauso viele Personen, wie Finger an einer Hand sind), eine schöne Kulisse, ein gemeinsames Wollen. Alles klang gut.

Im Nachhinein würde ich nebenbei anmerken, dass es das Schicksal mit der Absage für Veranstaltung #1 gut mit mir meinte ... Ich nehme es gleich vorweg: Es war auch gut. Das Ritual hat sehr viel Spaß gemacht. Wir standen in einer kleinen Burg auf einem steilen Berg über einem alten Fluss. Dieser eine Raum hatte noch stabile Wände, Boden und Decke. Und in einigen der Fenster waren sogar Gitter, so dass man das Gefühl hatte, sich in einem richtigen Zimmer zu befinden. Der Blick hinaus in den Nebel war phantastisch, die Umgebung wunderschön. Die anderen hatten sich mit der Vorbereitung sehr viel Mühe gegeben und es war wirklich gelungen, den Rahmen schön und angenehm zu gestalten.

Aber darüber wollte ich nicht reden. Ich wollte etwas über Drachen schreiben. Aus Gründen, die jetzt hier überhaupt keine Rolle spielen, denke ich seit einigen Wochen wieder verstärkt über Drachen nach. Das ist kein Thema, das mich andauernd fesselt. Es ist auch kein Thema, das mich nicht interessiert. Es oszilliert zwischen diesen beiden Enden hin und her, mich immer wieder kurzzeitig fesselnd, um mich dann wieder in Ruhe zu lassen.

An diesem Abend waren wir ein wenig zu spät für das Ritual. Und es war schon dunkel. Und wir wussten den genauen Weg nicht. Also standen wir irgendwann mit dem Auto am Fuße des Burgberges und die einzige Möglichkeit, den Berg zu erklimmen, schien ein steiler Fußweg zu sein. Nun gut, ich wusste nicht, auf was ich mich einlasse, und wagte den Weg. Mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken und Schwert und Wanderstab in der Hand begann ich den Aufstieg. Nie wieder nehme ich ein Schwert mit, wenn ich es nicht ordentlich am Körper befestigen kann. Immer wieder ist es im Weg oder zuckt bedrohlich herum! Der optimale Unfall, der mir später einfiel, wäre mein nach hinten überfallen (wegen des schweren Rucksacks). Dabei löst sich mein Schwert aus der Scheide und bohrt sich beim Fallen in meinen Oberkörper. So bleibe ich dann am Hang liegen, wie ein Käfer auf dem Rücken, und kann mich nicht fortbewegen. Am besten noch mit dem Kopf nach unten. Tolle Phantasien.

Nach einigen Minuten des Kletterns riss der Nebel auf und ich konnte sehen, wie hoch wir schon waren, wie steil es unter mir war und wie lange wir noch gehen mussten. Natürlich bin ich nicht schwindelfrei. Die nächsten Meter habe ich dann auf den Knien zurückgelegt, immer brav mich mit einer Hand festhaltend, während ich in der anderen Hand Schwert und Stab hielt.

Toll.

Hätte ich gekonnt, ich wäre umgekehrt. Aber das war mit meinen Anlagen leider undenkbar. Ich wäre noch weniger runter gekommen als weiter hinauf. Und die Bergwacht war gerade nicht in Sicht – wie immer, wenn man sie braucht ... Also blieb mir nicht mehr, als weiter den Hang hinauf zu klettern. Das taten wir auch. Ich weiß nicht, wie lange wir gegangen sind. Ich hatte meine Uhr weiserweise vorher weggesteckt und als wir dann endlich oben waren, habe ich eine längere Zeit nicht auf die Uhr geschaut. Es waren keine Tage, weil die Sonne ging nicht wieder auf, bis wir oben waren. Aber es war subjektiv eine sehr lange Zeit, eine quälend lange Zeit.

Irgendwann waren wir dann auf dem Stück, das sich um den Gipfel und damit die Burg erstreckte. Der Nebel hatte sich noch nicht ganz entschlossen, ob er alles verdecken oder noch ein wenig Sicht lassen wollte. So war alles in ein diffuses Sternenlicht getaucht. Endlich hörten wir aus dem Nebel vor uns ein leises Trommeln – die anderen Ritualteilnehmer hatten sich wohl vorgenommen, das Warten mit etwas Sinnvollem zu überbrücken. Dieses Trommeln war unsere Rettung, denn es verhieß Obhut und Wärme. Noch nie habe ich in meinem Leben Trommeln so geliebt wie in diesem Augenblick!

Wir gingen weiter und irgendwann konnten wir auch ein diffuses Licht vor uns ausmachen. Es war die Burg. Wir ruhten noch einmal an der Mauer aus, damit wir nicht japsend und keuchend ankommen würden. Genützt hat das wenig, weil auch danach waren wir noch ziemlich außer Atem und sahen aus wie zwei Menschen, die gerade in einem Müllcontainer übernachtet hatten.

Das Ritual war dann sehr schön. An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, nur noch an das alles überlagernde Gefühl. Ich dachte immer wieder an Drachen. Mein Atem bildete Wolken vor meinem Mund, das Feuer räucherte uns langsam ein und durch die Fenster zog der Nebel herein. Hätte ein Drache seinen Kopf durch eines der Fenster gesteckt und mich beatmet – ich hätte ihn nicht gesehen, nur gespürt.

Oder lass mich es anders herum sagen. Den Drachen, der seinen Kopf durch das Fenster streckte und mich beatmete, habe ich nur gespürt, nicht gesehen.

Später gab es dann noch für jeden einen Orakelkeks. Meinen habe ich nicht verstanden. Auch wenn ich mich jetzt als totaler Trottel oute – ich kann keine Runen lesen. Das hat mich nie interessiert; lieber habe ich in den vergangenen Jahren meine Energien und die Kapazitäten meines Gedächtnisses auf Dinge verschwendet, die mich wirklich interessieren. Aber der Keks war das, was auch dieser Ort war- ein Drachenplätzchen.

Ich denke an dich.

Dein Homo Magi

 

Raunächte

Hallo Salamander,

die letzten Tage waren nicht so, wie ich mir schöne Tage eigentlich vorstelle. Ich wollte die Silvestertage auf einer Burg am Rhein verbracht, so richtig in netter Gesellschaft und mit einem Stapel Brettspiele die Seele baumeln lassen.

Pustekuchen. Es war zwar nicht sehr kalt und der Winter stand nicht vor dem Tor der Burg, aber trotzdem strahlten diese Tage eine Kälte aus, die ich nicht erwartet hätte.

Am Tag vor Silvester wollten wir mit unseren ca. 100 Gästen eine Veranstaltung im großen Rittersaal der Burg machen. Eine Art gemütliches Beisammensein bei netter Musik sollte es werden. Wenige Minuten vor dem Beginn des Abends, den ich moderieren wollte, lief ich auf einmal im Gang einem heulenden guten Bekannten in die Arme (ich scheue das Wort „Freund“, weil ich nur sehr, sehr wenige Menschen meine Freunde nennen möchte). Der hatte gerade via Handy einen Anruf erhalten, dass ein gemeinsamer guter Bekannter (wobei ich auch hier aus obigen Gründen das Wort „Freund“ scheue) am 2. Weihnachtsfeiertag verstorben ist.

Ein überraschender Tod, weil wir alle nicht geahnt haben, wie krank er offensichtlich doch war. Ein überraschender Tod, weil ich in diesem Moment eigentlich in einer ganz anderen Stimmung sein wollte. Ich musste einige Male schlucken. Dann habe ich meinem Mitveranstalter einen Satz gesagt, dass er sich bitte weiter um das Programm kümmert und habe ich mich in meinen Sessel gesetzt und habe geweint.

Ich weine sehr selten. Ich bin nicht nahe am Wasser gebaut. Darüber hinaus gehöre ich zu jener unseligen Generation, der man beigebracht hat, dass Männer nicht weinen. Und das habe ich wohl mehr oder weniger verinnerlicht. Zwar ist diese Einstellung ärgerlich, aber ich habe sie nun einmal. Mir fällt es schwer, Tränen fließen zu lassen. An diesem Abend war es kein Problem – die Tränen kamen und wollten nicht mehr enden.

Nach einer Weile ging es mir soweit besser, dass ich mit den anderen Verantwortlichen überlegen konnte, was wir weiter unternehmen sollten. Einer sagte dann den richtigen Satz: „Er hätte gewollt, dass wir uns amüsieren!“ Richtig. Das hätte zu ihm gepasst. Er hätte im Publikum gesessen, sich auf die Schenkel geschlagen und hinter seiner dicken Brille hätten seine Augen geblitzt.

Wir haben den Abend durchgezogen. Ich hoffe, dass er irgendwo auf einem der Stühle saß oder in einer der Fensternischen lehnte, während wir Programm gemacht haben. Von ganzem Herzen habe ich es ihm gewünscht.

Alter Freund, gehe in Frieden, wohin auch immer es dich zieht. Du hast dir die Raunächte gewählt; möge der Wind zwischen den Jahren deine Seele an einen Ort blasen, wo sie glücklich und zufrieden ist.

Ich werde an dich denken, wenn der Wind in den nächsten Nächten an meinen Fenstern rüttelt.

Vielen Dank für alles, alter Freund. Vielen Dank ...

Dein Homo Magi

 

Augen

Hallo Salamander,

der Jahreswechsel liegt in unserem Kalender auf einer komischen Position. In den Raunächten, „gefangen“ zwischen Yul (oder, weil es weitläufiger gefeiert wird: Weihnachten) und den Heiligen Drei Königen.

Der Januar hat seinen Namen nach dem Gott Ianus; einem zweigesichtigen Wesen, dass in Zukunft und Vergangenheit schauen kann. Eine praktische Angelegenheit, das mit den zwei Gesichtern. „Vier Augen sehen mehr als zwei“; so könnte man, wenn man rein mathematisch denkt, sagen. Aber die nordische Mythologie beweist, dass auch die Opferung eines Auges dazu führen kann, dass man mit der Sehkraft nur eines Auges mehr sehen kann als ein normaler Mensch mit zwei Augen.

Aber vielleicht ist es die Positionierung auf Vorder- und Hinterkopf, die den Augen des Gottes Ianus einen besseren Blick verschafft. Während selbst der Einäugige sich drehen muss, um zu sehen, was hinter ihm liegt, kann Ianus nach vorne und hinten schauen. Praktisch ist es und es erinnert an ähnliche Konstrukte im Tierreich.

Aber Odin beweist auch, dass es eben nicht nur das ist, was wir sehen. Es ist auch die Art, wie wir diese Informationen verarbeiten, wie wir das deuten, was wir sehen können. Viele Seherinnen waren blind oder trugen Augenbinden (so auch die Justitia, die nun per Definition als Gerechtigkeit blind sein soll). Und da gibt es immer noch diesen Mythos von den perfekten japanischen Masseusen, denen man im Kindesalter das Augenlicht genommen hat, damit sie mehr Gefühl in den Händen erhalten. Ihre Finger werden sensibler und damit können ihre „Patienten“ das Optimum aus der Behandlung ziehen. Eine perverse Vorstellung, oder? Ianus wird mit vier Augen geboren, Odin opfert sein Auge freiwillig – aber jemanden zu blenden, nur um ihm Weisheit zu verschaffen? Nebenbei: War es nicht „Der Kurier des Zaren“, der erst Einsicht erhält, als er (beinahe) geblendet worden ist?

Aber wir sind doch oft genauso. Wir vernebeln unsere Sinne, um nicht wahrnehmen zu müssen, was um uns herum geschieht. Wir reißen uns keine Augen mehr aus, aber wir reglementieren die Türen unserer Wahrnehmung (die „doors of perception“). Alkohol und Nikotin sorgen dafür, dass wir abstumpfen. Das Fernsehen regelt, was wir von der Welt sehen. Ein Fenster, eine „Camera Magica“, mit der wir hinaus in die Welt schauen können – aber nicht überall hin, sondern nur an Orte, die uns gezeigt werden.

Schon der kleine Prinz wusste, dass man nur mit dem Herzen gut sieht. Die Augen sind unsere Fenster zur Welt (und man nennt die Augen auch Fenster zur Seele). Das ist wohl wahr. Aber was hilft es, wenn wir perfekt sehen können, aber nicht erkennen, was wir sehen? Wir können alle mit den selben Augen den gleichen Wald sehen – und trotzdem sieht der eine nur die Erhabenheit der Bäume, der andere nur den Dreck auf dem Boden und der dritte sieht den Atem der Welt, der durch den Wald zieht und bereitet sich darauf vor, eine Stelle zu suchen, um dort den Wald zu spüren und mit den Bäumen zu reden.

Alle drei verwenden ihre Augen, alle drei sehen die selben Dinge aber sie erkennen etwas anderes.

Ich mag das Bild von Ianus nicht. Ich glaube, dass ein Mensch mit zwei Gesichtern auf jeder vernünftigen Stehparty auffallen würde. Wie macht der das? Mit dem einen Gesicht betreibt er freundliche Konversation am ersten Tisch, mit dem anderen Gesicht lästert er an einem anderen Tisch über die Gesprächspartner seines Erstgesichtes. Tststs. Die gespaltene Zunge kann wenigstens immer nur ein Gespräch führen, zwei Gesichter können einem zwei unterschiedliche Unterhaltungen aufdrücken – oder zwei widersprüchliche Gespräche auf einmal führen. Die Schizophrenie, die gespaltene Persönlichkeit ist ein Krankheitsbild, das uns immer wieder Angst macht, weil wir die Menschen, die diese Krankheit haben, nicht einschätzen können.

Ich kenne ein paar Menschen, die nur ein Auge haben oder nur auf einem ihrer beiden Augen sehen können. Es mag mein Vorurteil sein – aber meiner Ansicht nach schauen sie tiefer als andere Menschen. Vielleicht, weil sie gezwungen sind, ihr eines Auge optimal auszunutzen. Eine andere Erklärung habe ich nicht.

Lieber als an Ianus denke ich an das Bild von Kate Bush und Peter Gabriel. In einem ihrer gemeinsamen Musikvideos halten sie sich fest umarmt, jeder schaut über die Schulter des anderen. Und während die Scheibe, auf der sie stehen, sich dreht, sehen sie so die Welt und können sich gegenseitig darüber berichten. Dazu läuft wunderschöne Musik (Nur welches Lied? Lieber Salamander, ich weiß es nicht mehr. „Sledgehammer“ war es wohl nicht ... vielleicht „Don’t give up“?). Das ist ein Bild, mit dem ich für den Blick in zwei Richtungen leben kann. Ich spüre den Herzschlag eines anderen Menschen an meiner Brust, rieche sein Haar, spüre seinen Atem. Und gemeinsam schauen wir in beide Richtungen, beschützen uns, halten uns, bewachen uns und berichten von den Dingen, welche die Welt zu zeigen hat.

Das ist mir lieber, als zwei Gesichter zu haben. Und viel zärtlicher ...

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Lebenslanges Lernen

Hallo Salamander,

diese Woche habe ich einen Bildungsurlaub. Und das lässt mich wieder über ein Thema nachdenken, dass mich schon länger beschäftigt. Es ist das Stichwort „lebenslanges Lernen“. Ich glaube, dass dieses Wort in den letzten Jahren (leider) zu einem reinen Schlagwort verkommen ist. Dabei ist es doch genau das nicht.

Lebenslanges Lernen – da denkt man unwillkürlich an Rentner auf den Bänken von Hörsälen, an Mittfünfziger in Esoterikkursen und Greise im Yoga-Kurs. Natürlich ist das ein Teil der Intention. Aber ein anderer Teil der Zielrichtung ist es auch, gerade jüngere Menschen (oh, ich sage mal frech zwischen 25 und 45) dazu zu bewegen, ihr Leben und ihren Horizont immer mehr zu erweitern.

Natürlich geht das auch über die institutionalisierten Kanäle. Man kann die örtliche Volkshochschule besuchen, Fernlehrgänge mitmachen, in einem Verein aktiv sein etc. pp. Dazu kommen dann praktische Dinge wie Koch- oder Schreibmaschinenkurse, die alle Erkenntnisse in gesellschaftlich sanktionierten Bereichen vermitteln.

Die Kanäle außerhalb der normalen, bürgerlichen Welt wären z.B. Veranstaltungen des nächsten Esoterik-Buchladens, Esoterik-Börsen oder einfach Diskussionsgruppen, in denen gemeinsam über Themen diskutiert wird. Man kann für eine Sitzung ein Buch vorgeben, über das man reden will, oder ein Rahmenthema, zu dem sich jeder äußern sollte. Auch dies sind gängige Wege des Lernens.

Aber uns Menschen, die sich mit Magie beschäftigen oder sich Heiden nennen, steht ein weiterer Weg offen. Wir können uns selbst als Lehrer genug sein. Das ist ein eigenartiger Satz, ich weiß. Aber ist es nicht so, dass wir Heiden daran glauben, dass die Natur in bestimmten Maße beseelt ist? Und warum kümmern wir uns dann nicht mehr um sie?

Wage doch einmal das Experiment: Bevor du abends einschläfst, überlegst du dir bitte, was du im Verlauf dieses Tages neues über die Welt gelernt hast.

Weißt du jetzt den Vornamen der netten Verkäuferin in der Bäckerei? Kennst du jetzt den Fahrplan für die Buslinie, die raus in das Erholungsgebiet fährt? Weißt du jetzt, wofür der lustige Schaltknopf im Auto deines Vaters ist? Weißt du, welcher Nationalität der neue Schuhmacher ist? Weißt du, was ein Bällchen Eis im nächsten Sommer kosten wird?

Wir nehmen viel zu viele Dinge als gegeben hin, versuchen nicht mehr, über sie etwas zu erfahren. Wir fahren unsere Spuren immer tiefer in den Sand der Zeit und verlernen es dabei, die vorgegebenen Bahnen zu verlassen. Wir fahren den Karren unseres Lebens immer mehr in den Dreck, weil wir die Bahnen nicht verlassen können, die uns so geläufig sind. Nur wer mehr Dinge lernt, bleibt geistig beweglich.

Und, kleiner Salamander, wenn du wirklich nicht weißt, was du im Laufe eines Tages gelernt haben könntest – hier kommen zwölf Fragen, die du in den nächsten Tagen beantworten solltest. Dann hast du etwas gelernt (wenn auch nach meinen Richtlinien – aber es sollte dir nicht schwer fallen, mit dieser Anregung eigene Fragen zu entwerfen oder deine Freunde zu bitten, dir Fragen zu stellen!).

 

1.  Wie schmeckt Banane mit Erdnussbutter?

2.    Gibt es sexuelle Praktiken, die dein Partner/deine Partnerin aus prinzipiellen Gründen ablehnt?

3.  Gibt es Nahrungsmittel, die du vor oder nach einem Ritual nicht verträgst?

4.    Hat sich das Wahlverhalten deiner Eltern bei den letzten Bundestagswahlen verändert?

5.     Auf welchen Friedhöfen liegen jene drei Toten in deiner Familie, mit denen du am engsten verwandt bist?

6.   Wie fühlt es sich an, ohne Gummihandschuhe den Syphon eines Waschbeckens zu reinigen?

7.   Wie lange dauert es, bis ein Eiswürfel in deinem Bauchnabel schmilzt?

8.   Weißt du, wie es riecht, wenn du deine Wohnung mit Vanille räucherst?

9.  Wann hast du das letzte Mal von einer Person, mit der du nicht zusammen bist, gesagt bekommen, dass er/sie dich liebt?

10.  Welches Stück von den Beatles oder welches klassische Musikstück steht am ehesten für Magie?

11.  Gibt es ein Gedicht, dass du komplett auswendig kannst?

12.  Wenn die Welt von Außerirdischen vernichtet wird, wenn du ihnen nicht einen guten Witz erzählst – welchen Witz würdest du erzählen?

Viel Spaß, kleiner Salamander. Ich bin auf deine Antworten gespannt!

Dein Homo Magi

 

Riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

Mein lieber Salamander,

wenn man am Arm einer schönen Frau im Winter durch die Straßen meiner Heimatstadt geht, dann überlegt man sich irgendwann, wie der ganze Schnee wieder von den Straßen verschwindet.

Wo er herkommt, das ist eigentlich klar. Je nach Alter des Betrachters wird der Schnee entweder von Frau Holle gebracht, die jenseits der Wolken ihr Bettzeug ausschüttelt, oder er stammt (das Wissen der Grundschule verwertend) aus dem ewigen Wasserkreislauf vom Meer über die Wolken bis hin zum Grundwasser zurück ins Meer, der alles Wasser immer und immer wieder im Kreis herumbewegt. Wie passend ist es doch, dass unser Abwasser auch in Drehbewegungen in riesigen Becken von Abfall und Fäkalien getrennt wieder als Brauchwasser dem Zyklus zugeführt wird. Wenn man älter wird, hängt Schneefall zunächst von der Wettervorhersage im Fernsehen ab und endlich erreicht man das Alter, wo das Ziehen der alten Kriegsnarbe oder ein Rucken im metallenen Kniegelenk Schnee verheißen.

Wo er bleibt, ist ebenso klar. Er liegt erst schneeweiß und unberührt auf Wegen und Wiesen, Wipfeln und Weiden. Doch dann tauchen erste Spuren in ihm auf – kleine Fußabdrücke von Tieren und Kindern. Dann fräsen sich die Räummaschinen mit ihren Raupenketten durch den Schnee und erste Autospuren tauchen auf. Später wird er von Maschinen am Straßenrand zu Mauern aufgeschoben oder zu Haufen auf Verkehrsinseln und Straßenkreiseln.

Wo er hingeht, ist schwierig. Über Nacht verschwindet er. Manchmal sieht man ihn, wie er vor sich hin schmilzt und sein Wasser in die Bäche und die Kanalisation ergießt. Diese schwillt dann an und Bäche treten über ihre Ufer. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn dieses Wasser so zunimmt, dass es auf einmal die größere Bedrohung ist, nicht mehr der Schnee. Aber langt das verschwundene Wasser, um die Menge an Schnee zu erklären? Nicht immer. Und hier beginnt mein Problem.

Nun, als ich mit jener Frau am spazieren war, deren Namen nicht genannt sein soll, weil dieser Name nichts mit dir oder mein Verhältnis mit ihr nichts mit dem Verhältnis zwischen dir und mir zu tun hat und du sowieso zu neugierig bist, kam mir die Lösung für die Frage, wo der fehlende Schnee (der-wo-nicht-zu-Wasser-wird) hingeht. Ich sah auf einmal mit anderen Augen die Schilder, die überall an Zäunen und Mauern hingen: „Ibel & Lotz, Schneeräumung“.

Und vor meinen Augen sah ich die beiden uralten Eisriesen, die nachts mit einem Besen (Ibel) beziehungsweise einer Schneeschaufel (Lotz) durch die Straßen gingen und den Schnee in große Tonnen warfen oder kehrten, die sie – wie die Arbeiter im Weinberg – immer wieder auf den Rücken schnallen konnten. Und wenn eine solche Tonne voll war, dann verschwinden Ibel und Lotz in einem kurzen Aufblinken in ihre eisige Dimension. Dort leeren sie ihre Beute aus und kommen wieder, um ihr Werk fortzusetzen.

Wahrscheinlich werden sie von einer Firma ausgebeutet und arbeiten für zwei Schokoladenriegel pro Nacht. Sie wiederum glauben, dass sie die Firma ausbeuten. Von daher ist es eine Art ausgleichende Gerechtigkeit.

Und so schlendere ich beruhigt mit ihr, Arm in Arm und leise grinsend, hinweg durch die Nacht. Dabei denke ich an die Eisriesen, ihr eigenartiges Los und das Verschwinden des Schnees.

Dein Homo Magi

 

Kettenbriefe

Hallo Salamander,

die letzten Wochen bin ich wieder einmal mit Kettenbriefen überschüttet worden. Es ist natürlich so, dass in Zeiten politischer Verunsicherung die Menschen anfangen, sich anderen Menschen mitzuteilen und darüber zu reden, wie ihre Befindlichkeit ist. Dazu kommt ein sehr hartnäckiger Kettenbrief mit einer angeblichen Petition an die UNO (als würde die UNO auf Kettenbriefe aus dem Internet antworten!) sowie der legendäre Hinweis, man möge doch auf seinem Rechner kontrollieren, ob man durch einen Virus eine fremde, ausgesprochen gefährliche Datei auf den Rechner bekommen hat.

Wenn man – wie erwünscht – diese Datei löscht (die irgendeinen sinnigen Namen a la brupmumpf.hkp trägt), dann unterbindet man für seinen Rechner für alle Zeit alle Verbindungen zu Java-Darstellungen (oder waren es irgendwelche anderen Dinge – egal). Da löschen also Tausende von Usern wichtige Dateien, weil sie im Glauben leben, diese Dateien wären von einem Virus auf ihren Rechner gespielt worden. Einmal erhielt ich an einem Tag zwei solcher Rundmails – erst die Aufforderung, die Datei zu löschen und dann eine Mail mit einer Entschuldigung und dieser Datei als Anhang, damit ich sie auf meinem Rechner rekonstruieren kann.

Solche Kettenbriefe sind einfach zu formulieren:

„Leider muss ich mitteilen, dass durch einen Computervirus 100 vergiftete Euros auf ihr Girokonto geraten sind. Bitte überweisen sie diese zwecks spiritueller Reinigung auf mein Konto (217 54 46 bei der Deutschen Bank Darmstadt, BLZ 508 700 24). Ich werde das Geld spirituell reinigen und innerhalb von vier Wochen – nach Abzug einer geringfügigen mystischen Bearbeitungsgebühr von 66,66 Euro – zurück überweisen.“

Los, her mit der Knete!

Aber ich will dich nicht damit langweilen, dass ich versuche, mein Konto auf deine Kosten zu füllen. Hier mein toller Vorschlag für einen magischen Kettenbrief:

„Dies ist ein magischer Kettenbrief. Lach nicht, Erdling! .:. Magister Melchior Matar M.M.A. .:. hat diesen Kettenbrief nicht an vier Freunde weitergeleitet und nicht die Anweisungen befolgt. Am nächsten Tag warf ihn sein magischer Zirkel raus und er ist heute ein Solitary Wicca.

Starshine Astarte Wonderlight hingegen, eine junge Hexe aus Hoax/Connectitut hat diesen Brief weitergeleitet und am übernächsten Tag fand sie in ihrem Briefkasten vier Umschläge mit den geheimen Schulungsunterlagen der Stella Matutina. Preiset Gardner!

Erdling! Melde einer der folgenden Homepages an und fülle sie mit Hinweisen auf die geheime Weltverschwörung, das Voynich-Manuskript und www.homomagi.de. Lösche die von dir angemeldete Homepage unten aus der Liste der möglichen Seiten, entzünde eine Kerze im Fenster und sende die restliche Mail an vier Freunde weiter. Wenn die Homepage-Vorschläge alle sind, dann ist der Zauber dieser Mail erloschen. Die Welt ist dann ein wenig dunkler ...

magiefreun.de

mittellan.de

drachenlan.de

blutsban.de

dunkle-pfa.de

gott-aus-ja.de

na-du-alter-schwe.de

wahre-re.de

zungenre.de

wahrer-go.de

der-wahre-go.de

echter-go.de

der-echte-go.de

tausend-to.de

hexenbu.de

neue-mo.de

magische-klad.de

nur-wir-bei.de

traumlan.de

magische-waen.de

die-vier-win.de

die-schwaerende-wun.de

satanische-mor.de

hoellische-hor.de

Segen sei!

.:. Magister Arminius Equitarius .:.”

 

Werter Salamander, natürlich überprüfe ich ab dem Tag des Absendens täglich die im Internet vorhandenen Homepages meiner Liste ... Bin mal gespannt!

Mit freundlichen Grüßen,

Dein Homo Magi

 

Abschiedsfolgen

 

Lieber Salamander,

seit meinen frühesten Kindheitstagen bin ich ein großer Fan der Serie „Raumschiff Enterprise“ alias „Star Trek“. Meine Akkordeonlehrerin weist mich immer wieder darauf hin, wie wichtig der Schlusston bzw. Schlussakkord für ein gelungenes Stück ist. Ich versuche in meinem Leben immer, Dinge ordentlich zu beginnen und ordentlich zu beenden. Die wenigen Male, wo ich bei magischen oder heidnischen Organisationen Mitglied war, habe ich immer Wert darauf gelegt, dass mein Einstieg und mein Ausstieg „ordentlich“ waren.

Wie war das denn nun bei „Enterprise“ mit dem Einstieg und dem Ausstieg?

Wie war das denn nun bei „Enterprise“ mit dem Einstieg und dem Ausstieg?

 

Kirk

Picard

Sisko

Janeway

Archer

 

Die Serie „Star Trek“ (von echten Fans „ST: TOS“ [für „the old series“] genannt) hatte weder einen echten Anfang noch ein echtes Ende. Die Crew um Captain Kirk, Spock und Pille wurde 1966 ohne echten Pilotfilm gestartet (eigentlich gibt es drei Pilotfilme für die Serie, keiner ist wirklich berauschend) und beendete 1969 ohne echtes Ende die Serie. Der Serie waren einfach die Geldgeber ausgegangen, von einem durchgehenden Spannungsbogen war nicht die Rede.

Es dauert fast 20 Jahre, bis 1987 eine neue Serie („ST: TNG“ oder „Stark Trek – Das nächste Jahrhundert“) startete (wobei ich – aus verständlichen Gründen – die Zeichentrickfolgen von „Star Trek: Animated“ ignoriere!). Captain Pikard, Riker, Data und Worf hatten es einfacher als ihre Vorgänger. Sie erhielten eine Startfolge in Überlänge und eine Endfolge mit echt schönen Szenen. Die Figuren brauchten zwar am Anfang eine Weile, um ihre Rollen auszufüllen, aber danach war die Serie sehr schön. Sie endete 1994 stilgerecht mit einem Captain, der mit seinen Offizieren Karten spielte.

Während der Laufzeit von „ST: TNG“ begann 1993 „Star Trek – Deep Space Nine“ („ST: DS9“). Der Start war fulminant: Kein Raumschiff, eine Raumstation, keine homogene Crew, sondern Figuren, die mehr oder weniger erst zu einem Team werden mussten (Commander Sisko, Major Nerys, Dr. Bashir, der Ferengi Quark, der Gestaltwandler Odo etc.). Die Serie endete 1999 als religiöses Verwirrspiel – das Ende war nicht sehr durchdacht, aber immerhin hat man versucht, alle Handlungsstränge unter einen Hut zu bringen.

Für mich die schlimmste Katastrophe war „Star Trek – Raumschiff Voyager“ („ST: V“), das aus mir unverständlichen Gründen von 1995 bis 2001 lief (diese Serie überschnitt sich also ebenfalls zeitlich mit ihrem Vorgänger ST: TNG). Captain Janeway, Lt. Paris, Commander Chakotay, Lt. Tuvok, der holographische Doktor und später Neelix u.a. hatten sich mit ihrem Raumschiff verflogen und wollten (wie weiland E.T.) nach Hause. Eine Art Weltraum-Kimble oder Weltraum-Familie Robinson mit Elementen aus „Dallas“ und den Treffen einer Pfadfindergruppe. Diese Serie ist wenigstens konsequent – sie hat einen langweiligen Anfang und ein langweiliges Ende.

Zur fünften Enterprise-Serie mit dem hochinteressanten Namen „Star Trek - Enterprise“ (seit 2001) kann ich wenig sagen, weil ich nur den hervorragenden Start kenne, aber nicht ihr Ende. Die Serie um Captain Archer, T’Pol und viele andere läuft hoffentlich noch lange. Nach einem Anfang, der alle überrascht hat, hat die Serie schnell ihre Gangart gefunden und unterhält jetzt wöchentlich mit gut gemachten Science Fiction-Episoden.

Warum erzähle ich dir das alles? Ich bin vor einigen Tagen aus dem komischen Heidenverein ausgetreten, in dem ich schon einige Jahre Mitglied bin (Keine Namen! Keine Namen!). Die Gründe tun hier nichts zur Sache, sie wären hier auch falsch aufgehoben.

Wie halte ich mich in Konkurrenz zu den fünf „Star Trek“-Serien? Bin ich ein Janeway-Typ oder ein Kirk, ein Sisko, ein Picard oder ein Archer-Typ?

Nein, Archer fällt aus, da kann ich das Ende noch nicht sehen.

Wer bin ich also in diesem Vergleich? Was für Fragen muss ich mir stellen, um das herauszubekommen? Zuallererst die einfachste: Wie bin ich gekommen, wie gegangen?

Der Anfang war geplant. Ich bin mit einem Freund zu dem Treffen gefahren, weil ich den Verein kennen lernen wollte. Und das erste Treffen lief gut. Also fällt immerhin schon einmal Kirk aus – uff, ebenso verabschiede ich mich von Janeway.

War ich anfangs besser als „ST: TNG“? Aus dem Abstand der Jahre schwer zu beurteilen. Aber bin ich unter religiösem Gebrabbel verschwunden, ein mythischer Sisko auf seiner Raumstation? Nein, ganz im Gegenteil. Klassische heidnische oder magische Gründe („Ihr wollte mich alle nur magisch angreifen!“ oder ähnlicher Blödsinn) spielen keine Rolle.

Will ich versuchen, mit den Leuten im Verein, die mir wichtig sind, später noch zu reden? Ja. Spiele ich gerne Karten? Ja. Also bin ich wohl das Äquivalent zu Picard – aber ich sehe mit nackten Oberkörper nicht so gut aus wie er. So viel kann ich problemlos zugeben ... und bin mit meiner Analyse zufrieden.

Hey, das hat mir jetzt mehr Spaß gemacht, als ich eigentlich vorher vermutet habe. Vielleicht sollte ich über das „Star Trek“-Ritual noch einmal nachdenken.

„Ich rufe dich, du Romulaner des Feuers!“

„Höre meine Stimme, du Vulkanier der Luft!“

Schluss. Ich will ja nicht gleich all mein Feuer verschießen.

Make it so!

Dein Captain Magi

 

Homo Magi – Magician for Hire

Lieber Salamander,

vor einigen Tagen saß ich wieder einmal an meinem Tisch im „Magic Noir“. An einem Tisch spielten sie Karten, an einem anderen tranken sie nur. Nanette und Babette sangen zu Musik vom Klavier und der Mann hinterm Tresen vermischte wieder unauffällig den teuren Whisky mit Wasser.

Auf einmal durchschritten vier kräftige Männer die Schwingtür. Ich erkannte sie auf den ersten Blick, obwohl ich mir den Hut bis fast über die Augen gezogen hatte. Sie kamen rein, warfen einen abschätzigen Blick auf mich und stellten sich so an den Tresen, dass sie mich im Augen behalten konnten.

Die Kartenspieler packten unauffällig ihre Spielutensilien zusammen und gingen. Einer der Trinker am zweiten Tisch schien noch nüchtern genug zu sein, um seine Kumpanen auf das Eintreffen der Raven-Brüder hinzuweisen. Auch sie standen auf und gingen.

Die Musik vom Klavier her ertönte. Nanette und Babette musterten mich ängstlich. Die beiden Kleinen hatten Gefallen an mir gefunden, machten sich Sorgen um mich. Ich zwinkerte ihnen aufmunternd zu und machte dann mit der Hand eine winkende Geste. Sie verstanden und verließen das Terrain.

Die Raven-Brüder bestellten sich Whiskey. Der Barkeeper hatte vor ihnen zu viel Angst, um ihnen Wasser in die Drinks zu mixen. Die Gebrüder galten als geistlose Killer, die alles angriffen, was ihnen nicht passte. Und heute schien ich einen Ehrenplatz auf ihrer Hitliste einzunehmen.

Ich hob den Arm und machte dem Barkeeper das Zweifingerzeichen für Zwei Finger Whiskey. Er wollte einschenken, doch einer der Ravens schlug mein halbvolles Glas von der Bar. „Feiglinge wie Magi trinken nicht in der selben Bar wie wir!“

Oh, das sah nach Ärger aus. Ich stand auf. „Sag das noch einmal, Raven!“

„Feiglinge wie du trinken nicht in der selben Bar wie wir!“

„Dann müsst ihr wohl gehen, damit ich ihn Ruhe trinken kann.“ Freundlichkeit war eine Waffe, die einzusetzen mich meine Mutter gelehrt hatte. Den Umgang mit dem Colt kannte ich von meinem Vater – der Teufel habe ihn selig!

„Magi, der Boss schickt uns!“ Oh, es schien wichtig zu sein, denn das war jetzt Jack Raven, der älteste und klügste der Brüder. Wobei es nicht schwierig ist, der klügste einer Gruppe von Volltrotteln zu sein. Wahrscheinlich konnte er acht Buchstaben lesen und bis 12 zählen – was gegenüber seinen Brüdern schon eine wahnsinnige Steigerung wäre.

„Was will der Boss von mir?“

„Du willst nicht mehr auf seiner Ranch arbeiten?“

Ich spuckte ein Stück Kautabak in die dafür bereitstehende Vase. „Ja.“

„Stimmt der Lohn nicht?“

„Der Lohn stimmt.“

„Stimmt die Arbeit nicht?“

„Die Arbeit stimmt.“

„Passen die dir anderen Cowboys nicht?“

„Die sind kein Problem.“ Um meine Worte zu unterstützen, spuckte ich erneut in die Vase.

„Was passt dir dann nicht?“

„Ich mag für mich selbst arbeiten.“

„Ist ganz schön gefährlich, so alleine in der Welt ...“

Ich musterte ihn langsam von oben bis unten. Er wurde etwas nervös und nippte an seinem Whiskey. „Soll das eine Drohung sein?“

„Mehr oder weniger.“

„Dann geht zu euerem Boss und sagt ihm, dass ich mich nicht bedrohen lasse.“

„Du wirst das bereuen, Magi!“

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“

Die vier Brüder schauten mich an. Wahrscheinlich wussten sie jetzt nicht, was sie tun sollten. Eine Schießerei jetzt und hier würde Ärger für ihren Boss bedeuten – und außerdem waren sie nicht klug genug, um ohne Weisung von oben zu arbeiten. Also würden sie zu ihrem Boss zurückreiten und neue Befehle holen, bevor sie damit anfingen, heißes Blei durch den Saloon zu schießen.

Die vier tranken ihre Whiskey aus. „Auf ein anderes Mal, Magi!“

„Auf ein anders Mal, Cowboys.“

Sie verließen die Bar, wie sie gekommen waren – unerwünscht.

Wenig später saß ich wieder in meiner Ecke. Die Musik vom Klavier ertönte wieder, Nanette und Babette sangen und die Kartenspieler zockten. Vielleicht würde ich nachher eine Runde mitspielen – ein wenig Gesellschaft würde mir gut tun. Und dann könnte ich immer noch versuchen, Nanette, Babette oder beide mit auf mein Zimmer zu nehmen.

Vorher musste ich aber noch etwas erledigen. Ich schnipste mit den Fingern, bis der Barkeeper zu mir herüberschaute.

„Hey, du kannst doch schön schreiben.“

„Sagt man, ja.“

„Könntest du einen Text für mich aufschreiben und zur Druckerei geben, damit er Freitag in der Zeitung steht?“

Er zögerte. „Soll dein Schaden nicht sein.“ Dabei schnippte ich ihm ein Dollarstück auf den Tresen.

„Einverstanden.“

Wenig später saß er an meinem Tisch und nahm meine Anzeige auf.

„Homo Magi – Magician for Hire. Cowboy, Ende 30, hat viel gesehen auf seinen Trails und viel erlebt, sucht neue Anstellung. Bezahlung Verhandlungssache. Angebote an Homo Magi, ‚Magic Noir’.“ Die Raven-Brüder würden vor Wut schäumen, wenn sie das lesen! Doch mir war das egal, ich war endlich wieder mein eigener Herr.

Jetzt lockten Nanette und Babette und danach vielleicht ein heißes Bad ...

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Nur ein Wimpernschlag im Auge der Ewigkeit ...

Hallo Salamander,

es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Heiden noch heute Wert darauf legen, sich als „in einer Tradition befindlich“ zu definieren. Die Gründer der modernen Esoterik an der Schwelle zum 20. Jahrhundert befanden es nicht für notwendig, die alten Kulte wiederzubeleben. Es mag sein, dass dies das Etikett war, das einige von ihnen auf ihre Gründungen klebten. Aber ihnen war klar, dass sie dabei waren, etwas neues zu schaffen, was mit dem Althergebrachten nur den Namen und einzelne Elemente gemeinsam hatte.

Es schien ihnen auch nichts auszumachen, munter aus verschiedenen geschichtlichen Epochen und aus verschiedenen Kulturen zu „entleihen“. Ihr Ziel war nicht eine Re-Kreation des Gewesenen, sondern eine Kreation aus Versatzstücken (eine Art mystisches Potpourri oder eine Art heidnisches Pappmache, wenn man das mal so sagen darf). Doch irgendwie haben wir in den vergangenen hundert Jahren als Heiden verlernt, mit der selben Lockerheit an die Vorlagen heranzugehen.

An einem bestimmten Punkt wurde die Suche nach heidnischen Traditionen verwissenschaftlicht. Es langte nicht mehr aus, dass Dinge funktionieren. Auf einmal mussten sie auch erklärbar und historisch überprüfbar sein. Vielleicht ist es der Versuch des Heidentums – zumindest im europäischen Raum – immer wieder die Hexenprozesse als historische Legitimation einer erstarkenden heidnischen Bewegung zu benutzen, die die Bewegung dazu gezwungen hat, immer wieder und immer tiefer in die (z.T. sehr spärlichen) historischen Belege hinabzusteigen.

Ist das wichtig? Eigentlich nicht. Wir gehen von Gottheiten aus, die älter sind als die menschliche Zivilisation. Sie sind also sicher älter als die Verehrung, die ihnen entgegengebracht wird. Und sie werden den Niedergang unserer Spezies überleben. Da wir nicht wissen, wie hoch der Faktor ist, der ihre Lebenszeit von der unserer Zivilisation trennt (10 x so lange, 1.000.000 x so lange?) ist es müßig, berechnen zu wollen, wie viele Anteile an der zeitlichen Existenz eine wie auch immer geartete heidnische Tradition hat.

Um es etwas plumper zu sagen: Selbst eine lemurische Zivilisation, die als Grundlage einer heidnischen Tradition dient, und die sich selbst eine Vorgeschichte von 122.635 Jahren gibt, ist nur ein winziger Bruchteil in der Existenzzeit der Gottheit – nur ein Wimpernschlag im Auge der Ewigkeit.

Macht es dann Sinn über die Frage zu diskutieren, ob ich meine Tradition gestern gegründet habe oder ob ich anhand von baskischen Schnitzzeichnungen nachweisen kann, dass schon vor 2.000 Jahren Menschen den Glauben an Glumbayahaha gepflegt haben. Es ist egal, weil Glumbayahaha deutlich älter ist als die Zivilisation der Basken – und noch die Haselbüsche streicheln wird, wenn unsere Städte längst zu Staub zerfallen sind.

Was uns fehlt, das ist etwas heidnischer Mut. Der Gottheit ist es egal, wie wir sie verehren – wir Menschen sind es, die am Ritus immer wieder herumkritteln. Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine Gottheit eingegriffen hat, weil der Träger der heiligen Seife nicht im Süden gestanden hat – aber ich kann mich an mehrere Fälle erinnern, wo Heiden sich in die Haare bekamen, weil man sich in der Auslegung „des Wortes“, „der Inspiration“ oder „des Buches“ nicht einig war. Meinetwegen mag der Träger der heiligen Seife während des Rituals auf und ab springen und dabei „Let the sunshine in!“ singen – wenn es den Teilnehmenden des Rituals gefällt und zum Erfolg des Rituals beiträgt.

Lösen wir uns vom Legitimationsgedanken und kehren wir zu dem zurück, was unsere Vordenker schon vor über 100 Jahren gewusst haben. Die Geschichte ist ein Steinbruch, aus dem wir täglich Steine schlagen. Wir verwenden Hits und Literaturzitate wieder, drehen Filme erneut und erzählen immer wieder die selben Witze mit unterschiedlichen Zielgruppen. Wir stehen in der Geschichte, verändern sie aber auch immer wieder. Warum sollte das für Menschen anders sein als für Heiden – denn Menschen sind wir alle, oder?

Lieber Salamander, wenn ich eine brillante Idee für eine neue Tradition habe, dann werde ich sie beim Frühstücken oder im Kreis einiger Mitstreiterinnen und Mitstreiter gründen. Und wenn unsere Rituale kraftvoll und schön sind, dann ist es egal, wie alt wir sind – der Atem der Gottheit weht, wo er will, und wenn ich so einen Zugang zu ihm finde, dann ist das gut so.

Einen Vorteil hat mein Ansatz natürlich: Er steht im Hier und Jetzt. Vielleicht steigert das die Attraktivität einer solchen Idee ...

Dein Homo Magi

 

Aids

Hallo Salamander,

vor ein paar Tagen war es mal wieder Zeit, mir die Haare schneiden zu lassen. Das ist ein wenig komplizierter, als es sich anhört, da mein Haar durch viele Wirbel und Wellen immer wieder aus der Form gebracht wird. Für Menschen, die in dunklen Kellern arbeiten, mag das noch erträglich sein. Wenn man jedoch immer wieder vor Leuten steht, die man unterrichten soll, dann ist das eine schlechte Voraussetzung. Also lasse ich meine Haare in regelmäßigen Abständen neu schneiden.

So war es auch an diesem Tag. Und während ich saß und ein wenig mit der Friseurin plauderte kam ich auch – mein stoppeliges Kinn im Spiegel betrachtend – auf die Frage, ob man hier auch rasiert werden könne.

Aus meiner Kindheit erinnere ich mich noch an den Friseursalon in meiner Heimatstadt. Es ging einige Stufen hoch zum Schalter. Links ging es in die Damenabteilung – tabu! –, rechts ging es zu den Herren. Dort brauchte man sich – im Gegensatz zu der Frauenabteilung – nicht anzumelden. An den Wänden standen Metallstühle mit Plastikpolster, daneben ein Beistelltisch mit den Lesering-Zeitschriften, die es scheinbar nur in Arztpraxen und beim Friseur gibt. Überall gab es Aschenbecher – auf dem Beistelltisch, neben den zwei Waschbecken und auf einer kleinen Anrichte. Der Friseur war Kettenraucher, atmete wie ein Asthmatiker und sah aus wie der singende Seelöwe aus der „Augsburger Puppenkiste“. Aber er redete nicht so viel wie andere Friseure (u.a. deshalb, weil er immer eine Zigarette im Mundwinkel hatte!) und er schnitt erstaunlich gut.

Ob ich das mit meinen erwachsenen Augen auch so sehen würde, sei dahingestellt – damals waren meine modischen Ansprüche noch nicht sehr hoch und ich war mit allem zufrieden, was mir an Haaren nicht im Weg war.

In diesem Salon konnte man auch rasiert werden. Damals hatte ich keinen Bartwuchs, deswegen wurde ich nicht Empfänger einer solchen Behandlung. Aber diverse Männer ließen sich von ihm mit einem richtigen Rasiermesser die Barthaare beseitigen. Ich habe es niemals mitbekommen, dass Blut geflossen ist. Er machte das mit ruhigen Bewegungen; da er mit dem Kopf nahe an das Gesicht des anderen heran musste, legte er dafür sogar seine Zigarette weg!

Viel später, auf einem Mittelalterfest, bekam ich dann auch den Bart rasiert. Um einen Bader und Rasierer hatten sich viele Leute geschart, die aber alle Angst davor hatten, sich rasieren zu lassen. Wahrscheinlich schreckte sie die scharfe Klinge. Ich kannte den Herren mit dem Messer aber zufällig, und daher zwinkerte er mir auffordernd zu. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und ließ mich rasieren – für umsonst, weil ich hatte wohl die Aufgabe, für ihn und seine Kunst das Eis bei den Zuschauern zu brechen. Das ist mir gelungen, denn später haben sich noch viele von ihm rasieren lassen.

Es war eine angenehme Erfahrung. Das kalte Metall war am Anfang noch erschreckend, aber dieser Schrecken wich schnell einem Kitzel, der schwer zu beschreiben ist. Angst? Metallische Kälte?

Nun, zurück zu meiner anfänglichen Geschichte. In diesem Friseurladen sitzend fragte ich also nach, ob man hier auch rasiert werden könne. Die Antwort war eindeutig: „Nein, wegen Aids!“ Es gäbe irgendwo in der Gegend noch einen mutigen Türken, der das wohl machen würde, aber ...

Reden wir eigentlich noch über Aids? Ist jemals geklärt worden, was Aids eigentlich auf die Menschheit „losgelassen“ hat? Werden wir jemals Herr der „soziologischen Veränderungen“ sein, die durch Aids gekommen sind? Ich meine jetzt ausdrücklich nicht Sex mit Kondomen, sondern ich meine Zahnärzte, die einen Mundschutz tragen, Friseure, die keine Bärte mehr rasieren und ähnliches.

Mein Lieblingslehrer war schwul, er starb Mitte der 80er Jahre an Aids. Vielleicht denke ich daher ab und an über dieses Thema nach.

Aber Blut ist auch ein Grundstoff der Magie; eine Bindung, die mit anderen Dingen schwer oder nicht zu erreichen ist. Warum versuchen wir nicht, eine okkulte Seite von Aids zu erforschen? Was geschieht hier mit uns und dem magischen „Blutbild“?

Ich werde wohl noch ein wenig nachdenken müssen.

Dein Homo Magi

 

Sammelbilder

Lieber Sölömöndör,

heute wollte ich mit dir über Sömmölböldör reden. Okay, den Kinder-Slang sollte ich mir abgewöhnen, wenn ich will, dass du mich ernst nimmst.

Mein Vater war glücklicherweise ein Vielfahrer und damit auch ein Vieltanker. Das waren die Jahren, als Tankstellen noch mehr waren als Tankanlagen und weniger als gut getarnte Supermärkte. Hier gab es Benzin und Zigaretten. Aber es gab auch Mitarbeiter, die für einen tankten, einem die Scheiben wischten, mal schnell das Öl kontrollierten oder den Reifendruck maßen.

Die Mineralölfirmen hielten sich ihre Kunden durch kleine Geschenke. Die Preise waren fast identisch und bei den damaligen Benzinpreisen kann man aus heutiger Sicht nur staunen, dass überhaupt Autos gebaut wurden, die weniger als 12 Liter auf 100 km verbrauchten ...

Die ersten Bilder, an die ich mich erinnern kann, sind von „Esso“. Heute sind sie – neben einem alten „Erdal“-Sammelheft aus der Zwischenkriegszeit – die Krönung meiner Sammlung. Hier wurde die Geschichte der Welt in einfachen Kapiteln dargestellt. Dazu gab es dann die bunten Bilder zum Einkleben. Glücklicherweise war man nicht auf die Verwirrungen des Schicksals bei der Ausgabe an der Tankstelle angewiesen und konnte Bilder auch zentral nachbestellen. Dies war sehr wichtig, weil die normale Verteilung immer so aussah, dass man 80 % der Bilder relativ schnell bekam, 10 % weitere Bilder dann durch Tauschen etc. – aber die letzten 10 % bekam man nie in die Hand. Mein Bruder äußerte einmal die Idee, dass es vielleicht unterschiedliche Lieferungen in unterschiedliche Regionen gäbe, damit nicht jeder alle Bilder an der Tankstelle kriegen könnte. Heute überlege ich, ob überhaupt alle Bilder in die Verteilung gingen, oder ob nicht besonders schöne (oder wichtige) Bilder sowieso nur zentral zu bestellen waren? Da gab es ja auch Panorama-Ansichten, die aus vier oder sechs Karten zusammengesetzt waren – und hier hatte man, egal was man tat, nie alle Bilder zusammen.

Wenn man aber – wie eben geschildert – 80 % der Bilder hatte, hatte man etwa die selbe Menge noch einmal an Doppelten, die man tauschen konnte – und musste, denn nur so kam man an die nötige Gesamtsammlung. Irgendwo müsste es noch Berge von doppelten Bildern geben ...

Dieser erste Sammelband ist mit Schuld daran, dass ich später Geschichte studiert habe. Ich wollte wissen, ob die Geschichte wirklich so bunt ist wie mein Sammelband – die Anwort ist eindeutig: ja. Aber mein Sammelband ist schöner, weil hier gibt es nur Helden (strahlende wie leuchtende).

Ich habe die Sammelbilder dann nie ganz aus den Augen verloren, doch zum Sammler habe ich es nie geschafft (besonders, weil ich einmal mein Auge verliebt auf einen Band mit Zeppelin-Bildern aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg geworfen habe – und dann den Preis erfuhr!). Die späteren Bände, die mich thematisch interessierten („Krieg der Sterne“ u.ä.) waren aber oft so hässlich, dass ich kein Interesse mehr daran hatte. Und seit dem Panini seine WM-Fußballbilder vom deutschen Markt zurückgezogen hat, weil es angeblich unfaire Vorgänge um die Teilnahme Italiens gab – nein, da ist mir die Lust vergangen. Sammelbilder sind etwas, um Kinder zu erfreuen – kein Politikum und kein Mittel für eine Erpressung.

Ich hoffe ja darauf, dass spätere Generationen mal Homo Magi-Sammelbilder haben – wie es auch im „Harry Potter“-Universum Sammelbilder von bekannten Magiern gibt. Natürlich habe ich dann Ansprüche, was die Verteilung der Bilder anbetrifft. „Homo Magi: lesend“ hätte ich gerne als „common“ (hohe Verteilung), „Homo Magi: essend“ als „rare“ (karge Verteilung) und „Homo Magi: pleite“ als „ultra rare“ (sehr, sehr selten).

Aber auch hier beweist sich, dass diese bunten Bilderträume keine echten Abbilder der Realität sind; Klebebilder halt, Zettelträume, Aufklebergeschichtchen. Aber „Mars attacks!“ ist auch eine Verfilmung einer Sammelbildserie – wer spielt dann mich in „Homo Magi: The Motion Picture“?

Ich bin da auf einmal sehr nachdenklich.

Dein Homo Magi

 

Kraftvoll und schön

Lieber Salamander,

vor einigen Wochen hatte ich folgendes über Traditionen geschrieben: „wenn ich eine brillante Idee für eine neue Tradition habe, dann werde ich sie beim Frühstücken oder im Kreis einiger Mitstreiterinnen und Mistreiter gründen. Und wenn unsere Rituale kraftvoll und schön sind, dann ist es egal, wie alt sie sind – der Atem der Gottheit weht, wo er will, und wenn ich so einen Zugang zu ihm finde, dann ist das gut so.“

Was wäre denn ein Zugang, der mir gefallen würde? Ich habe keinen richtigen Zugang gefunden, der mir gefällt. Aber ich habe ein paar Hinweisschilder bemalt, die mir den Weg zeigen könnten. Sozusagen Schilder, auf denen „Achtung, Monster!“ oder „Kein Schritt weiter – Treibsand!“ steht. Dahinter verbergen sich Bereiche, in denen ich schon mystisch gescheitert bin oder aber Hinweise auf Abkürzungen, die einem den Weg einfacher machen (oder überhaupt erst begehbar). Nimm sie also nicht als Stein gemeißelte Regeln des Herren der Welt, sondern akzeptiere sie als Hinweise, die für mich gelten – und eventuell mit Abstrichen auch für andere Menschen.

1. Magie funktioniert am besten, wenn man sie tun lässt, was sie will. Sollte das nicht möglich sein, sollte man dafür sorgen, dass Magie tut, was man selbst will. Wenn das nicht geht, sollte man jemanden finden, der die Magie beherrscht, so dass die Magie tut, was dieser will. Der schlechteste Fall ist der, wo die Magie das tut, was keiner will. Dies passiert, wenn alle nach ihr greifen (so dass sie nicht alleine fließt), aber keiner sie halten kann (so dass ihr Kurs unberechenbar wird).

2. Zauber brauchen eine Ein- und eine Ausleitung. Man sollte etwas rituelles benutzen, um das Wirken der Magie einzuleiten und etwas rituelles benutzen, um sie wieder auszuleiten. Das Schnipsen mit den Fingern reicht manchen Magiern, andere brauchen ein Gewand, einen geweihten Dolch und gefärbte Haare. Beide Ansätze sind Ordnung, wenn sie funktionieren.

3. Magie ist praktisch. Die erste Überprüfung von Magie ist immer „Hat sie gewirkt?“. Erst danach sollte man fragen, ob Ritual etc. in Ordnung waren. In anderen Worten: Erst Pflicht, dann Kür.

4. Der Nutzen muss größer sein als die Kosten. Wenn ich für ein Ritual mehr bezahle (psychisch oder materiell), als ich aus ihm ziehe, dann ist es kein gutes Ritual. Selbiges gilt für Zauber.

5. Magie soll Spaß machen, soll Tränen in die Augen treiben und die Lachmuskeln betätigen. Lachen befreit Energien, Lachen ist ein Zeichen an die Götter, dass wir noch leben. Wer Trauer herbeizaubert, der versündigt sich an der Schöpfung.

6. Magie ist wie Elektrizität eine Kraft, die weder gut noch böse oder weder gegenwärtig noch vergangen ist. Beide gab es schon immer, beide wird es immer geben. Es sind die Nutzung und die Form, die Gestaltung geben. Analog zu „Nicht Waffen töten – Menschen töten!“ könnte man das auch über Magie sagen. Magie kann töten, verletzten oder verstümmeln. Sie kann aber auch Märchen flüstern, Winde zähmen, Tiere streicheln und Frauenherzen rühren.

Denke darüber nach!

Dein Homo Magi

 

Rollenspiele

Hallo Salamander,

letzte Woche war ich zur Schließung eines Spieleladens in der Innenstadt ein letztes Mal dort einkaufen. Ein komisches Gefühl. Ich bin seit über 20 Jahren Rollenspieler. Damals war das ein aufkeimendes Hobby, für das eine Menge Fanprodukte und die ersten professionellen Materialien erschienen. Meine ersten Einkäufe – „Midgard“ damals, weil es das erste deutschsprachige Rollenspiel war – tätigte ich in einem kleinen Laden, der auch (um sich über Wasser zu halten) nebenher Schachzubehör, Windspiele und Bastelmaterialien verkaufte. Später zog der Laden dann in eine andere Lokalität um und ich begann dort meine „Karriere“ als Ladenkraft. Erst arbeitete ich im Verkauf, später war ich im Versand (den ich mit einem Kollegen aufgezogen habe) und als eine Art Geschäftsführer tätig. Als die Chefin Mutter wurde, war ich jeden Tag im Krankenhaus, um ihr Unterlagen zu bringen. Damit war ich sie öfters besuchen als der Vater des Kindes ... Es waren schöne Jahre. Meine spätere Tätigkeit – sowohl als Geschäftsführer eines anderen Ladens als auch als „European Sales Manager“ für einen amerikanischen Spiele-Importeur – verdanke ich den Erfahrungen, die ich in diesen Jahren gemacht habe.

Und ich habe mein Studium mit der Tätigkeit dort finanziert. Nebenbei hatte ich immer noch andere Einkünfte (um ein paar Jobs aufzuzählen: Volleyballtrainer, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Bedienung, pädagogischer Mitarbeiter), aber der Löwenanteil meines Geldes stammte aus dieser Anstellung.

Aber noch schöner als das Arbeiten dort war die Möglichkeit, stundenlang in Spielen zu wühlen. Es waren die 80er, in denen ich fast jedes Wochenende gespielt habe – Rollenspiele, aber auch Brett- und Kartenspiele. Und in den 80ern begann jener Boom, der 1982 nicht abzusehen war und im Grunde durch die Trading Card Games (Gott verdamme „Magic“!) vernichtet wurde. Fast wöchentlich kamen neue Rollenspiele auf den Markt – und was waren da schöne Sachen dabei! Von „Runequest“ über „Call of Cthulhu“ und „Pendragon“, über „Söhne des Lichts“ (was haben wir gelacht) und „Traveller“ zu „Skyrealms of Jorune“ – und immer wieder „Migard“ und „Das schwarze Auge“, die regelmäßig neue Abenteuer und Boxen produzierten.

Aber die Produktlinie war damit nicht ausgereizt. Es gab noch Miniaturen, Bücher, Karten, Schmuck und was weiß ich denn alles zu Rollenspielen. Damals habe ich immer einen nicht unwesentlichen Teil meines Lohnes gleich vor Ort gelassen – aber damit ging es mir nicht anders als meinen Kollegen.

Nachdem ich dort aufgehört hatte (ich war dann wenig später – nach meiner Magisterprüfung – Geschäftsführer eines „Mitbewerbers“) hatte ich weiterhin Kontakt zu diesem Laden, der irgendwie immer noch auch „mein Laden“ war. Er machte dann aus verschiedenen Gründen, die nicht nur wirtschaftlich waren, zu und an neuer Stelle unter neuer Führung auf. Ich war zur Eröffnung da und auch am letzten Tag – von zwischenzeitlichen Besuchen mal abgesehen, die im Laufe der Jahre weniger und weniger zum Einkauf von neuen Spielen führten. Die Szene hatte sich tot gelaufen, die klassischen Rollenspiele („pen & paper“) waren durch Live-Rollenspiele und Computer-Rollenspiele abgelöst worden. Schade eigentlich.

Der Laden hat jetzt zugemacht und damit ist eine Ära zu Ende, die für mich über 20 Jahre gedauert hat.

Aber eines sage ich dir, lieber Lurch: Wenn heute auf einem Stammtisch ein Mann mit Magierkutte und Zauberstab meine Kumpels und mich ansprechen würde, ob wir gewillt wären, für eine gute Bezahlung die Prinzessin von Moromba aus dem Turm des bösen Magiers Eberte Con Varadar zu befreien – natürlich wäre ich sofort bereit! Und meine Kumpels würden ihre Schwerter und Schilde reinigen, ihre magischen Beutel entstauben, die mystischen Schriftrollen erneut auswendig lernen und die Tränke aufschütteln. Mit Schwert und Magie – hinein ins Vergnügen!

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

P.S.: Dieser Laden war auch mehr als nur ein Geschäft und ein Nebenerwerb. Da ich dort sozusagen jeden Nachmittag war, kamen der Reihe nach immer meine Kumpels vorbei. Als einer meiner besten Freunde arbeitslos war, verbrachte er einen ganzen Sommer im Liegestuhl (!) mitten im Verkaufsraum (!!). Von dort hatte er einen perfekten Blick auf die Balkons der anderen Straßenseite, wo die hübschen Töchter sich zum Bräunen hinlegten. Und wenn die sich zum Bräunen hinlegten, rief er – egal wie voll der Laden war – laut „Ausziehen!“.

P.P.S.: Und da war da noch die Geschichte mit dem indischstämmigen Schulpraktikanten, dem ich am ersten Tag erzählt habe, er könne mich duzen und mein Vorname sei Sahib. Es gab nicht wenige seltsame Blicke, wenn er zu mir huschte und mich mit „Sahib!“ ansprach. Naja, alles Dinge, die man heute wohl nicht mehr tun würde ...

 

Alles Scheiße

 

Hallo Salamander,

 

vor vielen Jahren erschien ein Elvis-Platte mit dem Slogan „10.000.000 Elvis-Fans can`t be wrong“ und einer daraus resultierenden Kaufempfehlung. Nicht wenig später gab es dann Poster: „Esst Scheiße - 10.000.000 Fliegen können nicht irren“. Auf eine banale Art sind beide Aussagen wahr.

Vor einigen Wochen wurde ich öffentlich - neben anderen - als „okkulter Magier“ beschimpft (das Wort „bezeichnet“ passt in diesem Zusammenhang nicht, dafür war das Schreiben an sich zu unfreundlich). Mir war von Anfang an nicht klar, wie das funktionieren soll. „Okkult“ bedeutet so viel wie „verborgen“ oder „geheim“ – wie kann jemand, der u.a. eine wöchentliche Kolumne im Internet über Magie und das Drumherum veröffentlicht, „geheim“ oder „verborgen“ sein?

Aber natürlich sind solche Vorwürfe schwer zu wiederlegen – wie soll ich beweisen, dass ich mich NICHT geheim in düsteren Kellern neben Abwasserkanälen mit anderen Magiern treffen, um Kinderopfer, Jungfrauenschändungen, Grippewellen und Börsenkrach vorzubereiten? Wie soll man beweisen, dass man etwas nicht tut, was man wirklich nicht tut? Und warum soll ich es beweisen müssen – selbst wenn ich ein „okkulter Magier“ wäre? Wer hat das Recht, darauf von mir eine Antwort zu erwarten? Doch niemand. Und schon gar nicht jemand, der offensichtlich Duden- und Brockhaus-los mich mit Dingen beschimpft, die er selbst nicht überdacht hat. Nun, eigentlich muss ich ja froh sein, dass der „Vorwurf“ noch einen inneren Sinnzusammenhang ergibt – was hätte ich gemacht, wenn ich als „karierter Magier“, „stoffwechselnder Magier“ oder „vegetarischer Magier“ beschimpft worden wäre?

Glaube mir, ich habe über die Frage nachgedacht. Das Problem schien unlösbar, bis ich in Kur fuhr. Dort wurden alle möglichen Körperflüssigkeiten von mir eingesammelt und analysiert. Und hier fand ich – endlich! – die Antwort, die ich so lange gesucht habe. „Kein okkultes Blut im Stuhl“ stand auf dem Zettel mit dem Untersuchungsergebnis. Ich war rehabilitiert.

Die Antwort an die Trottel, die solche Vorwürfe wie den des „okkulten Magiers“ über mich verbreiten, ist also eindeutig: Wenn ihr mir beweisen wollt, dass ich okkult bin, dann müsst ihr meine Exkremente durchsuchen. Das ist mir ganz recht, weil da gehört ihr hin.

 

Nach Diktat verreist,

Dein Homo Magi

 

Déja-Vu

Lieber Salamander,

du kennst das Gefühl sicherlich auch, das man allgemein mit „Déja-Vu“ umschreibt. Du erlebst eine Szene und hast das untrügliche Gefühl, dies alles schon einmal erlebt zu haben. Doch du weißt nicht, woher diese Information kommt und wo du diese Szene schon einmal erlebt haben willst.

Manchmal weiß man darum, dass der Gegenüber gleich dieses oder jenes sagen oder tun wird – aber man kann nicht eingreifen, ist gefangen im Zauber des Augenblicks und dem Déja-Vu hilflos ausgeliefert. Eigentlich klingt das wie ein brillanter Zauber – man kann jemanden dadurch in seiner Aktivität lähmen, dass man ihm geringe Ausblicke auf die nähere Zukunft gibt ...

Was ist die Wurzel dieser Erfahrungen? Einbildung oder die einfache Wahrscheinlichkeit wären Erklärungen. Wir werden im Leben mit so vielen Erfahrungen konfrontiert, dass sich bestimmte Bilder und Situationen einfach irgendwann wiederholen müssen – und es ist an uns, dies ohne mystisches Beiwerk als das abzutun, was es ist: Zufall. Doch so einfach sind wir Menschen nicht bereit, uns überzeugen zu lassen.

Das Déja-Vu geht uns deswegen so nahe, weil es uns den Eindruck vermittelt, als könnte man um die Zukunft wissen. Seit dem die Menschen Zivilisationen bilden, versuchen sie auch mit unterschiedlichen Methoden, den Schleier zu lüften, der über der Zukunft liegt. Seherinnen und Seher versuchen mit unterschiedlichsten Methoden („Am Besten lese ich aus frischem Fisch!“) zu erkennen, was kommen wird. Der Erfolg ist eher strittig. Selbst große Propheten – Nostradamus ist ein Name, der in diesem Zusammenhang immer wieder gern genannt wird – haben höchstens ein Gerüst der Zukunft geliefert, dass mit ungeordneten Voraussagen behangen ist, die man dann nach dem Eintreten des Ereignisses wahlweise zuordnen kann.

Eine schöne Theorie ist, dass wir den selben Zeitablauf bei jedem Zyklus des Universums (Big Bang – Ausdehnung – Zusammenziehen – Kollaps) erneut erleben (ich erinnere mich, dass diese Idee sogar mal einer alten „Star Trek“-Episode zu Grunde lag ...). Das Déja-Vu ist also nichts anderes als ein Überrest aus einer früheren Version unserer Geschichte, der unvermutet auftaucht und in unser Bewusstsein eindringt. Eine nette Theorie, doch leider leugnet sie die Möglichkeit des freien Willens.

Komischerweise wird das Déja-Vu zwar immer wieder in Romanen geschildert (und gerne auch als Handlungselement eingesetzt), aber in der theoretischen Magie nicht oder kaum beschrieben oder benutzt. Kann man mit Hilfe der Magie in die Zukunft blicken und diese Fähigkeit vielleicht mit Effekten nutzen, die jenen des Déja-Vu ähneln? Wie wäre es, wenn man immer einen Moment in die Zukunft blicken könnte? Abgesehen von der Verwirrung, die dies für unsere Sinne bedeuten würde (immerhin würden sich in der Wahrnehmung Gegenwart und Zukunft überlagern), wäre es doch faszinierend, wenn man immer einige Sekunden vorher wüsste, was passieren kann. Aber dies macht natürlich nur Sinn, wenn man das beeinflussen kann, was man sieht.

Und da sind wir auch schon beim großen Problem des Déja-Vu angekommen. Man sieht hier zwar etwas, bevor es passiert bzw. hat das Gefühl, dass man weiß, was jetzt passieren wird – aber das Ergebnis der klaren Sicht hinter die Vorgänge der Zeit bleibt ohne Konsequenz, weil man die Information nicht nutzen kann.

Ist das nicht schlimmer, als überhaupt nichts zu sehen? Mir fallen tragische Propheten ein, denen verkündet wurde, dass ihnen niemand glauben werde. Dann sehe ich doch lieber nicht in die Zukunft, dafür habe ich dann auch keine unangenehmen Konsequenzen am Hacken. Manchmal ist es schön, wenn man keine Entscheidung treffen muss.

Oder?

Dein Homo Magi

 

Linien im Sand

Hallo Salamander,

der Trick bei den Ley-Linien – wie bei Energielinien überhaupt – ist ja, dass sie sich zwar wie ein weiteres Muster über unsere Welt legen, aber nicht sichtbar sind. Nur wenige Menschen können Energien immer sehen (meine Erfahrung lehrt mich, dass weit weniger Menschen immer Energien sehen können, als sie behaupten – bei vielen ist es zumindest ein Akt der willentlichen Anstrengung, um Energien sehen zu können) und die Ley-Linien sind genauso schwer zu sehen wie z.B. Auren.

Bei den Ley-Linien kommt aber hinzu, dass sie ihr Muster nur aus einer anderen Perspektive erschließen. Linien, die Gebäude oder Orte miteinander verbinden, die Kilometer weit auseinander liegen, sind nicht immer vom Standpunkt des Betrachters aus zu überblicken. Eigentlich müssten wir auf einen Turm klettern oder an einem Ballon nach oben steigen, um sie zu erkennen – aber auch dann sind sie wahrscheinlich heute in städtischen Gebieten unter Beton und Asphalt schwer zu erkennen.

Kürzlich hatte ich ein „Wahrnehmungsereignis“ der eigenartigen Sorte. Ich stand auf dem Bahnsteig einer Großstadt. Es war noch kühl, der Winter hat sich noch nicht verzogen. Daher trug ich einen langen Mantel und – wegen des zu erwartenden Regens, aber auch, um mir längere Fußmärsche zu vereinfachen – einen Regenschirm. So einen schönen alten Schirm, dessen Spitze mit einem kleinen Metallaufsatz versehen war. Und während ich so den Bahnsteig auf und ab schlenderte – immer in Erwartung einer einfahrenden Untergrundbahn – fielen mir die Rillen im Boden auf.

Wer es überprüfen möchte: Am Bahnsteigrand sind bei großen Bahnhöfen immer so fünf oder sechs Linien, die – nicht sehr tief – zur Bahnsteigkante parallel die Länge des Bahnsteigs entlang angebracht sind. Mein Regenschirm versank in der Rinne und so ließ ich mich von ihr leiten – den Bahnsteig erst hinauf, dann den Bahnsteig wieder hinunter.

Durch Herumschauen auf den nächsten Bahnhöfen, die ich im Rahmen dieser Reise noch besuchte, bestätigte sich mein Verdacht: Es sind Markierungen für Blinde, damit diese nicht aus Versehen auf die Gleise und damit vor einen Zug fallen. Sowohl eine Markierung a la „Hier ist noch Bahnsteig, hier kann man also sinnvollerweise auf einen Zug warten“ als auch ein Hinweis „Stop! Viel weiter und der nächste Intercity nimmt nur ihre Zehen mit!“.

So ist es wohl auch mit den Ley-Linien und anderen Energiebahnen. Die Hinweise sind da, wir übersehen sie nur, weil sie von anderen Informationen überlagert werden. Das Beispiel mit dem Blinden hinkt – doch hier ist es eindeutig, dass der, der einen Sinn weniger hat als normale Menschen, ein Mehr an Informationen aufweisen kann. So ähnlich ist es mit den Energiebahnen wohl auch. Wenn ich Dinge sehen will, die außerhalb meines normalen Erfahrungshorizontes sind, dann muss ich etwas von dem ausblenden, was ich sonst wahrnehmen kann.

Ich kann keine Patentlösungen anbieten, weil sich hier jeder einen eigenen Zugang sucht. Manche Menschen stopfen sich Wachs oder Watte in die Ohren, um in der Stille Zuflucht zu nehmen und zu schauen. Andere erreichen diesen Zustand durch laute Musik, die sie sich über Walkmen und Kopfhörer reinziehen. Mir ist mein Gehör auch in solchen Situationen wichtig, daher blende ich dann ganz gerne einen Teil meiner Sehfähigkeiten aus und werde ein wenig farbenblind. In monochrom ist die Welt gar nicht mal so farblos ...

Wie auch immer man es löst, es ist ein lösbares Problem. Man muss es nur angehen.

Dein Homo Magi

 

Schwerhörige mobben

Hallo Salamander,

um es gleich zur Eröffnung zu sagen: Ich habe nichts gegen Schwerhörige. Meine Großmutter ist fast taub und trägt zwei Hörgeräte, eine Kusine meiner Mutter trägt ebenso zwei Hörgeräte und hat einen Hörfehler, der einfach bestimmte Frequenzbereiche ausfiltert. Ich bin also daran gewöhnt, mit schreiend oder mit veränderter Stimme zu verständigen. Man kann mir daher sicherlich nicht nachsagen, ich hätte etwas gegen Schwerhörige.

So, genug der Einleitung. Bei mir um die Ecke ist ein kirchliches Zentrum für Erwachsenenbildung. Letzte Woche hing ein großer Zettel an der Glastür: „Workshop Mobbing Schwerhörige“. Nun, das erste was mir auffiel, war das Fehlen jeder weiteren Information – Wo ist der Workshop? Wann ist der Workshop? Warum hängt dieser Zettel hier?

Die zweite Stufe des Nachdenkens war dann schon etwas erheiternder. Ausgelöst durch den eklatanten Mangel an Füllwörtern überlegte ich mir verschiedene Möglichkeiten, wie man diesen Text vervollständigen könnte: „Workshop: Perfektes Mobbing, Ziel: Schwerhörige“, „Leider fällt der Workshop Mobbing aus. Stattdessen Gruppensex für Schwerhörige“ oder „Heute Workshop: Mobbing für Schwerhörige“. Bei letzterem Text stellt sich dann doch die Frage, ob es darum geht, dass Schwerhörige das Opfer von Mobbing sind oder selber mobben.

Wie mobbt man einen Schwerhörigen? Ich meine, das geht doch kaum subtil. Man stelle sich ein Großraumbüro vor, in dem u.a. der Schwerhörige Müller arbeitet. Die anderen Mitarbeiter wollen ihn mobben und schreien darum immer wieder grundlos „Müller, du dumme Sau, mach endlich deine Arbeit ordentlich!“ oder „Müller, wird das heute noch was?“ Jeder Beobachter, nein, sogar jeder Angestellte in einem der Nachbarbüros wird später vor Gericht aussagen können, dass er das Mobbing deutlich mitbekommen hat. Schlechter Ansatz.

Oder die Kollegen könnten – um dem Schwerhörigen klarzumachen, dass sie ihn loswerden wollen – T-Shirts oder Pappschilder tragen, auf denen Sachen stehen wie „Müller verpiss dich – keiner vermisst dich!“ und „Müller raus aus unserem Büro.“ Abgesehen davon, dass das Ganze doch sehr stark an Slapstick erinnert, wäre auch das wahrscheinlich zu auffällig. Müller braucht dann nur noch eine Polaroid-Kamera, und das ganze Mobbing scheitert. Natürlich könnten die Kollegen auch die Zeichensprache der Taubstummen lernen, um Müller klarzumachen, dass sie ihn los werden wollen. Aber ich halte das für etwas zuviel des Aufwands. Einfacher ist es dann doch weiterhin, Müllers Schubladen zuzukleben und seine Rechnerfestplatte zu formatieren.

Die andere Möglichkeit ist, dass der Schwerhörige versucht, seine Kollegen zu mobben. Reden kann er ganz normal, deshalb ist es sicherlich für ihn einfach, böse Kommentare über Kollegen loszulassen. Und wenn das Opfer sich rechtfertigen will, dann macht der Schwerhörige schnell und unauffällig sein Hörgerät aus. Ähnlich Ozzy Osbourne (dem – dank MTV – bekanntesten Schwerhörigen unserer Generation) könnte der Schwerhörige sich lächelnd zurücklehnen, wenn irgendjemand etwas zu ihm sagt, dass er nicht hören will. „Schreib mir doch bitte einen Zettel, wenn es wichtig ist!“ Und wenn kein Zettel kommt, dann darf man kündigen.

Die Konsequenz meiner Überlegungen ist eindeutig: Nur eine meiner beiden Interpretationsmöglichkeiten macht Sinn. Das Seminar kann sich also nur an Schwerhörige richten, die ihre Kollegen mobben wollen. Es ist erstaunlich, für was sich kirchliche Bildungszentren inzwischen hergeben. Widerlich!

Zu solchen Folgerungen kommt man natürlich nur, weil die Informationen nicht vollständig waren. Pech. Warum soll es Christen besser gehen als Heiden, was voreilige Schlüsse und fehlerhafte Kommunikation betrifft.

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Verschollene Dorfbewohner

Hallo Salamander,

manchmal glaube ich, dass es Dinge gibt, die aus der Realität verschwinden, weil man vergessen hat, sie im Auge zu behalten (oder im Auge behalten zu lassen).

Manchmal tauchen die Sachen wieder von alleine auf, manchmal bleiben sie für immer verschwunden, ohne dass sich jemand daran erinnert, manchmal findet man noch jemanden, der sich außer einem selbst daran erinnert.

Zu den Dingen, die verschwunden bleiben, gehört z.B. das Königreich Burgund. Ich bin gerade in den letzten Tagen durch zwei völlig unterschiedliche Texte (einer über eine Fantasy-Autorin, der andere über geplante Tätigkeiten der SS für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg) wieder darauf gestoßen. Das Königreich Burgund ist ein Fakt, der tatsächlich wahr ist, aber aus unserem Gedächtnis gelöscht wurde (oder einfach verschwunden ist?).

Wer erinnert sich noch an Pierre Brice alias Winnetou? Doch jeder. Wer weiß aber noch, dass der in einer unsäglichen deutschen Koproduktion namens „Die Mädchen aus dem Weltraum“ (oder so ähnlich – die Erinnerung lässt doch nach) mitgewirkt hat? Viele Menschen, denen ich das erzählt habe, wollten mir nicht glauben. Aber kürzlich traf ich mal wieder ein paar Herren, die sich auch an die Serie erinnern können. Entweder stammen wir aus der selben Parallelwelt oder sind von der selben Gedächtnislöschung verschont geblieben. Ich weiß nicht, woran es liegt, bin aber für die Ergebnisse und Hinweise sehr dankbar. Ich mag es nicht, wenn jemand an meiner Erinnerung herumspielt!

Dann diskutierten wir kürzlich auf einer Feier nachts die Frage, was aus den „Village People“ geworden ist. Ihr wisst schon: Feuerwehrmann, Cowboy, Polizist etc. Gab es da jemals eine Reunion? Nein (zumindest nicht, soweit wir uns erinnern können ...). Weiß irgend jemand den Namen eines Musikers der Band? Nein (auch die herbeigeholte CD gibt keine Namen für die Künstler an). Kann sich jemand an einen Artikel a la „Was macht eigentlich Peter Parker, der Polizist von ‚Village People‘, heute?“ erinnern? Nein.

Ich konnte das nicht auf mir sitzen lassen und habe eine extensive Netzrecherche gestartet. Um gleich anderen Menschen Zeit zu sparen: www.villagepeople-official.com ist eine Katastrophe. Und man ahnt gar nicht, wie viele Seiten mit dem Suchbegriff „village people“ sich wirklich nur mit irgendeiner Dorfbevölkerung beschäftigen (oder mit Hinweisen wie „This is the village. You won’t be leaving!“).

Meine Rettung war dann ein Link mit einem Link mit einem Link, der mich zu einem Angebot namens „Order Merchandise from Randy’s Cafe Shop. Got the Lunchbox?“ führte. Randy Jones (www.randyjonesworld.com) ist der Cowboy von „Village People“ – zumindest behauptet er das auf seiner Website unwidersprochen mehrfach. Also ist zumindest einer der Band nicht – wie in meinem Bekanntenkreis gemutmaßt – an Aids gestorben. (Waren die eigentlich wirklich alle homosexuell oder ist das auch nur ein Marketinggag?)

Randy Jones – ein echter Fortschritt. Aber was machen die anderen? Leben die noch und wenn ja: stehen die zu ihrer Vergangenheit? Ich wäre für Hinweise dankbar, kleiner Lurch.

Ich habe das Gefühl, dass die „Village People“ – wenn ich sie jetzt nicht bald finde – auch in einem Dimensionsloch verschwinden und sich bald auf Parties niemand mehr an Lieder wie „Macho Man“ und „Y.M.C.A.“ erinnern kann. Wollen wir nur hoffen, dass der entsprechende Platz im Kontinuum, den bis jetzt „Village People“ einnimmt, dann nicht von „Silver Convention“ eingenommen wird.

Grauenhaft.

Alles Gute und melde Dich, wenn du was findest!

Dein Homo Magi

Anhang:

Spätere Recherchen ergaben dann doch noch einige Informationen zu den „Village People“, die ich zum Besten geben möchte.

Im April 1977 sammelte der französische Diskoproduzent Jacques Morali die Band, um besonders Homosexuelle mit diesen „schwulen Stereotypen“ anzuziehen. Er schloss einen Plattenvertrag ab, bevor (!) er die Musiker zusammensuchte. Damit reihen sich die „Village People“ in eine lange Liste von „boy groups“ ein.

Die erste Aufstellung bestand aus dem Go-Go-Tänzer Felipe Rose („Indianer“), Alexander Briley („Soldat“) [für „In the Navy“ wurde er kurz zum Seemann ...], Randy Jones („Cowboy“), David Hodo („Bauarbeiter“), Glenn Hughes („Motorradfahrer“) und Leadsänger Victor Willis („Polizist“) (dem einzigen, der in der Originalgruppe über gesangliche Fähigkeiten verfügt haben soll).

Der erste Erfolg war die Single „San Francisco“ 1977 in England, dann „Macho Man“ 1978. Der Durchbruch kam mit „YMCA“ und „In The Navy“.

Später wurden immer wieder Mitglieder der Band ersetzt – so Willis durch Ray Simpson („Polizist II“), später Simpson durch Miles Jaye („Polizist III“) und Jones durch Jeff Olson („Cowboy II“). Der Niedergang der Band kam – trotz einiger Erfolge mit Retro-Auftritten“ – Mitte der 80er. Ein letzter Erfolg (in der Besetzung Simpson, Rose, Hodo, Hughes, Briley und Olson) war „Living In The Wildlife“ 1990.

Morali starb 1991 an den Folgen von AIDS. Der kranke Hughes wurde 1995 durch Eric Anzalone („Motorradfahrer II“) ersetzt. Hughes starb 2001 an Lungenkrebs.

Quellen.

www.nostalgiacentral.com/music/villagepeople.htm

www.lostidols.com/files/v/vp.html

www.randyjonesworld.com

 

Gedanken vor Beltaine (und keine Gedanken zu Beltaine ...)

Hallo Salamander,

vor einem Hochfest kreisen meine Gedanken oft um das Hochfest. Ich denke, dass das normal ist. Eigentlich sind für die Magie alle Tage gleich, aber manche Tage sind gleicher. So ist das auch mit den Tagen vor einem Fest.

Manchmal ist es schon so, dass ich mir morgens Gedanken über das mache, was ich anziehen will. Aber auch hier gilt: Vor einem Fest mache ich mir mehr Gedanken darüber, was ich tragen werde. Suche die Sachen aus dem Schrank zusammen, hole die „heiligen Dinge“ aus ihrem Unterschlupf und so weiter.

Und während ich so räume, suche und packe, während ich mir Gedanken über Räuchermischungen und schöne Tücher, auf denen man sitzen kann, mache, kommt mir auch der Gedanke ins Hirn, warum ich eigentlich für solche Feste eine Organisationsform brauche.

Wir erinnern uns, werter Lurch: Irgendwann bin ich mal in einen Heidenverein eingetreten. Es gibt Menschen, die glauben, dass man Vereine so sehr braucht wie einen Kropf. Eigentlich ist das richtig. Ich habe mich auch von jener (angeblich typisch deutschen) Kultur ferngehalten, die für jeden Hasen, jedes Blasinstrument, jeden Hundetyp und jede Tracht einen eigenen Verein braucht. Aber ich denke weiterhin, dass der Verein eine Organisationsform ist, die finanzielle Risiken minimiert. Vereine mieten Häuser, legen Kosten auf die Mitglieder um, sind Mitglied im „Deutschen Jugendherbergswerk“, drucken Magazine etc. pp. Das macht sie eigentlich sehr sympathisch.

Aber es scheint in der Seele von uns Deutschen einen Einfluss zu geben, der dafür sorgt, dass diese Vereine – wenn wir nicht aufpassen – ein Eigenleben (fast bin ich willig, „Persönlichkeit“ zu schreiben) entwickeln. Und das ist widerlich.

Was will ich eigentlich? Ich will kaum Zeit in einen „Steuerschutzverein“ (so hat ihn ein Freund von mir mal sehr richtig genannt) stecken. So wenig wie möglich Arbeitsaufwand, um für so viele wie möglich etwas zu erreichen. Dafür Zeit haben für Rituale, für das Treffen mit Leuten (das „gesellschaftliche Drumherum“), für Diskussionen über Magie und Heidentum sowie Zeit haben für ein paar Stunden der Erholung weg von meinem sonstigen gesellschaftlichen Umfeld. Dies sind die Dinge, die eigentlich (!) wichtig sind.

Noch einmal (mit anderen Worten): Glaube und Mensch, der Kontakt zur Gottheit und der Kontakt zum anderen Menschen sind das Ziel.

Zwischendurch hatte ich Angst, dass ich dies aus dem Blickfeld verliere. Jetzt nicht mehr. Eigentlich brauchte ich nur ein paar Tage, um in Ruhe nachzudenken. Dann fiel mir ein, dass heidnische Götter selten Vereine bilden. Es gibt keinen „Asen e.V.“ in Walhall, keine „Freunde des keltischen Brauchtums e.V.“ auf den Inseln hinter dem Wind – obwohl mir manche (irdische) Gruppierungen wie Spiegelungen dessen vorkommen, die stundenlang eher über Regeln als über Inhalte reden.

Wir haben als Heiden genug Gemeinsamkeiten, auf die wir uns konzentrieren können. Stattdessen betonen einige von uns das Trennende – warum?

Lange habe ich mir darüber Gedanken gemacht. Inzwischen bin ich zu einer Aussage in der Lage: Hier geht es um Angst. Ich glaube, Vereine bieten für Ängstliche einen Rahmen, der Dinge in eine (vermeintlich) sichere Zone überführt. Viele von uns Heiden trauen nicht mehr auf die wilden Mächte der Magie und setzen sich lieber den kontrollierten Mächten aus, die sie schon kennen.

Lieber Salamander, ich hoffe, dass ich so weit nie sinken werde ... Noch kapituliere ich nicht vor den mystischen Kaninchenzüchtern, diesen okkulten Büroklammerverwaltern und zauberischen Geschäftsordnungsjongleuren. Ihre Magie macht mir keine Angst, ihr Zauber ist stickig, staubig und trocken und ohne Macht. Götter, Mensch, belebte Natur – dies sind meine Gesprächspartner. Aus ihnen schöpfe ich Kraft und Wissen. Und ich habe schon vor Jahren gelernt, mich meinen Ängsten zu stellen.

Ich gebe gerne zu: Ich habe Angst vor einigen Dingen. Aber kein „Ding“, vor dem ich Angst habe, lässt sich durch die Mächte binden, die einen Verein ausmachen. Zum Glück. Wenn meine Ängste so banal wären, dann wären meine Wünsche und Hoffnungen nicht an ihnen gewachsen.

Und Wünsche und Hoffnungen habe ich. Bald werde ich wieder mit einem Kreis im Wald stehen und die Mächte um Schutz und Hilfe anrufen. Bald werde ich wieder spüren, wie die Energie durch mich hindurchströmt. Bald werde ich wieder spüren, wie Magie, einem Ameisenschwarm gleich, durch meine Adern strömt. Bald, nur zu bald.

Dein Homo Magi

 

Nützliche Gegenstände

Lieber Salamander,

es ist immer wieder erstaunlich, was man herausfindet, wenn man über die Geschichte hinter Gegenständen nachdenkt.

Letzte Woche stand ich vor dem Spiegel und mein Blick fiel auf ein Plastikdöschen mit Ohrreinigern („Q-Tips“, um einen gängigen Markennamen zu nennen), die bei uns im Bad wehrlos herumstehen.

Und dann kam ich in das Nachdenken. Die meisten Dinge, die wir heute verwenden, dürften Verfeinerungen von Dingen sein, welche die Menschheit schon früher verwendet hat. Haushaltsgeräte wie der Ofen sind Verfeinerungen des offenen Feuers, der Mixer ist eine Verbesserung des Holzrührlöffels, mit denen man früher Suppe umgerührt hat. Kugelschreiber sind eine Verfeinerung der Schreibfeder etc. pp.

Aber Ohrreiniger? Was waren die Ohrreiniger, bevor sie zu hohlen Plastikstäbchen wurden, die an beiden Enden mit Watte umwickelt sind? Meine erste und bisher schlagkräftigste Theorie sieht folgendermaßen aus:

***

 

[Erdhügel, darauf ein paar einsame Büsche. Wind pfeift; Sand weht umher. Urmensch kommt über den Hügel – Lendenschurz aus Fell, Keule über der Schulter. Urmensch bleibt stehen und fängt an, sich mit dem Finger im Ohr zu bohren.]

Urmensch: Ugh! Ugh! Ugh! Ughuuuu!

[Finger kommt wieder aus Ohr. Das Gesicht wirkt unzufrieden. Urmensch schaut sich nachdenklich um. Sein Blick fällt auf den Busch.

Urmensch geht zum Busch, reißt Blätter ab und schiebt sich diese in das Ohr.]

Urmensch: Ugh! Ugh! Ugh! Ughuuuu!

[Blätter kommen aus Ohr. Das Gesicht wirkt weiter unzufrieden. Urmensch schaut sich erneut nachdenklich um. Sein Blick fällt auf die Keule.

Urmensch geht zum Busch, reißt Blätter ab und wickelt sie um die Keule. Dann schiebt er sich diese in das Ohr.]

Urmensch: Ugh! Ugh! Ugh! Ughuuuu!

[Urmensch zieht Keule samt Blättern aus dem Ohr und schaut glücklich.]

***

 

So und genau so stelle ich mir das vor. Die gegenteilige Überlegung wäre nämlich, dass diese Plastikstangen mit Watte nur erfunden worden sind, um ein Bedürfnis zu stillen, dass erzeugt worden ist (eine klassische Aufgabe der Werbung!).

Mal ehrlich, kleiner Lurch – ist das in der Magie nicht genauso? Benutzen wir nicht Dinge, weil alle anderen Dinge sie auch benutzen, ohne darüber nachzudenken, ob wir sie wirklich nötig haben?

Viele magische Hilfsmittel sind Krücken für unseren Verstand, mehr nicht. Und wir wollen unseren Verstand doch von seinen Fesseln befreien – oder?

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Gespräche mit Erzengel Michael

Lieber Salamander,

manchmal ist das Leben so eigenartig, dass keine Phantasie nötig ist, um es in einer Form darzubieten, die unterhaltsam ist.

Gestern abend war ich mit der Sternendeuterin meines Vertrauens in einer Veranstaltung namens „Gespräche mit Erzengel Michael – ein Vortrag mit Natara“. Wiederum erwies es sich als eine Expedition in die Vorhöfe der Dummheit, hinein in die Schlachthöfe der Aufklärung!

In einem Seminarraum, für dessen Betreten wir vorher üppig Eintritt bezahlt hatten, wurden wir von einer buntgemischten Menschenmenge erwartet. Schon am Eingang schieden sich die Besucher in Gläubige – solche, welche die Schuhe auszogen – und Ungläubige – Menschen, die ihre Schuhe weiterhin anbehielten. Ich behielt meine Schuhe an, aber ich schwöre bei Gott, dass am nächsten Tag die Sohle durchgebrochen war und ich sie wegwerfen musste!

Natara, der ein wenig wie ein Freund von mir aussieht, der Sozialarbeiter ist und immer glücklich grinst, saß vorne auf einem einfachen Stuhl. Rechts neben ihm ein Paar, das gemeinsam zur Eröffnung Musik machte. Das Publikum bestand zu 75% aus Frauen, von denen wiederum der größte Teil über 45 Jahre alt war. Scheinbar ist das die Art Publikum, mit der Engel am besten reden können ...

Vor dem Beginn der Veranstaltung konnte ich verstohlen einige Blicke in das ausgeteilte Informationsmaterial werfen. Der Erzengel Michael (nennen wir ihn doch im Folgenden der Einfachheit halber EM) ist den Menschen erschienen, um ihnen die „Kamasha Essenzen – Engelstropfen aus der Quelle des Seins“ anzudrehen. „Eine Reise zu Dir selbst, zu Deiner Essenz, ist die größte Reise auf dem Planeten Erde.“ (EM). Mir erscheint es eher so, als hätte er bei einen flüchtigen Blick in ein Buch über Jesus das Wort „Essener“ mit dem Wort „Essenzen“ verwechselt.

Insgesamt gibt es 108 Essenzen zu ebenso vielen Themen (von „Herzensliebe“ über „der kosmische Orgasmus“, „Zeitüberbrückung“, „Immunsystem“, „Aids“ bis hin zu „Komm zu Dir“). Dazu kommt jährlich eine neue „Essenz des Jahres“ mit der aktuellen Jahresbotschaft. Überraschenderweise war die Jahresbotschaft 2003 nicht „Mach mich reich und kaufe meine Fläschchen!“ sondern „Indigo-Child“. Natürlich macht EM auch „persönliche Kamasha-Essenzen“, die – wie alle anderen auch – „Michaels kosmische Energie“ enthalten. Wer bis jetzt noch nicht verstanden hat, um was es geht, sei auf das „Handbuch zu den Kamasha-Essenzen“ („gechannelt von Natara Jörg Loskant“) verwiesen, das natürlich auch verkauft wird. Passend dazu gibt es auch das „Kamasha-Energiekarten-Set“, das ich nur als clevere Verkaufsidee bezeichnen kann. 108 Karten, pro Essenz eine – und man kann die natürlich mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch legen, dann mischen und sich die passende Essenz für das momentane Problem herausziehen. Hey, es gab Kunden, die das später am euphemistisch „Infotisch“ genannten Verkaufsstand gemacht haben – und dann gleich kauften!

Kommen wir nun zum Programm. Erst begann alles mit Musik. Ein Pärchen spielte auf der Trompete (er) bzw. bediente ein Gerät, dass ein wenig wie eine Mischung aus einem Akkordeon und einer Zigarrendose aussah (sie). Dann begann sie zu singen. Für mich klang das ein wenig wie Zungenreden, doch später wies man mich darauf hin, dass dies Mantren waren („Om tare tutare ture swoha“ und „Om mani padme hum“; den Bhagwan-Text interpretierte ich fälschlich als Werbung für „Backwaren“). Ehrlich muss ich zugeben, dass sie eine schöne Stimme hat – und das Ganze wurde noch beeindruckender, als er dann mitsang. Seine Stimme ist volltönend, angenehm zu hören. Doch leider hatte ich immer den Eindruck, dass es zwischen mir und dem Verständnis des Textes eine unsichtbare Hörschwelle gibt. Dies lag wohl daran, dass ich die Sprache nicht verstehe, in der gesungen worden ist. Also doch kein Zungenreden.

Dann begann „Natara“ mit der üppigen Begrüßungsformel „Ja, willkommen!“ den Abend. Vor 3 ½ Jahren sei EM in sein Leben getreten und habe ihm eine aufregende Zukunft prophezeit. Unter anderem bekam er auch die Essenzen „gechannelt“ – wobei ich etwas Schwierigkeiten damit habe, mir die Erzengel als Essenzenmischer vorzustellen. Aber im Himmel ist alles anders, und warum soll ich Sterblicher so etwas verstehen.

Er las dann aus seinem Buch „Gespräche mit Erzengel Michael“ vor. Mehr oder weniger wahllos (oder, wie andere sagen würden, geheimnisvoll inspiriert) griff er ein Kapitel heraus und erzählte uns etwas über die sieben unterschiedlichen Einweihungen im Leben eines Menschen. Eines vorweg: Er ist ein lausiger Leser. Seine Lesungen sind zu schnell, er betont den Text nicht angenehm. Wenn ich EM wäre, so würde ich mein Medium als erstes in einen Rhetorikkurs oder zu einer Sprachbildung schicken. Aber ich bin nicht der EM und ich channele auch keine Essenzen.

Die insgesamt sieben Einweihungen finden alle sieben Jahre statt, mit 49 hat man also den Kreis vollendet. Die erste Einweihung ist die Geburt im Alter von Null. Dann folgt die Einweihung in den Themenkreis „Freiheit/Lernen“ im Alter von sieben. Praktischerweise – so führte er aus – liegt das mit der Einschulung zeitgleich, so dass man in der Auseinandersetzung mit der Schule gleich „Freiheit/Lernen“ erfahren kann. Wie ist das in Kulturen, die früher oder garnicht einschulen? Hier wie auch an anderen Stellen erwies sich der gechannelte EM als eurozenthrisch, unserer Kultur angepasst. Und der Sozialarbeiter-Glückskeks Natara blieb trotz buntem Indienhemd das, was er vorher auch war: Mitteleuropäer.

Mit 14 kommt dann das Thema „Frieden“, mit 21 „Freude“, mit 28 „Geschehen lassen“, mit 35 „Klarheit“, mit 42 (immerhin laut Adams die Antwort auf alles!) „inneres & äußeres Verstehen“; mit 49 beginnt der Kreislauf von vorne und man kann Dinge erneut oder erstmalig lernen, die man beim ersten Durchgang nicht oder unzureichend gelernt hat.

Was geschieht denn mit Menschen, die durch Hunger und Krieg überhaupt nicht 49 Jahre alt werden? Auch hier schweigt EM. Meine Großmutter ist jetzt 98 und beginnt damit zum dritten Mal den Zyklus – was hat die bloß missverstanden? Oder will sie ewig leben und nie verstehen? Ich hätte sie vielleicht mitnehmen sollen – aber ich glaube, sie hätte nicht mehr als Spott und Verachtung für EM übrig gehabt.

Was dann aus Nataras Mund kam, kann nur als Kulturen-Mix bezeichnet werden. In wenigen Minuten erfuhr ich über Einweihungen, dass sie sowohl von Meistern aller Art, durch Krafttiere im Schamanismus, durch Plätze etc. erfolgen können. Die Essenzen lösen Zellinformationen der Erinnerung aus – es macht nichts, wenn man das jetzt nicht versteht, ich habe es auch nicht verstanden. Aber immerhin habe ich verstanden, dass es Meister in zwölf Erleuchtungsstufen gibt. Wenn einem der eigene Meister nicht helfen konnte, dann liegt das vielleicht nur daran, dass er noch nicht weit genug aufgestiegen ist ... Das klang mir doch nach einem esoterischen „Eine Krähe hackt einer anderen kein Auge aus!“ oder „Dein Meister ist okay – mein Meister ist okay“.

Nach diesen weisen Worten kam dann die Verkaufspause, eingeleitet von einer Art „Om Kanada“ des singenden Pärchens.

Hier konnte man jetzt in aller Ruhe sein schwer verdientes Geld ausgeben. Neben den genannten Dingen kann man sich hier auch für eine Ausbildung zum „Kamasha-Essenzen-Berater“ anmelden, in ein „Schweige-Retreat“ mit EM zurückziehen und meinen Liebling kaufen, den „Schutzsymbol Aufkleber“ für das Handy: „Er löst die schädliche und schwächende Strahlung auf.“ Wie schön! Platz 2 ist eindeutig das „Kamasha-Energiesymbol“ namens „Ashala“ für die „Nahrungsmittelenergetisierung“: „Dieses Symbol löscht alle Informationen des Strichcodes und der Infrarotscanner. Ashala löscht die Informationen von genmanipulierten Stoffen und öffnet Dich, lichtvolle Kost zu Dir zu nehmen.“ Aha.

Nach der Pause channelte Natara dann endlich EM. Vorher sollten wir alle die Uhren ablegen und die Handys ausstellen (wahrscheinlich kann EM weder Uhren vor seiner Energie schützen noch Handys fernausschalten). Dann wies er uns darauf hin, dass wir nicht erschrecken sollen, wenn er beim Channeling zittert, denn „Erzengel Michael weitet meine Chakren“. Hier musste ich doch arg an mich halten, um nicht lachend zusammenzubrechen.

Er channelte dann EM und schaute jedem lange in die Augen. Okay, mir nicht – ich wollte mir das geben, ohne von seinen Augen abgelenkt zu werden. Die Spannung, die Erwartung in der Menge habe ich schon gespürt – das war es dann aber auch. Sorry, kein Erzengel-Gefühl, kein Lichtkörper hinter Natara, kein höheres Energieniveau im Raum.

In einfachen klaren Sätzen kam dann ein Vortrag über Licht-Liebe-Frieden von EM. Leider hat Natara keine schauspielerische Begabung, und so war das für mich eher quälend langweilig als erweckend. Mal ehrlich: Däniken ist ein besserer Redner und hat einen höheren Unterhaltungswert!

Als das Channeling vorbei war, kam wieder Musik. Natara bat uns noch, Stille und Schönheit mitzunehmen auf unseren Weg. Dann verabschiedete er sich mit „Namaste!“ von uns. Während die anderen ihre Schuhe suchten, konnten wir den Raum schon verlassen.

Was blieb war das Gefühl, einem Esoterik-Mix ausgesetzt gewesen zu sein. So gibt es z.B. Essenzen zu so unterschiedlichen Themen wie Sai Baba, Saint Germain, den Plejaden, Lemuria, Feen, Delphinen, Inneres Kind, Reiki, Amalgan und Indigo-Kinder. Die Musik basiert auf fernöstlichen Mantren (vielleicht ist das doch die Rache der Geister Indiens für fünf Jahrhunderte Kolonialismus?). Wunderschön ist der Verweis auf die Ökologie im auch verteilten „Newsletter Frühjahr 2003“: „[Das Buch] macht dem Menschen klar, in welcher Gefahr die Erde schwebt durch den Raubbau an der Natur, (...) durch das brutale Abschlachten der Tiere, die doch alle ein unabdingbarer Teil des ökonomischen Ganzen sind.“ Ökonomie, nicht Ökologie. War mir dann doch klar. Hier geht es um Geld, nicht um Glauben.

Stille und Schönheit dir!

Dein Homo Magi

 

Waya rascha la – die Delphine grüßen Dich!

Hallo Salamander,

die weite Welt der esoterischen Angebote ist bunt und vielfältig. Ab und an gibt es Dinge, die ich peinlich finde, ab und an gibt es Dinge, die ich erschreckend finde und ab und an gibt es Dinge, bei denen ich lachend auf dem Boden liege. Eine solche Geschichte will ich hier zum Besten geben (wobei ich darauf hinweise, dass ich nichts davon erfunden habe!).

Im Jahre 2002 gelang es einer Gruppe von Menschen, „Svahara, eine Meisterin aus dem Seelenland der Wale und Delphine“ zu channeln. Wahrscheinlich ging Swotlowo, Herr der Tunfische und Krabben gerade nicht ans mentale Telefon, von daher musste Svahara die Anfragen der Menschen beantworten.

Svaharas Mitteilung ist einfach zu verstehen: „Das alte Wissen der Inkas kommt wieder neu auf die Erde. Das Inka-Rad der Fülle hat 144 000 kleine Brunnen.“ Aha. Mir war schon immer klar, dass Inkas nur über Wale und Delphine mit uns kommunizieren – immerhin ist das Land der Inkas weniger für seine Gebirge bekannt als für seine riesigen Ozeane und Delphinarien.

Dieser Plan, „Lashora“ genannt, soll das für die Erde vorgesehene Paradies endlich hier verankern. Lashora soll auf der ganzen Erde Fülle erzeugen! „Wenn Du ein neues Kleid kaufen möchtest und es kostet Fr. 110.00 so wirst Du, da Du Lashora begriffen hast, Fr. 120.00 geben und so für Dich und für die Menschen, die das Kleid verkaufen Fülle erzeugen. Du wirst nachher nicht Fr. 10.00 weniger haben! Im Gegenteil, die Fr. 120.00, die Du gegeben hast, kommen in Lichtgeschwindigkeit zu Dir zurück.“ Aha. Wenn ich also 20 Euro habe und mich in ein Café damit setze, in dem jeder Kaffee 3 Euro kostet, dann soll ich am besten 4 Euro pro Kaffee geben. So komme ich zu 5 Kaffee, während ich sonst 6 Stück kaufen könnte – aber mit Hilfe der Meisterin der Wale und Delphine kommt das Geld zu mir zurück! Wahrscheinlich auch der fehlenden Kaffee, wenn ich das richtig anpacke. Bis jetzt wusste ich nicht, dass Delphine und Wale Fachleute für Marktwirtschaft sind – aber wahrscheinlich ist mir nur nicht aufgefallen, dass die immer mit Scheckkarten zwischen den Kiefern durch die Meere schwimmen.

Das Inka-Rad der Fülle (144.000 kleine Brunnen, siehe oben) lässt sich einfach realisieren, wenn einfach nur Menschen 144.000 Franken bzw. Euro spenden (wobei die Stückelung egal ist – so können 120 Menschen 1.200 spenden oder auch nur 2880 Menschen je 50 Euro!). Hier – wie auch an anderer Stelle – wird klar, dass es um Zahlenarithmetik, nicht um echte Anliegen geht. Einen Brunnen kann man nämlich mit 144'000.00 einer Landeswährung (!) aufbauen. In solchen Momenten vermisst man dann die italienische Lira ...

„Svahara segnet dieses Projekt mit der Freude der Wale und Delphine.“ Mein Gott, haben wir ein Glück, wenn wir dann im Wasser planschen und singen dürfen. Juhu!

„Lashora“ wird zentral von der Namaste-Stiftung (Stiftungspräsidentin Svanara Devi Gabriele Caduff residiert in Stein am Rhein in der Schweiz) gesteuert. In den nächsten drei Jahren (bis 2006) will diese Stiftung zwölf „über die ganze Erde“ verteilte Zentren bauen. Diese Zentren, „Heilzentrum“ genannt, sitzen auf den Chakrenpunkten der Erde. Lustige Informationen erhält man, wenn man die geplanten zwölf Zentren nach Kontinenten sortiert:

Afrika                          0

Antarktis                      0

Asien                           4          (Bali, Indien, Nepal, Thailand)

Australien                    1          (Neuseeland)

Europa                        2          (Kanarische Inseln, Schweiz)

Nordamerika               3          (Bahamas, Hawai, New Mexico)

Südamerika                 2          (Brasilien, Peru)

Aha. Die Erde scheint ein sehr eigenartiges System von Chakrenpunkten zu haben, wenn bestimmte Kontinente nicht abgedeckt werden – aber mal ehrlich, warum sollten Delphine und Wale auch die Antarktis oder Afrika heilen bzw. retten wollen?

„In den geplanten zwölf Heilzentren sollen die Menschen sich völlig neu kennenlernen und ihr Herz wieder spüren können.“ „Alle Störungen auf der Zellebene oder auf der energetischen Ebene eines Chakras können besonders gut auf dem entsprechenden Erdchakra behandelt und geheilt werden.“ So hat jedes Heilzentrum auch seine eigenen Themen (nein, die werde ich hier nicht aufzählen!). Enthalten sollen die Heilzentren jeweils u.a. einen Heilgarten, ein Seminarzentrum und eine Halle für Großanlässe.

„Wenn dieses Projekt Dein Herz berührt“, so kann man gerne spenden (dieser Hinweis dürfte jetzt wirklich niemanden mehr überraschen!). Die Stiftung nimmt Geld, Material, Arbeitszeit, Land/Liegenschaften in einem der zwölf Länder (wobei einige von den zwölf genannten Ländern formal keine Länder, sondern Bundesstaaten sind) und natürlich auch gerne eine „Spende von Gedanken, die das Projekt unterstützen“.

Meine Gedanken gehen da leider in eine andere Richtung ... Nächste Woche werde ich dir hoffentlich berichten können, was Oppozoppotropp, der Meister aus dem Land der Hasen und Igel zu diesem Plan sagen kann. Und zwischendurch will ich noch Meister Ed, das sprechende Pferd, und den Osterhasen channeln. Sicherlich finden wir gemeinsam einen Plan, der mich bereichern und die Welt verbessern wird. Sicherlich!

Dein Homo Magi

 

Gesichter

Hallo Salamander,

vielleicht geht es dir wie mir – ich schaue immer wieder gerne den Menschen ins Gesicht. Das menschliche Gesicht kann eine große Bandbreite an Gefühlen wiedergeben. Es ist trotz der geringen Zahl seiner Elemente (Augen, Nase, Mund und ein wenig Beiwerk) in der Lage, immer wieder anders auszusehen. Es gibt Gesichter, die ich einfach nur schön finde und es gibt Gesichter, die ich einfach nur abstoßend finde. Es gibt erotische Gesichter und langweilige Gesichter, traurige und fröhliche usw.

Manchmal fallen mir Gesichter deswegen auf, weil ich sie immer wieder sehe. Da gibt es den Mann mit dem Fischgesicht und dem weißen, immer penibel gebügelten Hemd, den ich nur in der Straßenbahn zu treffen scheine. Oder die alte Frau, die immer ein wenig verwirrt schaut und einen braunen Wagen hinter sich herzieht, in dem ihre Einkäufe zu lagern scheinen. Der Mann mit den schiefen Knien und dem schlurfenden Gang, der mit seinem Fahrrad immer wieder durch die Stadt fährt und aus den Mülleimern Drähte und Flaschendeckel heraussucht. Diese verstaut er dann fein säuberlich in Plastiktüten, die er hinten auf seinem Fahrrad im Korb oder am Lenker unterbringt.

Da gibt es die Frau, die ich scheinbar seit meiner Grundschulzeit kenne. Sie taucht auf keinem meiner Klassen- oder Schulfotos auf und meine Mutter, die sich sonst an jede meiner Mitschülerinnen erinnern kann, kann mit der Beschreibung auch nichts anfangen. Woher ich sie kenne? Ich weiß es nicht. Aber sie grüßt mich immer freundlich und ich nicke ihr immer nett zu. Gestern traf ich sie an der Tankstelle, sie stand zwei Leute vor mir in der Kasse. Wieder hat sie mich gegrüßt, als sie ihre Einkäufe (zwei Packungen Zigaretten und eine Tüte Schokodrops) hinausschleppte. Ist sie vielleicht die Schwester einer Mitschülerin? Die Freundin einer Freundin? Ich weiß es nicht, aber seit einigen Jahrzehnten betreiben wir dieses Grüßespiel.

Natürlich gibt es auch Menschen, die ich nur auf den ersten Blick nicht erkenne. Ein Mitschüler aus der Grundschule erkannte mich kürzlich auf einem Waldfest und setzte sich zu mir. Ich brauchte zwei oder drei Sätze, dann haben wir uns fast eine Stunde lang lustig unterhalten.

Nächstes Jahr jährt sich auch mein Abitur zum zwanzigsten Mal. Sicherlich wird es dann ein großes Wiedersehen geben. Zum zehnjährigen Jubiläum haben wir von den 150 Abiturienten meines Jahrgangs über 100 aufgetrieben. Das war lustig – aber schon damals hatte ich Schwierigkeiten, alle wiederzuerkennen. Zehn Jahre können eine verdammt lange Zeit sein, die ihre Spuren in Gesichter (und Bäuche) einzugraben scheint.

Aber es ist nicht nur mein Interesse an Gesichtern, es ist auch mein gutes Gedächtnis für sie, das mir diese Beschäftigung erleichtert. Ich weiß ziemlich genau, ob ich jemanden schon einmal gesehen habe oder nicht. Von daher ist es für mich vielleicht einfacher als für andere Leute, nicht wegzusehen, wenn jemand zurückschaut, sondern kurz darüber nachzudenken, ob wir uns kennen.

Manchmal, ganz manchmal, hat dieses Erinnerungsvermögen auch einen praktischen Grund. Der Junge, mit dem ich früher immer „Perry Rhodan“-Hefte getauscht habe, arbeitet heute in einer Verwaltung meiner Heimatstadt. Nein, ich werde ihn nicht enttarnen – und sei es nur, weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass er das „Perry Rhodan“-Quartett noch hat und mir eines Tages zurückverkauft ...

Man sammelt Gesichter wie Erinnerungen in einem großen mentalen Album, das man ab und an unwillkürlich aufblättert, wenn einen ein Gegenüber an irgendetwas erinnert. Oftmals (wenn auch nicht immer) ist es eine angenehme Erinnerung.

Und manchmal, ganz manchmal, laufe ich dann durch die Stadt und denke an die Gesichter, die nicht mehr da sind. Menschen, die ich gerne mochte, die inzwischen verstorben sind. Vertraute Gesichter, die ich jahrelang gesehen habe, die aber auf einmal verschwunden sind. Manchmal erfahre ich dann von Tod oder einer Lebensveränderung hin an einen anderen Wohnort, manchmal bleibe ich auch ohne Kunde. Nun gut, man kann nicht alles haben.

Umso älter ich werde, umso mehr werden da Gesichter in meiner Erinnerung sein, die zu Menschen gehören, die nicht mehr leben. Darum merke ich mir immer neue Gesichter, damit ich nicht auf einmal allein bin mit meinem Gesicht im Spiegel, das mir als einziges vertraut vorkommt.

Immerhin ist das eine letzte Rückzugsmöglichkeit meiner Erinnerung, die Blinde und Vampire nicht haben. Ein Grund mehr, kein Vampir sein zu wollen.

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Trennende Gemeinsamkeiten

Hallo Salamander,

es ist schon immer wieder erstaunlich, was in der Welt passiert. In den letzten Tagen ist ein ökumenischer Kirchentag zu Ende gegangen. Man kann sich eigentlich schon überlegen, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den christlichen Kirchen groß genug sein dürfte, um eine gemeinsame Feier möglich zu machen.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich die Reibereien wohl nicht an Dingen wie der Organisation der katholischen Kirche (die Autorität des Papstes innerhalb der katholischen Kirche ist ein Problem, dass die Protestanten nicht zu schlucken bereit sind), sondern an Glaubensfragen festgemacht haben. Das gemeinsame Abendmahl, die gemeinsame Ausübung von Grundlagen des Glaubens wurde zum Problem.

Spätestens seit der Reformation ist bekannt, dass die Frage nach der Gestalt der christlichen Dreifaltigkeit neben der Anwendung und Auslegung des Abendmahls zu den Dingen gehört, über die sich sogar Kriege führen lassen. Man hat sogar Kriege darüber geführt.

Ich weiß nicht, ob Christus oder einer der Apostel so glücklich wäre, wenn er erfahren würde, dass die unterschiedliche Art, das Abendmahl zu feiern, heute noch dazu führt, dass unliebsame Priester aus der Kirche entfernt werden. Hier ist es die Handlung, die den Sinn dahinter zerstört und wichtiger wird als dieser. Es scheint egal zu sein, um was es eigentlich geht (Eucharistie als Gemeinschaft, als gemeinsames Erleben, als Nähe zu Gott) – wichtiger ist es offensichtlich, was man dazu sagt und welche Tanzschritte man dabei macht.

Es gibt beide Bewegungen – die trennende wie die sich annähernde. Während die Christen untereinander immer noch religiöse Schlachtfelder benutzen, um sich zu streiten, sind Islam, Judentum und Christentum immerhin soweit, dass sie sich ihrer gemeinsamen Wurzeln in Abraham erinnern. Spätestens Lessings Ringparabel hat uns schon darauf hingewiesen, dass das Trennende zwischen diesen drei großen Weltreligionen nur sichtbar wird, wenn man vorher – konditioniert durch Erziehung und Kultur – das Gemeinsame ausblendet.

Die Vertreter der Weltreligionen bemerken gerade in Deutschland, dass die etablierten Religionen nicht mehr in der Lage sind, die drängenden Fragen der Menschen „da draußen“ zu beantworten. Und da übt man den Schulterschluss mit denen, die unter ähnlichen Problemen leiden, und präsentiert den „neuen Heilsbringern“ – ob diese jetzt den Aufdruck „Esoterik“ oder den Stempel „Heidentum“ tragen – eine einheitliche Front.

Oder um es etwas anders zu formulieren: Jene Organisationen, die durch ihre Nähe zum Staat und staatlichen Situationen saturiert sind, beginnen sich Gedanken darüber zu machen, wie sie in Zeiten schwindender Mitglieder- und Glaubenderzahlen weiterhin ihre Macht und ihren Einfluss behalten können. Natürlich geht es auch um Amts- und Würdenträger, die ungern bereit sind, ihre einträglichen Pfründe zu opfern.

Aber ist das deutsche Heidentum in der Lage, jener Herausforderung zu begegnen? Nein, ist es nicht. Denn das Heidentum bekämpft sich weiterhin untereinander. Wo die großen den Schulterschluss und die Suche nach dem Gemeinsamen propagieren, ist das Heidentum an der Definition von immer neuen Scheidelinien interessiert.

Schade eigentlich. Aber immerhin sind wir so nie eine Gefahr für den Staat und daher für bestimmte Verfolgungen uninteressant. Hat auch seine Vorteile – wenn man mit jenem lauwarmen Heidentum zufrieden ist, dass die meisten „da draußen“ pflegen.

Schade eigentlich.

Dein Homo Magi

 

Der Tod ist ein grimmer Schnitter

Hallo Salamander,

gestern saß ich auf der Arbeit, als wir auf einmal durch die wegen der Hitze geöffneten Fenster ein lautes „Nein! Nein! Nein!“ hereindrang. Ich habe selten Menschen so schreien hören. Danach ertönte ein Bremsgeräusch und zwei laute Schläge.

Wir – das heißt: meine Kollegin und ich – sind sofort auf die Straße gerannt. Zwanzig Meter von meinem Bürofenster entfernt lag ein Mann auf der Straße. Etwas weiter stand ein Auto mit gesprungener Windschutzscheibe. Überall hasteten Menschen herum, schrien, gestikulierten.

Meine Kollegin rannte zurück, Krankenwagen und Polizei informieren. Aus dem gegenüberliegenden Zahnlabor rannte eine Schwester nach draußen, wenig später folgte ihr der Arzt, dann wieder eine andere Schwester mit Geräten unter dem Arm.

Der Mann auf der Straße bewegte sich nicht. Auf seinem Schädel zeichneten sich Blutspuren ab. Am Straßenrand saß eine Frau und heulte hysterisch. Wahrscheinlich war sie es, die geschrien hatte. Später, zum Teil erst durch den Artikel heute in der Zeitung, erfuhren wir mehr davon. Der Mann war über 90 Jahre alt gewesen und hatte 20 Meter vor einer Fußgängerampel die Straße überquert. Der Wagen, der ihn erwischt hat, konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und erwischte ihn voll. Dann scheint der Fahrer noch eine Ausweichbewegung gemacht zu haben, wobei er einen Mopedfahrer umwarf, dem aber außer Aufschürfungen an den Knien nichts passiert ist.

Polizei und Krankenwagen kamen wenig später. Der Verkehr wurde durch einige Passanten umgeleitet etc. Der Mann starb gestern mittag im Krankenhaus an seinen inneren Verletzungen.

Im letzten halben Jahr hat „mein“ Fantasyverein vier Mitglieder verloren. Das erste Mitglied starb während der Weihnachtsfeiertage an einem Zuckerschock. Einer starb durch einen Unfall, einer durch Krebs, einer ist einfach „hinübergeglitten“, ohne viel Aufhebens um das Sterben zu machen. In den zwanzig Jahren davor ist aus dieser Gruppe ein einziger Mensch gestorben, und der hat sich erhängt.

Komisch. Man erwartet, dass Menschen sterben, wenn sie alt und siech sind. Manchmal hört man auch von unheilbaren Krankheiten, die dann in ihrem Fortlaufen fast zu beobachten sind. Der Erkrankte schwindet dahin, schafft es vielleicht noch, seine Angelegenheiten zu ordnen, bevor er stirbt.

Dann gibt es da noch die Unfalltode – während der letzten zwei Schuljahre vor meinem Abitur gab es in allen Schulen meiner Heimatstädte Fälle von Depression und Selbstmord. Mal war es Liebeskummer, mal Angst vor einem Versagen in der Schule. Einer meiner Mitschüler hat sich erhängt – andere warfen sich vor Züge oder schluckten Tabletten. Der Tod war uns damals allen bewusst, aber er betraf nur wenige, war selektiv in seinen Schnitten.

Jetzt bin ich in einem Alter, in dem das Sterben zum Thema wird. Die Generation unserer Eltern dünnt aus. Man hört immer wieder im Bekanntenkreis von schweren Erkrankungen, Herzattacken etc. Manche stellen ihr Leben um, hören mit dem Rauchen auf und ernähren sich nur noch makrobiotisch. Andere sehen keinen Anlass für Veränderungen, harren der Dinge, die passieren werden.

Am letzten Wochenende haben wir nachts draußen gesessen, mitten im Odenwald, und uns über den Tod unterhalten. Nicht über das Sterben, sondern über den Tod. Wo gehen wir hin, wenn wir gestorben sind? Kommen wir wieder? Ist dieses Leben das einzige, oder werden wir wiedergeboren?

Ich kann wenig über das sagen, was nach dem Tode kommt. Die Magie, mit der ich mich beschäftige, hält sich vom Gespräch mit den Verstorbenen fern. Es ist einfach unhöflich, sie zu stören, wenn man sie doch brav im Jahreskreis zu Samhain verabschiedet ... Aber ich merke, dass ich einen Bedarf habe, über den Tod zu sprechen. Noch bin ich zu jung, um mir ernsthaft Gedanken über meinen eigenen Tod zu machen. Aber ich kann über das Gefühl sprechen, dass der Tod anderer Menschen in mir hinterlässt. Dieses Gefühl des Alleinseins, dieses Gefühl des Verlassenseins. „Wir“ – und damit meine ich hier die Gruppe von Menschen, die mich in meiner Jugend umgeben hat – werden immer weniger. Irgendwann gehe ich. Mit etwas Glück bin ich nicht der letzte, der dann für eine bestimmte Generation „das Licht ausmacht“.

Aber vorher kann ich darüber sprechen, muss darüber sprechen, was der Tod für mich bedeutet. Wir werden geboren, um zu sterben. Umso älter ich werde, umso klarer wird mir das.

Ich hoffe, du verstehst das und redest mit mir über den Tod. Der Tod kostet das Leben – wir bezahlen einen Preis, aber er nimmt auch seine Geschmacksprobe von unserem Leben.

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Lichtkörper und Gitternetze

Werter Salamander,

manchmal verehrt einem die Post Dinge, die kaum zu übertreffen sind. Meine Adresse steht im Verteiler verschiedenster esoterischer Anbieter, und daher bekomme ich immer mal wieder Post, die mich glücklich macht. Letzte Woche war das eine Einladung zu „Merkaba-Seminaren“ nach der „Blume des Lebens Drunvalo Melchizedek“.

Ziel ist das Erlernen der Meditation zur Aktivierung der Merkaba, des Lichtkörpers. Ich habe damit keine Schwierigkeiten – ein einziger Schalter muss umgelegt werden, und schon erstrahlt ein Lichtkörper an der Decke meines Arbeitszimmers. Ein Fußschalter bedient den Lichtkörper neben meinem Schreibtisch und auch im Bad ist ein Lichtkörper (dessen Bedienung ist aber außen angebracht ...). Aber ich glaube, das ist hier nicht gemeint.

Gareth – so heißt der Anbieter dieser Kurse – ist ein Fachmann für Heilige Geometrie (er ist Autor eines Artikels über die „Heilige Geometrie des Wassers“!), die Schlüssel des Enoch, Kornkreise, das Medizinrad, „die kosmischen Zusammenhänge durch die hermetischen Prinzipien, die auf Thot zurückgehen“, Meditation, Metaphysik, Flower of Life, Kabbalah, Numerologie, ägyptische Alchemie, schamanische Reisen etc. Also jemand, der weiß, wovon er spricht. Hey, ich habe das nicht erfunden – das alles ist Teil von dem Seminar Teil I bzw. Teil II (Teil II ist dann „Merkaba II intensiv“. Cool!) oder seiner Selbstvorstellung.

Aber ich lese weiter: „Durch die stärkere Verbindung unserer Gehirnhälften entwickeln wir ein Einheitsbewusstsein.“ Wer ist dieses obskure „wir“? Werden alle Teilnehmer des Seminars zu einem Einheitsbewusstsein – darauf kann ich dankbar verzichten. Oder entwickele ich mich durch diese revolutionäre Technik zu einem Einheitsbewusstsein? Ich ging eigentlich davon aus, dass mein Bewusstsein in sich eine Einheit bildet. Aber scheinbar kann ich noch viel lernen.

Man trifft sich beim Lernen (Seminar von Dienstag bis Sonntag) und nach einem harten Arbeitstag steht abends die Entspannung an: „Nach dem Abendessen beginnt das freiwillige und von mir sehr empfohlene Abendprogramm, bei dem wir ausgewählte Filme sehen oder z.B. Tom Kenyons Ghandharva-Ritual machen.“ Das klingt traumhaft, oder? Ich kann mir genau vorstellen, wie die Einleitung zum Abendprogramm geht: „Okay, lasst uns abstimmen. Wir haben die Wahl zwischen dem Film ‚Blues Brothers“ oder Tom Kenyons Ghandharva-Ritual. Wer ist für ‚Blues Brothers’?“ Sehr spirituell.

Und in Teil II kann man dann wundervolle Erfahrungen machen, wenn man sich der „Heilungsarbeit aus dem Earth-Sky-Workshop von Drunvalo“ stellt. „Die Wirkung dieser Heilung befreit uns von Wesen, die wir seit langem ungewollt mit uns führen, so dass wir uns freier entfalten können.“ Meine Sachbearbeiterin bei der Bank nimmt dann also endlich ihr verdientes Ende!

Bis jetzt war ich eigentlich noch der Meinung, der gute Gareth sei ein einfacher Hochstapler oder Scharlatan, der sich aus verschiedenen Richtungen seine Informationen zusammengeklaut hat. Aber jetzt kam der Punkt, der mich für ihn eingenommen hat: „Wir lernen im Seminar durch eine erweiterte Pranaröhre zu atmen. Diese Pranaröhre mündet in unser persönliches Christusgitternetz. Wir lernen, wie es aufgebaut ist und wie wir es aktivieren. Dabei gehen wir auf die Wichtigkeit des Dodekaeders und des goldenen Schnitts ein.“

Hey, das sind mindestens drei unterschiedliche Weltlehren, die da vermischt werden. Da ich früher Würfel in verschiedenen Größen verkauft habe (Spielwürfel mit unterschiedlichen Seitenzahlen, z.B. 6-Seiter oder 20-Seiter) kann ich natürlich locker erklären, was ein Dodekaeder ist. Und ich bin auch sofort bereit, deren Wichtigkeit zu untermauern (so gibt es z.B. beim Rollenspiel „Call of Cthulhu“ Schusswaffen, deren Schaden im Spiel sich nur mit Dodekaedern auswürfeln lässt!). Und statt der Pranaröhre könnte ich durch den Pappkern einer Küchenrolle atmen lassen (so was gibt es meines Wissens nach noch nicht als Angebot) und nachher aktivieren wir dann alle gemeinsam unser Fliegengitter. Ich werde reich, lieber Lurch!

Richtig abgefahren wird es aber in dem Seminar „Heilige Geometrie“, das nicht mehr Gareth alleine anbietet, sondern gemeinsam mit Kurt. Ich weiß nicht, wer Kurt ist, aber scheinbar befähigt er in der Zusammenarbeit Gareth dazu, seine Fähigkeiten noch weiter auszudehnen. Ich muss noch einmal zitieren: „Komm mit auf eine Reise zu den Grundmustern der Schöpfung! Themen in diesem Praxis-Seminar sind die Mosaike als regelmäßige Teilung des Kreises, die Platonischen Körper als regelmäßige Teilung der Kugel, der Goldene Schnitt und die Gestaltung der Welt, und das Wissen der alten Ägypter und Templer.“ Regelmäßig – soll das heißen, dass ich mit einem Mosaik monatlich regelmäßig eine Kugel teilen kann? Ich bin begeistert und mir fehlen die Worte. „Indem wir uns vor allem praktisch mit der Hlg. [Ein klarer cleverer Fall von gesparten Buchstaben! HM] Geometrie beschäftigen, strukturiert sich unser Gehirn neu, wir werden kreativer und verstehen höhere Zusammenhänge.“ Ich nehme an, das „unser Gehirn“ bedeuten soll, dass sich Kurt und Gareth ein Gehirn teilen. Anders ist mir der Satz nicht erklärlich.

Dann habe ich die Preisliste gesehen. Ehrlich, Gareth – dein Infoblatt war lustig und ich habe viel gelacht. Aber mit dem, was du für deine Kurse kassierst, kann ich mir diverse Abende im Kabarett finanzieren. Leider verpasse ich dann Tom Kenyons Ghandharva-Ritual und auch mein Christusgitternetz wird nicht aktiviert – aber ich vermute, dass ich mein Leben mit diesen Defiziten weiterführen muss.

Pruha!!!!!

Dein Homo Magi

 

Loki’s Grillstube

Hallo Salamander,

ich habe immer wieder viel Spaß mit dem „’s“ in Ladennamen und Titeln. Dies hier ist zwar nicht „Homo Magi’s Kolumne“, aber dank Wiedervereinigung und Sprachverwirrung nach der Reform dringt das böse „’s“ immer weiter vor. Der „Trucker’s Inn“ macht mir wenig Angst, „Moni’s Kiosk“ erfreut mich immer wieder und auch „Petra’s Grillstube“ macht mir immer wieder Freude.

Vorgestern war ich mal wieder im großen Markt auf der grünen Wiese vor der Stadt. Die haben ein großes Angebot, sind leicht zu erreichen, haben Parkplätze und sind auch sonst sehr gut sortiert. Also gehe ich da gerne einkaufen. Wegen der großen Hitze war zwar die Schlange am Getränkemarkt lang – na gut, damit muss man bei dem Wetter leben. Viel Spaß gemacht hat es mir aber, nach dem Einkauf erst einmal eine Currywurst und eine Cola Light zu konsumieren.

Vor „Petra’s Grillstube“ ist immer etwas los. Die Fahrer, die Waren anliefern, essen gerne nachher eine Wurst. Draußen sind Tische samt Sonnenschirmen aufgestellt, und die Plätze sind immer voll. Die selbe Clique scheint sich da jedes Mal herumzutreiben, wenn ich einkaufe – immer ein Neger im Hawaihemd, drei Frauen in weißen Kleidern und ein einäugiger Mann mit einem dicken, hölzernen Gehstock. Und dann hatte ich auf einmal eine irrwitzige Vision – wie würden sich eigentlich die nordischen Götter tarnen, wenn sie auf der Erde wandeln würden? Wäre Odin wirklich ein Mann mit Augenklappe und einem langen grauen Mantel, wie ich mir immer vorstellte (sicherlich durch Andersons „Die Chroniken der Zeitpatrouille“ beeinflusst)? Wohl kaum.

Die Götter würden heute wahrscheinlich immer noch unter den Menschen wandeln, wenn es die denn gäbe. Aber wer sagte mir, dass dieser alte einäugige Mann nicht Odin war? Ein müder, ein gebeutelter Odin – geschwächt durch die geringe Größe seiner Gefolgschaft, irritiert durch die moderne Welt, in der so viele Punkte verschwunden waren, an denen er sich und seinen Mythos befestigen konnte?

Die heiligen Haine – vernichtet. Die geweihten Bäume – gefällt. Die alten Ritualplätze – entweiht, mit Getränkedosen, Klopapier und Plastikmüll verschmutzt. Die Welt war mundan geworden, weltlich. Und Odin würde über sie streichen, immer auf der Suche nach Gläubigen, nach Wissen, nach Informationen, nach Menschen, die nicht aufgegeben hatten, an die wilden Götter zu glauben.

Und so würde Odin an einer Imbissbude stranden. Vielleicht nicht gerade „Frigga’s Wirtshaus“, aber vielleicht doch in „Petra’s Grillstube“. Und Loki wäre sicherlich bei ihm – sein Blutsbruder mit den vielen Ideen, der Herr der Lügen, der in solchen Situationen nicht nur Odins Feind mit Riesenblut wäre, sondern auch sein Blutsbruder und Freund seit Jahrtausenden.

Loki würde die Menschen vielleicht eher verstehen als Odin. Loki würde sich eine Grillwurst kaufen, ein Bier bestellen und sich in einen Plastikstuhl setzen. Neben ihm säße Odin – verwirrt, fern der Heimat und fast alleine. Und beide würden das Treiben der Menschen beobachten. Sie wären erschlagen vom Angebot an Waren, irritiert durch all jene Dinge, die es in ihrer Lebenswirklichkeit früher nicht gegeben hatte. Spirituosen würden sie erkennen, auch Fleischkonserven, Obst und Gemüse (würde Odin eine Banane erkennen?). Aber die ganzen Dinge, mit denen wir uns beladen, um unser Leben zu erleichtern – von billigen Sporthosen über Schokoladenriegel in der „Nörgelzone“ (so nennt man den Bereich vor der Kasse, wo Eltern mit Kindern anstehen, die dann nach Schokoladenriegeln nörgeln, während ihre Eltern Zigaretten aus dem Regal greifen), DVDs und anderen „Unwichtigkeiten“, die wir kaufen (und dringend zu bedürfen scheinen), die aber mit dem „Leben an sich“ nichts zu tun haben.

Beobachten würden sie uns, um zu erkennen, ob in uns noch jenes Feuer brennt, das die Menschen früher antrieb. Jenes Feuer, das uns dazu brachte, bei Blitz und Donner an Götter zu denken. Wer geht heute noch im Gewitter hinaus und ruft die Götter an? Wer stellt Milch vor die Tür, um das kleine Volk zu beschenken? Wer sieht in Bäumen Geister, wer spricht mit Tieren, wer gibt sich der gewaltigen Kraft hin, welche die Magie in uns wecken kann?

Odin mit seiner Wurst und seinem Bier würde mir leid tun – auf den ersten Blick. Dann würde ich vielleicht etwas sehen, das mich verwirrt. Ein Flackern in seinen Augenwinkeln, ein Blitzen aus seinen Pupillen, das ein wenig von jener ungebändigten Kraft verrät, die ihn im ruht.

Zuzwinkern würde ich ihm und er würde mir zuzwinkern. Verschworene wären wir in einer Verschwörung, die Kraft und Macht und Heil zurückbringen will in die Welt. Den Menschen will ich die Augen dafür öffnen, dass es eine „geheime Welt“ gibt, die hinter jener Welt liegt, die wir alle mit den Augen auf den ersten Blick erkennen können. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, den noch kann ich an Frittenbuden träumen und sehe den Abglanz alter Götter in alten Männern. Noch gebe ich den Glauben nicht her, der mir so viel Farbe, so viel Leben vermittelt hat.

Weiter spreche ich mit Bäumen, rede mit den Winden und genieße das Gefühl, wenn warmer Frühlingsregen auf mich herabprasselt, während die Blitze das Firmament erhellen und der Donner tobt. Die Welt, die ich sehe, ist größer als die Welt, die andere sehen. Manchmal wie dort erhasche ich einen winzigen Blick auf Dinge, die viel größer sind als die Menschen und ihr Werk. Alleine dafür würde sich Magie lohnen, alleine dafür!

Dein Homo Magi

 

Galaktische Handtuchspender

Hallo Salamander,

letzte Woche war ich abends essen – in einem sehr netten Restaurant in sehr netter Gesellschaft. Und wie das so ist, irgendwann im Laufe des Abends verschwand ich in Richtung Toilette. Was ich dort tat zu schildern verbietet des Dichters Höflichkeit. Aber ich bin bereit, dir mitzuteilen, dass ich dort ziemlich offensichtlich von einer Sonde aus der Zukunft gerammt worden bin – ich habe nämlich einige Minuten vor dem Handtuchspender verweilt und versucht, mit ihm zu kommunizieren.

Das klingt jetzt etwas bescheuert, wie ich gerne zuzugeben bereit bin. Das war einer von diesen modernen Handtuchspendern, wo man seine nassen Finger vor ein Sensorfeld hält, was dann hoffentlich dazu führt, dass unten Zellstoffpapier zum Abtrocknen der Hände herauskommt. Ich könnte mich jetzt länger über die verschiedenen Möglichkeiten auslassen, sich auf mehr oder weniger öffentlichen Toiletten die Hände zu reinigen. Ich verkneife mir das hier und verschiebe meinen Entlarvungsartikel über die Einnahmen von Toilettenfrauen auf Autobahn-WCs auf ein späteres Datum.

Während das Papier aus dem Spender kam, stellte ich schon durch einen flüchtigen Blick fest, dass darauf Werbung abgedruckt ist. Okay, das nimmt man aus den Augenwinkeln wahr; schon gar, weil das an diesem Ort nicht die geplante Hauptbeschäftigung ist. Ich trocknete also meine Hände ab und warf das Papier in den Mülleimer. Doch halt: Irgendetwas hatte meine Aufmerksamkeit gefesselt und ließ mich einen zweiten Blick auf das Papier werfen.

Ungläubig stand ich ein paar Herzschläge vor dem Gerät. Dann entschloss ich mich dazu, das noch einmal nachzulesen. So einfach, wie sich das anhört, ist das leider nicht. Ich musste den Sensor mehrere Male auslösen, bis die Werbung wieder von vorne anfing und ich „mein“ Blatt in der Hand halten konnte. Da der Sensor an eine Zeitschaltung gekoppelt ist, damit man nicht minutenlang das Papier herauslaufen lassen kann, sondern immer nur eine Ladung für einen Trockenvorgang erhält, dauerte das ganze etwas länger ...

„Ganz der Papa? DNA-Vaterschaftstest. Schnell und sicher. Zuverlässig und diskret.“ Dies stand als Aufreißer (cooles Wortspiel) auf dem Blatt. Daneben zwei Figuren, die wohl einen Vater und sein Kind zeigen sollen. Und (wie man aus dem Kleingedruckten erkennen kann): „Bis 28.02.2003: 3 % Rabatt bei Stichwort Papierhandtuch“.

Früher hätte ich so etwas nicht einmal einem fetzigen Science Fiction-Roman geglaubt. Da war man froh, wenn die guten Autoren es schafften, neben Raumschiffen und Außerirdischen das Visionäre im Erblicken der Auswirkungen der Zukunft auch in das normale Leben zu integrieren. Erst mit „Star Wars“ und seinen Toiletten für Außerirdische und der Richtung des Cyberpunk übernahm die Zukunft in der Literatur auch jene Lebensbereiche, die nicht mit Hochtechnologie und Raumfahrt assoziiert werden. Und jetzt auf einmal holte mich die Zukunft ein. „Gatacca“ auf dem WC, Anspielungen auf DNA-Analysen jetzt schon auf den Handtüchern.

Die Zukunft ist angekommen und sie ist an mir vorbeigefahren, ohne dass ich es gewahr wurde. Raumfahrttechnologie in der Bratpfanne (Stichwort: Teflon), Züchtungen von Bakterienkulturen in der Schwerelosigkeit und jetzt Werbung für Vaterschaftstests auf Papierhandtüchern. Nur eine Frage bewegt mich noch: Welche Anzeige füllt den Leerraum zwischen der Werbung für VIP-Visitenkarten und Würfelspielen auf den Papierrollen in der Damentoilette? Eine innere Stimme, gespeist aus meiner naturwissenschaftlichen Schulerfahrung, macht mir klar, dass Mutterschaftstests nicht halb so interessant sind wie Vaterschaftstests. Wahrscheinlich ist das der wahre Grund, dass Heiden die „Große Mutter“ verehren und nicht den „Großen Vater“. Letzterer hat sich wahrscheinlich zu oft durch Werbung auf Papierhandtüchern lächerlich gemacht.

Dein Homo Magi

P.S.: Ich bin mehrmals darauf hingewiesen worden, dass Teflon nicht ein Produkt der Raumfahrt ist. Überraschenderweise war Teflon auch wenige Tage nach dem Schreiben dieses Briefes Thema in der „Stimmt’s?“-Kolumne der „Zeit“. Das Schicksal geht manchmal eigenartige Wege ...

 

Wo der Kunde König ist, wird Widerstand zur Pflicht

Lieber Salamander,

ich habe leider öfters den Eindruck, dass die Menschen heute nicht mehr dazu angehalten werden, eigene Gedanken zu entwickeln.

Früher wurden mir Begriffe wie „bürgerlicher Ungehorsam“ oder auch „Für das, woran du glaubst, sollst du leben und sterben“ vorgelebt, ich war bereit, sie als Maximen meines Handelns einzusetzen. Inwieweit es mir gelungen ist, danach zu leben, möge die Nachwelt entscheiden. Ich führe darüber keine Diskussionen, weil ich als Teil des zu beobachtenden Systems (Heisenberg folgend) eindeutig nicht in der Lage bin, mein Leben realistisch einzuschätzen.

Natürlich gibt es auch widerstreitende Anschauungen. Sprüche wie „Früh krümmt sich, wer ein Häkchen werden will“ oder „Wenn du das ordentliches werden willst, dann musst du dies und jenes tun“ habe ich auch oft genug gehört. Aber ich glaube daran, manchmal mit einer gewissen mir inne wohnenden Verzweiflung, dass moralische Leitlinien eine Grundlage des Lebens sind, die wir dringend nötig haben. Damit meine ich aber nicht, dass man Tanten das „schöne Händchen“ geben oder sich zu Familienfeiern immer ein ordentliches Hemd anziehen muss. Es geht eher darum, dass man Regeln folgen sollte, die man verstanden und akzeptiert bzw. verinnerlicht hat. Wenn man das eigene Leben nach nachvollziehbaren Kriterien gestaltet, wird es der Umwelt auch leichter gemacht, mit einem zu leben (oder sich eben dagegen zu entscheiden ...).

Ich weiß nicht, ob ich ein höflicher Mensch bin. Aber ich habe viele Jahres meines Lebens in Gruppen gearbeitet, in denen es nötig war, die eigene Meinung zu sagen, weil man sonst über den Tisch gezogen wurde. Ich versuche, mich nicht über die Frage aufzuregen, wie viel man jeden Monat in die Kaffeekasse einzahlen muss oder wer an welchen Wochentagen für die Reinigung der Küche zuständig ist. Aber wenn es um Fragen geht, die mir wichtig sind, dann melde ich mich auch zu Wort.

Als Dienstleister wäre ich wahrscheinlich ungeeignet. Zu oft bin ich patzig oder unfreundlich, weil mir die Dinge nicht passen, die ich tun muss (natürlich mache ich sie trotzdem und schlucke meine Wut herunter, weil meine Kunden bzw. meine Klientel wenig für das kann, was mir an Rahmenbedingungen vorgegeben wird). Aber es gibt auch andere Menschen, die als Dienstleister ungeeignet sind.

Kürzlich hatte ich durch einen Zugausfall eine längere Zeit auf dem Frankfurter Hauptbahnhof zu verbringen. Als ich an einem Schuhputzstand vorbeiging, fiel mein Blick auf das Plakat. Das sah gut aus. Ein Blick auf meine Schuhe teilte mir mit, dass sie dringend reinigungsbedürftig waren. Da ich halb offiziell unterwegs war und einen wichtigen Termin hatte, dachte ich mir, dass ich die Wartezeit am besten mit dem Putzen meiner Schuhe überbrücke. Ich nahm als auf dem Stuhl des Schuhputzers Platz und gab Anweisung, dass meine Schuhe gereinigt werden sollen.

Nach einer Entstaubungsaktion fragte mich der Schuhputzer, ob meine Schuhe auch mit Ledermittel eingeschmiert werden sollen. Ich sagte zu (das ganze Paket war bezahlt, genügend Zeit hatte ich auch – was sollte schon schiefgehen?). Dann kam die gefährliche Frage: „Welche Farbe?“ Ich schaute an mir herunter. Für die Beantwortung solcher Fragen bin ich nicht ausgerüstet, da ich dank einer Farberkennungsschwäche, die an die Farbenblindheit grenzt (zumindest bei Hemden, wenn man meiner Umwelt Glauben schenken will) nicht erkennen kann, welche Farbe meine Schuhe haben. Ich sagte also: „Wahrscheinlich schwarz, oder?“ Der Schuhputzer schaute mich an, schaute auf meine Schuhe, schaute mich an und sagte „Gut, schwarz“. Dann fing er, die Schuhe wild einzureiben.

Das Ganze war sehr professionell und ich genoss es sehr, hier für wenig Geld in einen ordentlichen Allgemeinzustand versetzt zu werden. Ich war irgendwann fertig, zahlte und begab mich auf das Gleis. Im Zug fiel mein Blick wieder versonnen auf die Schuhe. Nun, als das Sonnenlicht zum Fenster hereinschien, sahen meine Schuhe ganz anders aus als vorher ... Klar, dachte ich mir, jetzt sind die ja auch sauber.

Wieder etwas später überlegte ich mir, warum meine Schuhe auf einmal so ganz anders aussehen als meine Jeans. Nachdenken ergab dann, dass meine Lederschuhe wohl vorher blau gewesen waren – jetzt waren sie schwarz.

Warum in Dreiteufelsnamen hatte der Schuhputzer nicht gesagt, dass meine Schuhe mitnichten einer schwarzen Schuhcreme bedürfen? Ich meine, der hätte doch sehen müssen, dass meine Schuhe keinesfalls schwarz waren, sondern blau.

Mist! Mist! Mist!

Dienstleistungsland Deutschland, langsam aber sicher gehst du den Berg runter. Das ist wohl schon so wie bei „Des Kaisers neuen Kleidern“, wo keiner dem Kaiser sagt, dass er nackt ist, bis ein kleines Kind die Wahrheit herausschreit. Ich kann doch schlecht jedes Mal ein Kind mitnehmen, wenn ich unterwegs bin. Wäre es einfacher, wenn ich mir ein Blindenabzeichen auf den Ärmel nähe? Wahrscheinlich kriege ich dann die Schuhe zwar gereinigt, aber nachher haben die grüne Sterne auf lila Grund – ich kann es ja dann sowieso nicht sehen ...

Nein, so kann es nicht sein. Menschen müssen lernen, sich zu äußern, wenn sie der Ansicht sind, dass etwas falsch läuft. Schuhputzer müssen den Mund aufmachen, wenn sie gerade gebeten worden sind, etwas zu tun, was ihrer Berufserfahrung widerspricht. Besteht dann der Kunde auf seiner irrigen Meinung – gut. Aber ein Einspruch muss möglich sein, ohne dass der Kunde wutentbrannt seinen Platz verlässt.

Für einen Tipp wäre ich dankbar gewesen – auch wenn ich jetzt ab und an gefragt werde, ob ich neue Schuhe habe.

Widerstand ist Pflicht. Auch bei Schuhen.

Alles Gute, Dein Homo Magi

P.S.: Ich will nicht leugnen, dass es auch meiner eigenen Doofheit zuzuschreiben ist, dass meine Halbschuhe einen Farbwechsel mitgemacht haben. Aber als Magier schiebe ich solche Handlungen natürlich nicht auf meine Doofheit, sondern auf ein zu Grunde liegendes magisches Prinzip. Wahrscheinlich warteten am Zielbahnhof zwei Killer auf mich, welche die Aufgabe hatten, den Mann mit den blauen Schuhen zu töten. Diesem perfiden Anschlag entging ich nur, weil mein Unterbewusstsein mich zwang, die Farbe meiner Schuhe zu modulieren.

Okay, das klingt nach einer miesen Ausrede. Aber jeder, der mir das unterstellt, muss mir erst einmal beweisen, dass er nicht die beiden Killer bezahlt hat.

 

Gemeinsame Meditation

Hallo Salamander,

vor einigen Tagen fand ich eine von diesen Kettenmails in meinem Verteiler, die in den letzten Monaten immer wieder auflaufen. Doch dieses Mal war es weder ein Brief aus Zentralafrika, in dem ich darum gebeten werde, 42 Millionen Dollar außer Landes zu schaffen (natürlich bei einer Beteiligung, die mich glücklich macht), noch eine E-Mail, laut der ich an Microsoft schreiben soll, weil ein kleiner, gehbehinderter Junge aus Guatemala für jede Mail an Bill Gates 4 Cent erhält. Nein, dieses Mal war es eine von jenen heidnischen Kettenmails, die einen immer wieder erfreuen.

Anfangs möchte ich mich gleich bei jenen Menschen entschuldigen, die mir – gutgläubig – diese Mail zugeschickt haben. Ganz ehrlich: Ich lese so etwas gerne. Aber manchmal, ja manchmal, ist der Inhalt – wenn man sich die Mühe macht, ihn zu zerpflücken – so hanebüchen, dass man darüber eigentlich nicht diskutieren muss. Gerne gebe ich aber zu, dass einem das beim ersten Lesen nicht immer gleich auffällt ...

Ich kann es mir daher nicht verkneifen, hier länger zu zitieren, weil es mir nur so möglich ist, den Text zu zerlegen. Der Text ist mit, der mir gemailt wurde, bis auf jedes Zeichen identisch. Ehrlich.

„Liebe Mitmenschen dieses Planeten, seid gegrüsst im Lichte des ALL-Einen, folgende Botschaft möchten wir euch heute mitteilen, die unsere lebendige Seele, des Planeten und aller Menschen, mit allen Lebewesen dieses Planeten in ihrer jeweiligen Biospähre betreffen wird.“

Nein, Biospähre ist kein Tippfehler.[3] Und ich dachte immer, wir Menschen würden alle auf einem Planeten in einer Biosphäre leben. So kann man sich täuschen. Aber die Einleitung verspricht schon viel.

„Für den 12. August ist von gewissen Mächten im Hintergrund von Nordamerika aus, ein geheimes Experiment geplant, daß diese Wesenheiten als ‚Ihr Grosses Experiment‘ bezeichnen.“

Aha. Ich weiß zwar nicht, woher man Informationen über geheime Experimente bezieht (weil dann sind sie nicht mehr geheim), und ich weiß auch nicht, was „Wesenheiten“ alias „gewisse Mächte im Hintergrund“ sein sollen, aber wer auch immer sie sein mögen – Illuminaten, Große Alte, Bilderberger, Weltjudentum, CIA, NSA oder UNO –, sicherlich sind sie gefährlich und bedrohlich ...

„Das Ziel dieses Experimentes ist einen Zeitsprung zu verursachen, der diesen Planeten um ein paar Zeiteinheiten in die Vergangenheit bringen kann.“

Cool. Abgesehen davon, dass ein alleiniger Transport der Erde in die Vergangenheit dazu führt, dass sie an einem Ort materialisiert, wo sie ohne Mond und eventuell ohne Sonne auskommen muss (denn diese bewegen sich bekannterweise und standen an einem beliebigen Punkt in der Vergangenheit sicherlich nicht hier, während die Erde aber offensichtlich am Ort bleibt und nur in der Zeit verschoben werden soll). Wenn ich dabei schon mitmache, dann würde ich gerne Einfluss auf die Frage der Zielzeit nehmen. Z.B. könnte ich meinen Autounfall von 1988 oder meine Beziehungen zum anderen Geschlecht in meiner Oberstufenzeit umorganisieren – aber ich glaube, dass das hier nicht gemeint ist. Und was heißt „um ein paar Zeiteinheiten“? Habe ich da eine allgemeingültige Zeitrechnung verpasst; ist sie an mir vorbeigegangen, ohne dass ich informiert worden wäre?

„Für diese Planung wollen Sie sich einer Technik bedienen, die aus vielen Komponenten besteht. Die Technik besteht aus etlichen unterirdischen Anlagen, die weltweit auf dem Planeten geschaffen wurden, in Verbindung mit vielen neu errichteten Antennenanlagen (z.B. H.A.A.R.P. und Mobilfunknetze) und etlichen ‚geheimen‘ Satelitten, die speziell für diese Aufgaben vom Militär konstruiert wurden.“

Diese „Satelitten“[4] müssen sehr geheim sein, weil ich habe das Wort noch nie gehört ... Aber das ist doch eine tolle Kombination – das Militär baut „weltweit auf dem Planeten“ unterirdische Anlagen (auch unter den Ozeanen?) und natürlich sind die Handys auch an der Katastrophe beteiligt. War mir schon länger klar. H.A.A.R.P. ist das „High Frequency Active Auroral Research Program“[5], scheinbar ein Programm zur Untersuchung der Ionosphäre. Auch hier ist mir nicht ganz klar, was daran so böse sein soll.

 „Die Zeitlinie dieses ‚Experimentes‘ beruht auf den Resultaten von vorhergehenden ähnlichen Geschehnissen in der Geschichte des Planeten, begonnen am 12. August 1923 als Magisches Experiment, um mental mit einer Außerirdischen Gruppierung in Kontakt zu kommen. Ein junger Teilnehmer leitete 20 Jahre später am 12. August das Philadelphia Experiment (Unsichtbarkeit) weitere 20 Jahre das Phönix Experiment (Gedankenkontrolle), mit Übergang 20 Jahre weiter in das Montauk Experiment, für die Öffnung eines speziellen Zeittores (Stargates), um gezielt in verschiedene Zeitepochen der Vergangenheit und der Zukunft zu reisen.

Nun für den 12. August 2003 ist das Endresultat dieser Ereigniskette geplant, um einen Zeitriss, eine Zeitschleife, die bei dem Philadelphia Experiment im Hyperraum (das übergeordnete Schwingungsfeld, worin alle Sonnensysteme eingebettet sind) aufgerissen wurde, wieder zu schließen.“

Aha. Jemand, der 1923[6] als „junger Teilnehmer“ beteiligt war, ist 2003 sicherlich weit über 90. Ob die Zeitkette 1923-2003 in 20-Jahres-Schritten einer tieferen Gesetzmäßigkeit folgt – keine Ahnung. Aber sicher bin ich, dass die „Geschichte des Planeten“ deutlich länger ist, als 80 Jahre – auch wenn in diesen 80 Jahren so wichtige Dinge wie mentaler Kontakt zu Außerirdischen, Unsichtbarkeit, Gedankenkontrolle, Zeittore, Schließen eines Zeitrisses geschehen sind. Wir suchen also einen über 90jährigen, der sich unsichtbar machen kann, Kontakt zu Außerirdischen hat, Gedanken kontrolliert und Zeittore und Zeitrisse beherrscht. Wenn du jemanden kennst, auf den diese Beschreibung passt – ruf mich an!

Entgangen ist mir in der Schule wohl das „übergeordnete Schwingungsfeld, worin alle Sonnensysteme eingebettet sind“. Aber ich hatte Physik auch in der 13. Klasse abgewählt; wahrscheinlich ist das dann dort behandelt worden.

„Für den Aufstiegsprozeß der Erdenmenschen, kann dies Experiment fatale Folgen haben und ihr beginnendes Erwachen in die Höherschwingenden Dimensionen wird sich wieder verschließen.

Wegen dieses bevorstehnden Prozesses möchten wir alle Menschen und alle selbständig denkenden Wesen diese Planeten aufrufen, sich auf diesen Wandel vorzubereiten und mit uns gemeinsam weltweit zu meditieren, damit dieser Rückschritt nicht geschieht.“

Nur eine Frage – wer sind die „selbständig denkenden Wesen dieses Planeten“ neben den Menschen?

„Diese Meditation ist eine aktive Medation, in der wir uns ganz bewusst vorstellen am 12. August, ein Dienstag mit Vollmond, dass das Licht des ALL-EINEM in uns und das Licht der Urzentralsonne in uns erstrahlt, uns behütet, uns einhüllt und uns in das Licht, das Schwingungsfeld der 5. Dimension einbringt.

Das Nichts und Niemand uns von unserer Rückkehr in das Licht und die Quelle des All-Einen abhalten kann.

Mit der Kraft euerer Gemeinsamen Gedanken weltweit können wir ein Gedankenkraftfeld, ein eigenes Schwingungspotential aufbauen, dass ein Zurückwerfen in die ‚so genannte‘ Vergangenheit verhindern kann.“

Aktive Medation.[7] Wenn die Wesenheiten das lesen, dann schlottern sie bestimmt vor Angst.

Im selben Schuljahr, in dem ich das übergeordnete Schwingungsfeld verpasst habe, kam wahrscheinlich auch die Urzentralsonne.[8] Mist!

Was mir als Historiker die „so genannte“ Vergangenheit sagen soll, ist mir leider unklar. Das impliziert doch eine Kritik am Begriff der Vergangenheit – aber wenn es keine Vergangenheit gibt, dann macht auch ein Zeitsprung „um ein paar Zeiteinheiten in die Vergangenheit“ keinen Sinn. Oder ist es der „so genannte“ Zeitsprung?

„Viele können sich schon täglich, mit der beginnden Vollmondphase, in entsprechender Meditation auf den 12. vorbereiten und am 12. August zeitgleich mit der Zeitzone der nordamerikanischen Westküste, von 7:00 a.m. bis 01:00 p.m. Los Angeles Time, voll aktiv das Experiment umwandeln, in einen Fortschritt in DAS LICHT.“

Echt krass, dass wir voll aktiv das Experiment umwandeln. Wir werden es den Scheißendreck Wesenheiten schon zeigen, damit die konkret Respekt vor der Menschheit und den anderen selbstständig denkenden Wesen bekommen!

Ab Dienstag, dem 05. August können wir uns also alle vorbereiten, damit wir zeitgleich meditieren können. Wegen der 6 Stunden Zeitdifferenz zwischen Los Angeles und Deutschland wird es zwar schwierig werden, sich beim Ritual einzuklinken – aber: Hey! Ohne Einsatz kein Ergebnis.

„Mit dem Licht des ALL-EINEN, der Aufgestiegenen Meister/innen und die Galaktische Föderation freier Planeten“

Grammatik, wir hassen dir! Oh, Lesefehler. Es ist gar nicht die „grammatische Föderation“, es ist die „galaktische Föderation“. Ich als Mitarbeiter der „Förderation unfreier Planeten“ (kurz: FUPL) darf da natürlich nicht gegen anstinken.

Für die „Föderation unfreier Planeten“ (FUPL), die abgestiegenen Fußballmannschaften/-frauschaften[9] und das EINE-ALL,

Dein Homo Magi

 

Who knows whatever evil lies in the hearts of men?

Hallo Salamander,

damals, als es noch keine Fernsehsender gab, aber schon landesweite Radiosendungen, gab es – wie heute – erfolgreiche Serien, denen man sich nur schwer entziehen konnte. Du erinnerst dich vielleicht an die Geschichten um die Panik, die es bei der Erstausstrahlung von „Krieg der Welten“ gegeben haben soll. Es war nicht nur die Grundgeschichte von (H. G.) Wells, die diese Panik auslöste, sondern es war auch die Präsentation durch (Orson) Wells, die einiges zu dem beitrug, was diese Sendung auch heute noch faszinierend macht.

Vor einiger Zeit hat sie mir ein Freund auf CD mitgebracht. Die Musical-Version hatten wir schon vorher daheim, ab und an dudelt sie über die Stereoanlage („The chances of anything coming from Mars ...“). Aber die Stimme von Orson Wells im Hörspiel, seine Präsenz (spürbar auch in Filmen wie „Citizen Kane“) – das ist schon gewaltig.

Neben „Krieg der Welten“ gibt es von ihm noch Aufnahmen zur amerikanischen Radioserie um den „Shadow“ (eigentlich „Schatten“) – eine Figur, die auch im Buch und im Comic Berühmtheit erlangte (und die in einer völlig unterschätzten Verfilmung vor wenigen Jahren noch einmal in die Kinos kam!). Am Anfang der Sendung gibt es immer diesen von Wells gesprochenen Anfangssatz: „Who knows whatever evil lies in the hearts of men? The Shadow knows!“

Und so ist es doch auch. Der Schatten repräsentiert unsere Ängste, unsere dunkle Seite (und bei Gelegenheit dürfen wir uns alle überlegen, warum Peter Pan seinen Schatten verloren hat, der ihm dann wieder angenäht werden musste ...).

Sowohl in der Psychologie als auch in der Magie werden wir immer wieder mit dem Schatten konfrontiert – man denke nur an das in der Teenie-Magie sehr hippe „Buch der Schatten“, das zu führen man nicht erst seit „Buffy“ aufgefordert wird. Nein, ich will jetzt nicht behaupten, dass „Buffy“ am Hexenboom der letzten Jahre schuld ist; ich will auch nicht sagen, dass „Buffy“ das „Buch der Schatten“ erfunden hat (oder das es gar in der Serie auftaucht – das würde bedeuten, dass ich zugegeben hätte, die Serie zu sehen). Gott bewahre! Aber während ich selbst eher magisch zur „Highlander“-Generation gehöre (Erkennungszeichen: schöne Musik von „Queen“, nette Landschaftsaufnahmen, gnadenlos miserable Fortsetzungen) sind die Hexen & Magier, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen, in ihrer Pubertät von „Buffy“, „Angel“ und „Charmed“ geprägt worden. Bei „Highlander“ war immerhin die Musik besser. Dafür bin ich ganz dankbar, wenn wir endlich die langen Staubmäntel hinter uns lassen können, die scheinbar in den späten 80ern zur Grundausstattung von Magiern gehört haben (woran natürlich auch „Straßen in Flammen“ schuld ist). Dafür gibt es dann in Zukunft Hexen samt Schärpen mit Holzpflöcken ...

Zurück zum Thema: Der Schatten symbolisiert etwas, das uns ähnlich, aber doch fremd ist. Die im Schatten stehen sieht man nicht ...

Immer wieder hört man jene ständig wie eine Mantra wiederholte Aufforderung: Wir sollen lernen, uns mit unseren Schatten zu konfrontieren und ihn zu besiegen. Und bis zur ersten Hälfte des Satzes bin ich auch damit einverstanden: Wir sollen unsere Schatten konfrontieren. Punkt. Aber nicht besiegen – zumindest nicht, wenn man dem „Universum nach Homo Magi“ folgen will (wobei das „Universum nach Homo Magi“ keine Vorstufe zu einer „Homo Magi-Diät“ oder einem „Homo Magi-Fitnessprogramm“ ist, wie ich beruhigenderweise versprechen kann!).

Unsere Schatten sind ein Teil von uns. Wenn wir sie besiegen, zerstören, töten, vernichten, dann tun wir das mit einem Teil von uns. Ich halte es für viel sinnvoller, diese Teile unter Kontrolle zu bringen, uns mit ihnen zu konfrontieren und sie dann in uns zu integrieren. Hey – wenn mal wieder ein Magier mit seinem total tollen Überwachungszauber schauen will, was in mir drin ist, dann lenke ich ihn unauffällig auf meinen Schatten. Viel Spaß damit!

„The Shadow knows!“

Dein

Homo Magi

 

Rang und Namen

Hallo Salamander,

im Moment scheint sich alles, was Rang und Namen hat im deutschen Heidentum (oder gerne Rang und Namen hätte), zu positionieren. Da treten Superdupergoden auf, die sich gerne in ganz Deutschland als Allerherzchengoden anbeten lassen würden; da werfen Vereine ihren Hut in die Manege, um beim Streit um die Verteilung des heidnischen Kuchens einen Platz in der ersten Reihe zu haben.

Der heidnische Kuchen in Deutschland ist nicht sehr groß; ich glaube nicht einmal, dass da mehr als zwei oder drei Kerzen draufpassen würden. Aber im Moment ist die Lage in Deutschland durch verschiedene Faktoren so, dass es sinnvoll erscheint, sich wieder einmal zu positionieren und Verteilungskämpfe vorzubereiten.

Drei Faktoren kann ich ausmachen, die ich auch kurz beschreiben will.

1. Die Esoterikwelle boomt weiterhin. Nach den zyklischen Wellen, die sich mit Begriffen wie „Indianer“, „Kelten“ oder „Ferner Osten“ beschreiben lassen, sind im Moment mal wieder die Germanen „dran“. Ob das was mit dem „Herrn der Ringe“ zu tun hat, mit dem guten Wetter, das einen reizt, mal wieder ungeduscht und in Felle gehüllt draußen Met zu trinken oder damit, dass einfach die Sterne richtig stehen – keine Ahnung. Fakt ist, dass das germanische Heidentum im Moment mal wieder auf der Welle des Interesses surft. Das Internet ist voll von Angeboten zum Thema, keine halbwegs historische Steinformation ist wochenends frei von Asenanrufern und auch die Buchregale geben mal wieder (vermeintlich) neues zum Thema preis.

2. Die rechtlichen Grundlagen der großen Glaubensgemeinschaften in Deutschland sind einem Wechsel unterworfen. Sowohl die neue Rechtslage in der EU als auch die immer deutlicher werdende Kritik an den gesetzlichen Grundlagen der Kirchen in Deutschland (von der Frage der Mitgliedschaft in Rundfunkräten über die Sonderkündigungsrechte in Tendenzbetrieben und die Rolle der moslemischen Gruppierungen in der BRD bis hin zu der Frage, warum der Staat Steuern für die Kirchen eintreibt) verbunden mit einer deutlicher werdenden theologischen Kritik am Auftreten der christlichen Kirchen (die Diskussion um das gemeinsame Abendmahl, die im Moment gerade durch die Medien geistert, beweist doch wieder einmal, wie reformunfähig zumindest die katholische Kirche ist) führen dazu, dass man darauf hoffen darf, dass die gesellschaftliche Rolle der großen Glaubensgemeinschaften in den nächsten Jahren verändert (lies: geringer) wird.

Und was würde da näher liegen, als jetzt durch das Schaffen von verbindlichen Grundstrukturen dafür zu sorgen, dass man im Falle einer Gesetzesänderung als erster seinen Hut in den Ring werfen und laut „Ich und meine Heiden wollen (...)“ schreien kann.

3. Sinnkrisen führen immer dazu, dass sich Menschen mit der Suche nach Antworten beschäftigen. Eine steigende Arbeitslosigkeit, ein Verlust traditioneller Werte (Hausbau, Kinder kriegen, lebenslang die selbe Arbeitsstelle etc.) führen dazu, dass die Menschen sich den Antworten der Religionen zuwenden.

Zu hoffen bleibt, dass die Fragestellung an die heidnischen „Führer“ dazu führt, dass sich diese nicht nur mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Blomoken der frühen Töpferperiode jetzt an Ulmeka als die Göttin des Herdfeuers oder als die Göttin der Brotbäckerei gedacht haben. Umso mehr Lebensfragen gestellt werden, umso ersichtlicher wird, dass viele selbsterklärte Superpriester des Heidentums zwar altschwedisch konjugieren und neunundvierzig Runen am Geschmack unterscheiden können, aber nicht in der Lage sind, bei Fragen um Tod, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Trennung zu helfen.

Neben der religiösen Qualifikation wird eine Lebensqualifikation wichtig – die viele Priester im Heidentum meiner Erfahrung nach nicht mitbringen. Wer sich jetzt in eine gute Ausgangsstellung bringt, der hat später mehr Chancen, unumstritten als Heidenpapst aufzutreten. Und natürlich geht es bei so Verdrängungskämpfen (und mehr ist es nicht) auch um Einfluss, Macht und Geld (wer dies leugnet, der ist entweder ein Trottel oder so fern von menschlichen Lebenszusammenhängen, dass er ein Heiliger sein muss).

Es bleibt abzuwarten, wie es weitergeht, oh lieber Salamander. Im Grunde sollte man sich ruhig in sein Zimmer oder auf eine Wiese setzen und eine Liste schreiben, welche zehn Dinge einem wichtig sind. Wenn man sich Zeit damit lässt und sich selbst nicht belügt, so wird dort vermutlich nicht die Frage nach der korrekten Übersetzung des eigenen heidnischen Namens ins Altschwedische oder der Wunsch nach einer Runenkunde mit gebackenen Runen aus Marmorkuchenteig stehen, sondern Hilfe bei den Fragen um Beziehung, Freundschaft, Wohnen und Arbeit. Zumindest hoffe ich das.

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Wortverdreher

Lieber Salamander,

lange war mir eigentlich klar, was mit „Wende“ gemeint war. Das war der konstruktive Misstrauensantrag von CDU/CSU und FDP gegen Kanzler Helmut Schmidt. Damals wurde Helmut Kohl Bundeskanzler. Diese Ereignisse – der Koalitionswechsel der FDP, der Wechsel der Bundesregierung nach den sozialdemokratischen Regierungen unter Brand bzw. Schmidt, die Veränderungen in der politischen Landschaft der BRD – waren die Schritte der „Wende“.

Dann kam der Fall der Mauer samt der Wiedervereinigung. Wir streiten jetzt nicht über das Wort Wiedervereinigung, okay? Denn im Rahmen BRD-DDR war Deutschland noch nie „wiedervereinigt“ – aber das ist ein Argument, das höchstens arme Historiker wie mich beschäftigt. Nein, „Mauerfall“ oder „Wiedervereinigung“ waren die Schlagworte, die damals geprägt worden sind.

Und was passiert jetzt, etwas mehr als zehn Jahre später? Immer wieder höre ich das Wort „Wende“ im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Die Menschen scheinen wirklich zu glauben, dass die „Wende“ in Wirklichkeit die Öffnung der Mauer war. Natürlich haben sich nach der Maueröffnung einige Dinge verändert – aber das Auftauchen von sächsisch sprechenden Mitarbeitern bei der Bundesbahn oder das Verschwinden von Schokolade für wenige Tage aus den Regalen war wohl nicht Grund genug, um von einer „Wende“ der Politik zu reden. Getan wird es trotzdem.

Erstaunlich ist auch, wie die Auflösung eines Staates, der sich einer bestimmten Ideologie (hier: dem Sozialismus) verschrieben hatte, dazu führte, dass die ganze Ideologie verschrieen wird. In Deutschland ist der Sozialismus als Ideologie mit allen seinen lustigen Ausprägungen von der Bildfläche verschwunden. Das System ist diskreditiert. Früher durfte man sich als „Linker“ immer noch ein „Geh’ doch nach drüben!“ anhören. Selbst das ist jetzt unmöglich (vielleicht wäre ein „Geh’ doch nach Kuba!“ jetzt passender, aber eigenartigerweise ist mir das noch nie vorgeschlagen worden ...).

Wie viele Demokratien sind im Lauf der letzten 100 Jahre das Opfer von Diktatur und Bürgerkrieg geworden? Wie viele Monarchien haben Kriege angezettelt oder sich mit total peinlichen Würdenträgern blamiert? Mir fallen schon einige Beispiele ein – und niemals hat es dazu gelangt, um das dahinterstehende System völlig zu diskreditieren.

Nein, kleiner Lurch, ich will dich jetzt nicht weiter mit politischen Ausführungen langweilen. Aber in der Politik gilt, was auch in der Religion gilt: jemand, der eine Lobby hat, kann sich fast alles erlauben. Natürlich gibt es Satanisten (wobei ich mich weiterhin weigere, sie – der allgemeinen Meinung zum Trotz – dem Heidentum zuzuordnen), natürlich gibt es auch Missbrauch, Gewalt, eklige Dinge bei den Heiden. Aber bei Christen gibt es sie auch (wie auch bei Moslems und Juden, wenn ich das hier einmal – nur, um meinen weiten Horizont zu dokumentieren – in den Raum werfen darf). Aber wenn man den Christen irgendeinen Punkt ihrer Geschichte vorwirft, dann hört man immer ein „Das ist doch schon lange her!“ Manchmal glaube ich, dass Asatru sich bis an das Ende der Zeiten für den Angriff auf Paris rechtfertigen müssen. Oder die Wicca für jede peinliche Hexe, die in einer Talkshow von Liebeszaubern und Voodoo-Puppen spricht.

Die Welt ist nicht gerecht, wird es nie sein, weil sie von Menschen gestaltet wird, und diese sind zur Gerechtigkeit nicht befähigt. Aber wir können versuchen, uns der Gerechtigkeit zu nähern.

Also: In Zukunft bitte ich um etwas mehr Mitleid für die mit Heimvideos aufgezeichneten Wahlkampfspots der kleinen sozialistischen Parteien, etwas mehr Mitgefühl für die ins ideologische Nirwana geschleuderten Kommunisten und ein wenig mehr Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Religionen, wenn mal wieder über das Heidentum gelästert wird.

Dein Homo Magi

 

Deutschland sucht den Supermagier

Hallo Salamander,

meine „Schutzbefohlenen“ (Jugendliche zwischen 16 und 21) vertreiben sich offensichtlich die meiste Zeit des Tages damit, vor dem Fernseher herumzulümmeln. Ich selbst (ein eher zurückhaltender Herumknipser im breiten Angebot des Fernsehprogramms) kann nur als entfernter Beobachter berichten, was im Fernsehen aktuell passiert.

Das Format des Talentsuchens via Fernsehen hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Waren wir anfangs nur von lallenden „Big Brother“-Deppen belagert, die im Fernsehen schräg und unschön Popsongs von sich gaben, so werden jetzt Talente „gecastet“ und durch das andauernde Abnudeln in Fernsehen und Hitparaden zu Stars gemacht.

Früher musste man als Sänger noch durch die Clubs ziehen und versuchen, sich einen Ruf aufzubauen. Heute nimmt man mit 2000 anderen Leuten an einem „Casting“ teil, hüpft ein wenig vor ehemaligen „Modern Talking“-Musikern herum und trällert die Charts rauf und runter. Wenn man das gut macht, gutaussehend ist, ein wenig tanzen kann und ansonsten formbar ist, hat man eine Chance.

Wichtig ist bei der Zusammenstellung einer solchen Gruppen – sei es nun, damit diese später zusammen auftritt oder sei es, damit sie gegeneinander antreten – die Beachtung von verschiedenen Strömungen und Minderheiten. Es sollte ein Paradiesvogel dabei sein, der ein wenig über die Stränge schlägt, es sollte ein Mädchen dabei sein, welches das Mitgefühl des Publikums weckt etc. Am besten hängt man noch in diversen Zeitungen eine „human interest“-Geschichte dran („Schlagerstar: Sein Vater starb im Altenheim“ oder „Ex-Freundin bricht ihr Schweigen: so ist der Teenie-Star im Bett“) und schon ist dafür gesorgt, dass die entsprechenden Sternchen bekannt werden.

Vor vielen Jahren hat Warhol schon prophetisch verkündet, dass in der Zukunft jeder 15 Minuten ein Star sein wird. Diesen Zustand haben wir jetzt erreicht.

Kürzlich hatte ich in einer jener Nächte, in denen man vor Hitze nicht schlafen kann, die tolle Idee, dass man eine solche Show doch eigentlich auch für Magier ausrichten sollte. „Deutschland sucht den Supermagier“, so würde ich die Veranstaltung nennen.

Als erstes würde ich alle selbsterklärten Magier Deutschlands, jene Creme de la creme des deutschen Heidentums, in ein großes Hotel in einer Stadt mit guter Verkehrsanbindung einladen.

In einer ersten Stufe ginge es einfach nur darum, zu überprüfen, ob man die Kandidatinnen und Kandidaten auch einem Team von Prüfern vorstellen kann – hier würden dann so Dinge überprüft wie die Frage, ob eine regelmäßige Waschung stattgefunden hat oder ob eine Kommunikation außer Sätzen wie „Ich höre sie! Sie sprechen aus den Wänden zu mir und verleihen mir die Macht, die Erde aus den Angeln zu heben!“ oder „Yak Yak Yak! Höret mich, ihr Geister der Lüfte. Yak Yak Yak! Euer Meister ist hier, um von euch auf den Thron der Erde getragen zu werden. Yak Yak Yak!“ möglich ist.

Die zweite Stufe wäre dann die Legitimationsprobe. Hier gäbe es schon eine Jury, die eine Vorauswahl trifft. Ich denke mal, dass man sicherlich auch nach dem Reinigungstest in Stufe 1 noch einige hundert Leute hat, die Stufe 2 erreichen. Hier werden dann Fragen gestellt wie: „Woher haben Sie eigentlich ihre Fähigkeiten erhalten?“ oder „Woher stammt Ihre Legitimation?“

Ab jetzt würde ich alles auf Video aufnehmen, damit ich nachher dokumentieren kann, was passiert (am besten im Privatfernsehen!). Vorher muss natürlich jeder Teilnehmer unterschreiben, dass er nichts dagegen hat, dass seine Äußerungen aufgezeichnet und später im Fernsehen gesendet werden.

Der entlarvendste Teil ist eigentlich nicht der, wo die Leute erzählen, was sie woher gelernt oder erfahren haben wollen. Eigentlich ist es egal, ob sie reinkarnierte Merkurier, zeitreisende Aliens oder Atlanter im Schlafrock sind. Das wird alles nur brav aufgezeichnet und dokumentiert. Nur diejenigen, die in diesem Teil ausfallend werden („Hey! Meine geheime Legitimation zeige ich nur meinen Geschwistern der Bruderschaft von Lozargham!“ oder „Ich muss sterben, wenn ich die Quellen meiner Macht preisgebe!“ sind heiße Kandidaten dafür) oder die sich über das gewünschte Trinken von Kinderblut oder das Absingen von verbotenem Liedgut qualifizieren, sollten nicht Stufe 3 erlangen dürfen.

In der 3. Stufe werden die selbsterklärten Magier in Vierergruppen zusammengefasst und mit einer unmagischen Aufgabe konfrontiert, die sie jetzt erledigen müssen. Toll wären Sachen wie: „Sie haben zwei Stunden Zeit. Proben Sie gemeinsam ein selbstgeschriebenes Lied ein, in dem mindestens die Worte Himbeersaft, Ausschweifungen und Körperöl vorkommen. Tragen Sie das Lied nachher der Jury vor. Es gibt Zusatzpunkte, wenn Sie zu dem Vortrag tanzen oder anderweitig das Lied unterstützten.“ Auch hier würde ich brav wieder alles aufzeichnen lassen ...

Dann kommt die echte Vorführung. Jeder für sich allein auf einer Bühne vor einer Jury von vier Personen – und alles wird auf Video aufgezeichnet! Die Jury hat eigentlich nur eine Bitte: Führe uns drei magische Taten aus drei unterschiedlichen Gebieten vor, um zu beweisen, dass du reif bist, um in die letzte Runde des Supermagiers vor Deutschlands Fernsehpublikum vorzudringen.

Mit unterschiedlichen Gebieten meine ich natürlich, dass nicht daran gedacht ist, dass ein Magier drei Mal Insekten beschwört – erst Tausendfüßler, dann rote Ameisen, dann Mistkäfer. Es sollen unterschiedliche Themen abgedeckt werden, z.B. die Liebesmagie, Weissagungen und Erntezauber. Mir ist es eigentlich egal, welche die unterschiedlichen Bereiche sind, Hauptsache, sie klingen nicht allzu identisch.

Hey, hast du wirklich geglaubt, ich würde jemanden, der sich für eine solche Show freiwillig meldet, auf das Fernsehpublikum loslassen? Die Leute, die wirklich Fähigkeiten haben, melden sich nicht für eine solche Veranstaltung.

Wenn kein Wunder passiert (und ich gehe davon aus, dass bei einer solchen Veranstaltung kein Wunder passiert), wird es niemand der Kandidaten schaffen, drei magische Taten aus drei unterschiedlichen Gebieten hinzubringen. Mit etwas Glück vielleicht eine Tat – und die würde wahrscheinlich den Regeln der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit nicht standhalten. Hey, das ist einfach so. Ich denke da an Prophezeiungen wie „Ein Mann wird aus dem Süden kommen. Sein Haar wird feuerrot sein und seine Stimme wie das Tröten einer blechernen Fanfare. Er wird von Tod und Hungersnot singen, und entlang seines Weges kommen Frauen mit verkümmerten Kindern danieder!“, wahlweise auch Sachen wie „Reichen sie ruhig ihre nächste Steuererklärung unausgefüllt ein – ihr Finanzamt wird sie kraft meines Zaubers reich beschenken!“

Nachdem sich in dieser Stufe alle blamiert haben (wovon ich, wie gesagt, ausgehe) müsste man der Menge leider mitteilen, dass die Fernsehausscheidung gestrichen wurde, da niemand die Bedingungen erfüllt hat. Man würde aber aus den Aufnahmen der Prüfungen einen abendfüllenden Film zusammenstellen ... Und dann möchte ich sie im Fernsehen sehen, die Magierinnen und Magier, wie sie in Vierergruppen singen und einzeln auf der Bühne versuchen, ihre magischen Fähigkeiten vor laufender Kamera zu präsentieren.

Hähä. Deutschland sucht den Superdepp. Hähä.

Die Hitze schlägt mir echt auf das Gehirn. Verzeih mir, kleiner Lurch, für meine bösen Phantasien.

Dein Homo Magi

 

... und hüllt die Erde in goldenes Licht

Hey, Salamander,

erinnerst du dich noch an die Friedensmeditation zum 12. August? Ich nenne nur ein paar Stichworte: HAARP, Mobilfunknetze, das alle-20-Jahre-Experiment (Kontakt mit Außerirdischen, Philadelphia, Phönix, Montauk, Zeitriss) ...

Na, ist die Erinnerung wieder da?

Brav habe ich den Stichtag abgewartet, ob nicht vielleicht doch der Zeitriss kommt und wir alle in den Hyperraum gerissen werden (das klingt irre, ist aber nicht von mir) oder ob es gelingt, das „beginnende Erwachen“, den „Aufstiegsprozess der Erdenmenschheit“ in die „Höherschwingende Dimension“ zu stoppen. Scheinbar ist es nicht gelungen, uns alle zu vernichten, deswegen kann ich noch einmal darüber berichten.

Mir liegen weitere Informationen vor, die zwei meiner Lieblingsthemen miteinander verbinden: Erzengel Michael und das alle-20-Jahre-Experiment. Ich schwöre hiermit heilige Eide, dass ich die Texte nicht erfunden habe!

Mich erreichte eine Mitteilung folgenden Inhalts: „anbei die Botschaft, die mir von einem Geistheiler übermittelt wurde. Ich erhielt sie am *** mit der Bitte um Weiterleitung und Unterstützung, an diesem Tage, dem ***, zu meditieren und dass mit so vielen Menschen, wie möglich.

Aus diesem Grund fragte ich Erzengel Michael in einer Einzelsitzung am ***, was wir tun können. Er antwortete folgendermaßen: (Zitat)

Ihr könnt an diesem Tag direkt, einen Tag vorher und an dem Tag danach, die Erde bewusst in goldenes Licht einhüllen und das Mantra: Om Na Ma Kara (letzte Silbe betont) singen.

Und das wird sehr viel dazu beitragen, dass diese Energien neutralisiert werden.

Om Na Ma Kara – und hüllt die Erde in goldenes Licht: Und je mehr Wesen es tun, desto kraftvoller kann es sein. Aber es wird in diesem Projekt nicht den erhofften Erfolg bringen, den sie sich wünschen. Darum ist es gerade jetzt in dieser Zeit so wichtig, dass Ihr Eure Energiekörper vor diesen Energien schützt.

Ich bitte Dich, leite diese Botschaft weiter an alle, die uns unterstützen wollen, damit auch sie sie weiterverbreiten können. Mental wollen wir uns an diesen 3 Tagen treffen: jeweils um 20.00 Uhr.“

Tja, leider habe ich diesen mentalen Treffpunkt wohl verpasst, aber glücklicherweise habe ich auch andere Quellen: „hier ist die erhoffte Reaktion unseres Verbindungsmannes, der auch als Raumschiff-Kommandant der Plejadier arbeitet.“ Erfreut hat mich das „auch“ – tagsüber ist er Versicherungskaufmann, aber nachts arbeitet er auch als Raumschiff-Kommandant der Plejadier. Tolle Zukunftsaussichten, tolle Nebenjobs!

„Ashtar hat uns gebeten, alle Aufmerksamkeit und Bedeutung nicht auf diese Ereignisse zu lenken, sondern uns darum zu kümmern, unser Ungleichgewicht auszubalancieren. Es ist daher wichtig, die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken und die Meditation auf uns zu richten und nicht auf äußere Geschehnisse. Denn wie innen so außen (...). Wir in der Föderation sind schon seit Monaten beschäftigt, uns auf diese Ereignisse vorzubereiten, und wir haben auch Maßnahmen getroffen, die diesem Einhalt gebieten werden.

Doch es ist wichtig, dass dieser Aufruf stattfindet und unsere Arbeit unterstützt. Bitte helft uns, Euch zu helfen, indem Ihr für Euch betet und Euch den Frieden und die Liebe gebt.“

Tja, das hätte ich nicht besser schreiben können: „bitte helft uns, Euch zu helfen“.

Sicher geborgen wie in Abrahams Schoß fühle ich mich, gerettet von den Energien der Plejadier und geborgen durch Anwendung der Hinweise eines gechannelten Erzengels. Da kann ich beruhigt in die Zukunft sehen. Meine Angst vor Zeitrissen und Hyperraumlöchern nimmt schlagartig ab.

Pruhahaha. Habe wohl einen Clown gefrühstückt.

Dein Homo Magi

 

Ferien

Hallo Salamander,

mein weiser Arbeitgeber hat mir einen neuen Arbeitsvertrag vermacht. Da die von mir betreute Maßnahme von zwölf auf elf Monate gekürzt wird, bin ich jetzt einen Monat lang freigestellt. Zwar kriege ich dafür weniger Geld, aber immerhin kann ich es mir so erlauben, vier Wochen daheim zu bleiben.

Ich möchte an dieser Stelle nicht die Frage diskutieren, ob das pädagogisch auch nur irgendeinen Sinn macht. Die von mir zu betreuenden arbeitslosen Jugendlichen sind natürlich zwölf Monate im Jahr arbeitslos und nicht nur elf – aber wahrscheinlich hat irgendein Abteilungsleiter im Landesarbeitsamt diese brillante Idee gehabt, um damit einen Monat Zahlungen einzusparen, und seine Kollegen haben das, ohne einen Blick in den Kalender zu tun, abgesegnet.

Es ist erstaunlich, wie viele Arbeitsaufgaben einem einfallen, wenn man auf einmal Zeit dafür hat, sie zu bewältigen. Ich könnte doch die Fenster putzen, meine Wäsche und meinen Kleiderschrank sortieren, endlich alle Folgen von „Babylon 5“ auf DVD schauen, ein paar bestellte Artikel für Magazine abarbeiten und dem Bücherstapel zu Leibe rücken, der sich in meinem Regel unter der Bezeichnung „ungelesen“ zu stapeln beginnt.

Leider bin ich was Bücher betrifft, ein Freund von Schnäppchenkäufen. So besitze ich 40 englische „Star Trek“-Taschenbücher (die waren sehr billig, als ich sie vor zwei Jahren gekauft habe ...), aber gelesen habe ich davon noch keines. Auch lauern hier noch Berge von Büchern über Magie und Esoterik ihrer Entdeckung – inklusive meiner neusten Erwerbung, den acht englischen Taschenbüchern von Churchward über Mu bzw. Lemuria. Ob ich je dazu komme, mich daran zu machen?

Ich bin sonst kein großer Freund von Urlaub. Eigentlich arbeite ich gerne, und wenn ich nicht auf meinem Arbeitsplatz herumsitze, dann bin ich damit beschäftigt, daheim Dinge zu tun. Es gibt wohl Männer, die von der Arbeit heimkommen, die Füße hochlegen und sich daran machen, den restlichen Tag das Fernsehprogramm zu würdigen. Das hat mich noch nie interessiert, von daher bin ich – was das betrifft – auf der sicheren Seite. Aber ich habe einen Stapel Videos und DVDs, die ich mir irgendwann angeschafft habe, die aber bis jetzt ungesehen ihr Dasein fristen. Und wie so oft ist es so, dass man beim Anschauen feststellt, dass man maximal die Hälfte der Erwerbungen behalten will. Bei Büchern geht mir das auch so – die Augen sind größer als die Brieftasche und so dürfte ich zwischen 100 und 200 ungelesene Bücher haben – aber wenn du mich in vier Wochen fragst, dann ist die Menge wohl schon ein wenig geschrumpft!

In kurzen Worten: Ich will ein wenig ausspannen. Das letzte Jahr war – nicht nur wegen der „Verwerfungen“ in der Heidenszene, die mich mit ihren Wellen auch getroffen haben – anstrengend. Jetzt ist es ganz gut, wenn man mal zur Ruhe kommen, ein wenig nachdenken und neu sortieren kann.

Wenn ich in den vier Wochen Weisheiten finde, die ich dir mitteilen müsste, werde ich dich natürlich informieren. Aber ich werde die Zeit wohl dazu nutzen, mir selbst ein wenig näher zu kommen. Meine Seele baumeln lassen und darüber nachdenken, was ich die nächsten 38 Jahre mit meinem Leben anstelle. Hey, ich habe schon mehr als die Hälfte der Zeit bis zur Rente hinter mich gebracht!

Und die acht Bände Churchward lauern auch noch als Drohung am Horizont ... Ich bin mal gespannt, wie weit ich komme. Der gute Wille ist da.

Auch Magier können nicht Tag und Nacht arbeiten. Seit „Merlin und Mim“ weiß man ja, dass Merlin gerne in die Zukunft gereist ist, um dort vor Hawai zu surfen. Ich faulenze ein wenig, arbeite ein wenig im Haushalt und erledige Dinge, zu denen ich nicht kam. Ich könnte noch Bilder in das Album nachkleben ...

Mir wird was einfallen. Wie immer. Und sei es nur der jährlich wiederkehrende Plan, mir das Rauchen abzugewöhnen ...

Alles Liebe,

Dein Homo Magi

 

Göttliche Mutter

Hallo Salamander,

natürlich habe ich – wie wohl alle Menschen, die sich mit dem Heidentum beschäftigen – mit der „großen Mutter“ und all ihren Spielarten innerhalb der heidnischen Religionen Kontakt gehabt.

Aufgewachsen bin ich in einer ziemlich christlichen Familie, meine Mutter war fast 20 Jahre im Kirchenvorstand (ihre Dienstzeit endet diesen Sonntag, also habe ich einen tollen Aufhänger für diese Rückbetrachtung), meine Großmutter ist sehr gläubig und ich selbst habe die üblichen jugendlichen Prägungen wie Kindergottesdienst und christliches Jugendzentrum hinter mir.

Nach meiner Distanzierung von der christlichen Religion begann ich damit, mich nach anderen Wertesystemen umzuschauen. Aber weder die anderen patriarchalischen Religionen (mal ehrlich: der Asenglaube ist in seinen meisten Darstellungsformen stark männlich dominiert) noch die heidnischen Kulte mit einer überbetonten Muttergottheit (was habe ich mich über „die Mondin“ mokiert, als ich das zum ersten Mal gehört habe) konnten mich faszinieren.

Ich bin ein Mann und habe mit männlichen Energien in der Religion weniger Schwierigkeiten als mit weiblichen Anteilen. Von daher ist für mich nur vernünftig, wenn ich mich primär mit den männlichen Anteilen an der Göttlichkeit beschäftige. Ich bin weder bereit, mir einen männlichen Anteil am Göttlichen ausreden noch eine weibliche Ausschließlichkeit einreden zu lassen.

Der weibliche Anteil in der Gottheit ist mir bewusst, ich will ihn weder leugnen noch verleugnen. Ich beschäftige mich immer wieder mit der Frage nach der Persönlichkeit der Gottheit.

Als ich zur Kur in Bayern war, habe ich natürlich die Gelegenheit genutzt, um einen Marienwallfahrtsort zu besichtigen. Der Marienkult ist in vielen Zügen ein Versuch des (schon immer sehr flexiblen) Katholizismus, den Wunsch nach einer Göttin zu befriedigen. In der Bibel ist nirgends die Rede von einem Marienkult, aber er findet real in der Gegenwart statt. So durfte ich im Wallfahrtsort nicht nur den Buchladen besichtigen, der mit christlicher Erweckungsliteratur wohl gefüllt war, sondern durfte auch ein gesegnetes Amulett und ein Flugblatt über Maria – „die Frau aller Völker“ – erstehen.

Ich war schon sehr erstaunt, dass ich dem Text entnehmen durfte, dass sich Maria (die mir bis jetzt nur als die Mutter Jesu aus der Bibel bekannt war, weitere Funktionen der guten Frau sind mir bei dem Studium der „heiligen Schrift“ entgangen) inzwischen wohl zu etwas entwickelt hat, was hier „die Frau aller Völker“ genannt wird. Eine interessante Transformation, die in Sätzen wie „Möge die Frau aller Völker, die einst Maria war, unsere Fürsprecherin sein“ gipfelt.

Wer mir nicht glauben mag, der dürfte mit einem Blick auf www.laudate.org (hier finden sich Sätze wie der wunderschöne „Die Frau aller Völker Official Website“) zufrieden sein. Ich zitiere hier „Die Botschaft der Frau aller Völker“, die auf dieser Seite steht.

Am Fest Maria Verkündigung, dem 25. März 1945, erschien die Gottesmutter einer einfachen Frau, Ida Peerdeman (U 1996), die mit ihren Schwestern in Amsterdam lebte. Es war die erste von 56 Erscheinungen, die zwischen 1945 und 1959 stattfanden. Der übernatürliche Ursprung der Botschaften der Frau aller Völker wurde am 31. Mai 2002 vom Diözesanbischof festgestellt.

Die Gottesmutter erscheint unter dem neuen Titel, ‚die Frau aller Völker’ oder ‚die Mutter aller Völker’: In dieser Zeit will sie von allen Menschen unter diesem Titel gekannt und geliebt werden. In prophetischer Schau zeigt sie vor allem ein eindrückliches Bild der Situation in Kirche und Welt während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach und nach offenbart Maria in den Botschaften dann den Plan, mit dem Gott durch die Mutter die Welt retten will. Dazu schenkt sie den Völkern und Nationen ein Bild und ein Gebet.“

Das Bild kann man auch auf dieser Seite besichtigen. Sachen gibt es. Aber es ist schon erstaunlich, welche Veränderung hier stattgefunden hat. Natürlich weiß ich, dass es schon lange einen Marienkult gegeben hat, der sehr wohl heidnische Züge trägt (ich erinnere nur an „Mari Kali“, die schwarze Maria). Aber die Errettung der Welt durch die Mutter? Früher wäre so etwas als Häresie verfolgt worden (und Arianer und Gnostiker sind für ähnliche Thesen um die Göttlichkeit einzelner Mitglieder der heiligen Familie umgebracht worden), aber die Kirche muss sich anpassen, wenn sie nicht untergehen will. Und noch einmal: Die katholische Kirche war schon immer anpassungsfähiger als die Evangelen.

Für mich ist auch dieses Frauen- oder Mutterbild nix passendes. Hier ist die Mutter nur ausführende Person für einen göttlichen Plan. Das ist mir dann doch zu wenig. Ich glaube daran, dass die Gottheit weibliche und männliche Anteile hat. Aber die weiblichen Anteile sind nicht dazu da, um die Befehle des männlichen Anteils auszuführen – genauso wenig wie umgekehrt.

Ich glaube auch nicht, dass die Rolle des Kriegers für immer und ewig an ein männliches Bild gebunden ist. Alle theologischen Abziehbilder dieser Art sind nichts anderes als überhöhte Spiegelungen unserer Gesellschaft in den Bereich des göttlichen hinein – und es wäre schade, wenn die Gottheit solchen Plattitüden unterworfen wäre. Sehr schade.

 

Alles Gute, Dein

Homo Magi

 

Mit Zungen reden

Hallo Salamander,

draußen werden die ersten Blätter bunt, aber es ist nicht zu verhehlen, dass wir uns mit weiten Schritten Weihnachten nähern. Die ersten Supermärkte verkaufen schon Printen und Lebkuchen, die Versandkataloge füllen unsere Briefkästen und wir überlegen verzweifelt, was wir unserer Umwelt zum Lichterfest schenken sollen.

Dankenswerterweise haben auch die Esoterik-Versender begriffen, dass Heiden oder selbsterklärte Esoteriker zwar formal gegen die christliche Mystik hinter dem Weihnachtsfest sind, aber nichts dagegen haben, etwas geschenkt zu bekommen – und dafür auch in Kauf nehmen, dass sie selbst etwas verschenken müssen ...

Natürlich versuche ich wie jedes Jahr, dir bei der Auswahl deiner Geschenke behilflich zu sein. Für Ideen wie Stricksocken und Rasierwasser brauchst du meine Hilfe nicht. Aber es gibt sicherlich ausgewählte Menschen in deinem Bekanntenkreis, die mit so „banalen Geschenken“ nicht zufriedenzustellen sind. Aber du hast ja mich.

Für „Heiden, die schon alles haben“ empfehle ich dieses Jahr den Zungenreiniger – „Entfernt Bakterien und sorgt für reinen Atem.“ Die Nachteile, die man im normalen Leben in Kauf nehmen muss, wenn man sich keinen Zungenreiniger anschafft, sind mannigfaltig. Karies und Parodontose, Zahnbelag und Mundgeruch verschwinden, wenn man brav nach dem Zähneputzen die Zunge reinigt. Und natürlich werden die Geschmacksnerven auch wieder sauber, wenn man sie brav mit dem Plastikhobel säubert ... Ob es nicht einfacher wäre, mit dem Rauchen aufzuhören ... Nun, man wird ja morgens nicht beobachtet, wenn man sich die Zunge hobelt.

Aber der Plastikhobel ist nicht nur hässlich, nein, er sieht auch wie ein Salatlöffel aus Plastik aus, bei dem man in der Mitte ein Stück herausgesägt hat. Mit ein wenig handwerklichen Fähigkeiten kann man also hier billig mit Salatbesteck und Säge nette Geschenke herstellen ... und es wird auch keiner sauer sein, wenn das Geschenk nicht originalverpackt ist, solange man handgeschrieben einen Zettel beilegt, der die Zungenhobel-Wunderfähigkeiten über den grünen Klee lobt (und den Eindruck erweckt, man habe das originalverpackte Geschenk nur wegen des schönen Zettels umgepackt).

Damit ist dieses Geschenk billiger als andere, wichtige Dinge, wie z.B. kristallines Salz aus dem Himalaya-Gebiet (schwer zu fälschen, außer man versetzt Haushaltssalz mit Holundersirup und lässt es vorsichtig trocknen) oder der Silber-Pulser zur Herstellung von „kolloidalem Silber“ und zur Trinkwasserverbesserung (schwer zu kopieren, da Silber doch von den meisten Menschen erkannt wird – mit Silberpapier lässt sich hier keine billige Alternative herstellen!).

Wenn du dir handwerklich etwas mehr zutraust, kannst du auch aus Kleiderbügeln Energiespiralen biegen, die nach dem Viktor Schauberger-Prinzip Wasser verwirbeln und damit die Eigenschaften des Trinkwassers deutlich steigern.

Ich überlege auch schon den Import von Anti-Atomkraft-Aufklebern aus Sri Lanka. Deren Inschrift kann keine Sau lesen, aber die Symbole sehen beeindruckend aus. Das Set (ein Aufkleber samt Begleitzettel) verschenkt man dann als Aufkleber für Handys, der die störende Strahlung aus dem Gerät entfernt. Wenn man überlegt, dass ein solcher Aufkleber im Fachhandel nicht unter 15 Euro zu kriegen ist, dann lohnt sich der Import aus Sri Lanka schon ab geringen Stückzahlen.

Wahrscheinlich könnte man sogar auf Nachfrage behaupten, dass es in Sri Lanka eine Gruppe von Mystikern mit einer ungebrochenen Tradition seit der Steinzeit gibt, die sich schon immer mit schädlicher Strahlung auseinandergesetzt hätte. Die großen Kommunikationsanbieter wollen aber nicht, dass wir Konsumenten erfahren, wie gefährlich mobiles telefonieren eigentlich ist. Daher verhindern sie, dass die Texte auf den Aufklebern in unsere Landessprache übersetzt werden. Aber die Mystiker haben vorgesorgt – der Aufkleber wirkt auch, obwohl hierzulande kein Mensch lesen kann, was darauf steht.

Wenn du wegen des „erlogenen Geschenks“ dein Gewissen beruhigen willst, dann halte dir vor Augen, dass du ein Drittweltland mit deinem Import finanziell unterstützt. Und wahrscheinlich wirst du sowieso erleben, dass alle Menschen, denen du den Aufkleber geschenkt hast, dir mitteilen werden, dass ihr Handy seitdem viel weniger weh tut ... und dann kannst du nicht mehr einfach erklären, dass du die Geschichte erfunden hast (oder ich sie erfunden habe, aber ich will in diesem Fall von mir als Schuldigem ablenken).

Wenn es wirkt – wer soll dann was dagegen haben?

Und bis nächste Woche habe ich dann vielleicht auch meine Experimente mit Säge und Partybesteck abgeschlossen, um einen Vorhautreiniger präsentieren zu können, der nach dem Pinkeln immer von Männern angewendet werden sollte. Die geplante Werbekampagne grenzt zwar an das Unanständige – aber warum sollen nicht auch Männer von esoterischen Produkten profitieren können?

„Reinigen Sie ihre Vorhaut nach jedem Toilettenbesuch mit dem Eichelhobel, und Sie werden nicht nur feststellen, dass sie weniger von Infektionen wie Schnupfen und Grippe heimgesucht werden, ihr verbesserter natürlicher Körpergeruch wird auch die Reaktionen des anderen Geschlechts verbessern!“

Ich liebe Weihnachten!

In diesem Sinne,

Hosianna in der Höhe!

Dein Homo Magi

 

Männer!

 

Hallo Salamander,

 

vor zwei Wochen habe ich dir geschrieben, was ich über Muttergottheiten denke – okay, der Aufhänger war Maria, aber das ist doch ein guter Zugang für dieses Thema.

Ich habe brav geschildert, was ich alles nicht glaube – aber um eine positive Definition habe ich mich in weiten Teilen gedrückt. Also will ich es hier versuchen (mir meiner religiösen Unzulänglichkeiten voll bewusst!).

 

1. Ich glaube daran, dass es ein Wesen gibt, welches den Kosmos und damit uns geschaffen hat. Dieses Wesen nenne ich „Gott“, weil mir kein besserer Begriff dafür einfällt.

2. Dieses Wesen namens „Gott“ hat irgendeinen Plan mit der Schöpfung. Wir sind nicht einfach so in das Leben hineingeworfen worden, der Kosmos ist nicht nur die Kulisse für den Entwurf unserer Zivilisation (samt Autokino, Volksmusik und Popcorn).

3. Wir Menschen sind nicht in der Lage, „Gott“ in seiner Gesamtheit zu erkennen. Wir machen uns Bilder von „ihm“ oder „ihr“, die besser handhabbar sind als ein unbeschreibbares Wesen.

4. Unsere Kultur und unsere Gesellschaft spiegeln sich in dem wider, wie wir „Gott“ beschreiben. Umso höher eine Kultur aufsteigt, umso detailreicher wird ihr Bild von „Gott“.

5. Wir Menschen sind in zwei Geschlechter geteilt.[10]

 

Natürlich spiegelt sich mein Männerbild auch in dem wider, was ich von einer männlichen Gottheit annehme. Und meine Kriegeranteile sind – äh – ein wenig unterentwickelt. Ich halte es da eher mit Figuren wie Loki oder Pan. Hey, wer es schafft, Thor dazu zu kriegen, in Frauenkleidern bei den Riesen aufzutauchen, der hat meine volle Sympathie verdient!

Ich glaube auch nicht, dass die Antwort auf mehrere tausend Jahre Patriarchat darin besteht, jetzt die weiblichen Anteile überzubetonen (ich bin da eher für eine 48:52 Verteilung zugunsten der Weiblichkeit) – aber mit dieser Position dürfte ich im Heidentum des 21. Jahrhunderts auf ziemlich verlorenem Posten stehen. Obwohl ich schon seit längerer Zeit den quälenden Verdacht habe, dass die ganzen Hexen, welche jene Teenie-Ratgeber über Hexerei schreiben, in Wirklichkeit Männer sind, die versuchen, möglichst viele Schablonen über weibliches Verhalten auf möglichst vielen Seiten Text unterzubringen.

Ich Böser. Ich finde Loki lustig (siehe oben). Es darf auch bei einer männlichen Sicht des Heidentums nicht nur den Jäger, den Krieger geben. Er spielt sicherlich eine Rolle, aber in meinem Leben spielt er nicht die Rolle. Spätestens seit Monty Python wissen wir, dass in einer Welt voller Supermänner jener die wichtigste Person ist, der ein Fahrrad reparieren kann ...

 

In diesem Sinne,

Dein Homo Magi

 

 

Selbstzerstörung

Lieber Salamander,

es gibt Tage, da bin ich von der menschlichen Rasse und ihren Fähigkeiten positiv überrascht. Es sind nicht viele Tage, es passiert nicht häufig. Aber jedes Mal, wenn es passiert, bin ich erneut erfreut.

Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung unter dem wenig vielversprechenden Titel „Galileo wird zerstört“ eine Meldung der NASA über die Zukunft der Sonde Galileo. Ich glaube, ich hätte den Artikel nicht begonnen, wenn er nicht mit einer schönen Zeichnung der Raumsonde vor dem Jupiter versehen worden wäre. Irgendwie bin ich ein Fan dieser Illustrationsart, die mir das erste Mal in Büchern über die Raumfahrt aus den späten 60ern begegnet ist. Als Kind waren sie alle so, die Raumfahrtführer, die uns Leben auf dem Mond und Reisen zum Mars versprachen. Versehen mit Konstruktionszeichnungen von möglichen Raumschiffen verfügten sie auch über realistische Zeichnungen, wie man sich das Leben im Weltraum und auf fremden Himmelskörpern vorzustellen hatte.

Damals gab es noch keine Möglichkeit, Bilder im Computer zu bearbeiten oder gar herzustellen. Das gab diesen Illustrationen aber etwas, nämlich einen bestimmten Stil, der nicht wirklich realistisch war, immer ein wenig an russische Weltraumzeichnungen erinnerte (vielleicht verfügten beide Seiten damals über das selbe Zeichenbüro?).

Aber der erste Satz des Artikels fesselte mich dann doch: „Nasa lässt Sonde in der Jupiter-Atmosphäre zerschellen, um mögliches außerirdisches Leben auf dem Mond Europa zu schützen“.

Bevor Galileo 1989 auf ihre 14-Jahre-Reise durch das Sonnensystem aufbrach, hatte man sich wohl keine Gedanken darüber gemacht, ob Mikroben die Reise überleben könnten. Heute weiß man, dass es prinzipiell möglich ist, dass Millionen von Mikroben im warmen Kühlwasser des Atommeilers der Sonde brav vor sich hin existieren. Einverstanden, sie werden noch nicht Schlagermusik und linksdrehenden Joghurt erfunden haben, aber trotzdem sind sie Vorstufen zum Leben.

Die NASA[11] überlegt, dass Europa (ich rede wieder von dem Jupitermond, nicht von dem von uns bewohnten Kontinent, auf dem es ziemlich sicher Leben gibt) möglicherweise Leben trägt. „Auf dem Jupitermond Europa, dessen Ozeane von Eis bedeckt sind, könnte es nach Einschätzung von Astronomen außerirdisches Leben geben.“ Okay, warum fragt man da die Astronomen? Jeder Friseur könnte einem erklären, dass es auf einem Jupitermond sicherlich außerirdisches Leben gibt, kein irdisches Leben. Oder ist das nicht so gemeint, und man unterstellt Astronomen eine Vorbildung in Exobiologie? Nun, wie auch immer. Nach den Fehlschlägen der letzten Jahre (ich sage nur: Bumm!) hat die NASA hier eine selbstlose Entscheidung gefällt.

Um mögliches Leben auf Europa zu schützen. Hey, halt, der Plot kommt mir irgendwie bekannt vor – wie war das doch gleich in „2001“ nach Arthur C. Clarke? Verwandelt sich da nicht Jupiter in eine Sonne, um Leben auf Europa möglich zu machen? Lesen NASA-Mitarbeiter etwa Science Fiction-Romane oder schauen sie gar Kubrick-Filme im Fernsehen? Oder gibt es so etwas wie Moral bei Wissenschaftlern – ist es mehr, als nur ein großer Werbegag, um auf sich aufmerksam zu machen?

Ich hoffe einfach mal, dass es ernst gemeint ist. Das Universum ist zu groß, als das wir dort allein sein könnten. Vielleicht gibt es (noch) kein Leben auf Europa, aber irgendwo da draußen gibt es Leben. Und wenn wir schon die Erde verpfuscht haben, vielleicht können wir ja ab der Jupiter-Bahn Reue zeigen und moralisch handeln. Wäre keine schlechte Idee.

Jetzt muss ich nur noch erklären können, warum radioaktiver Müll nicht auf Europa abgeladen werden darf, weil es da vielleicht intelligentes Leben geben könnte, während atomarer Müll sehr wohl in Europa abgeladen werden darf, wo es ziemlich sicher intelligentes Leben gibt. Vielleicht, weil keine schwarzen Monolithen über mich wachen. Oder ist Stonehenge in Wirklichkeit ein kosmisches Domino aus ehemals schwarzen Monolithen, das heißen soll „Hey, hier kein Atommüll!“ Wäre eine Hoffnung wert – auch wenn es diverse Druiden-Fans vor den Kopf stoßen dürfte.

Ich bleibe nachdenklich.

Dein Homo Magi

 

Gib mir Strom (die Kraft aus der Dose)

Hallo Salamander,

jetzt ist der Strom in Italien ausgefallen. Okay, es ist einfach, über die Italiener zu lästern. Gelten sie doch nicht nur als faul, sondern auch als arbeitsscheu. Und immer wieder schaue ich mir gerne Fernseh-Dokumentationen an, welche über die Ämter in Italien berichten. Oder über die Mafia. Oder über Berlusconi. Oder oder oder. Aber das jetzt auch der Strom ausfallen musste.

Wir rekapitulieren. Alles begann mit dem Blackout in Nordamerika. Nachts war es von New York bis Toronto und Detroit dunkel. Angeblich war das Netz überlastet und wenn ein Netz mal überlastet ist, dann versucht man, aus den Nachbarnetzen Storm zu holen. Diese brechen dann auch zusammen. Und weil dann die Kraftwerke runtergefahren waren, dauerte es bis zu drei Tage, bis wieder Strom da war. Wahrscheinlich werden in den USA die Kraftwerke mit Handkurbeln neu gestartet.

Die Amerikaner haben versucht, es auf die Kanadier zu schieben. Jetzt kann man den Kanadiern eine Menge nachsagen, aber sie schalten nicht mal schnell in Toronto den Strom ab, um die Amerikaner zu ärgern.

Danach war dann Großbritannien dran. Okay, bei dem englischen Frühstück ist es wahrscheinlich gesünder, wenn man es morgens nicht herstellen kann – aber der Strom fiel nur für eine halbe Stunde aus, und das nachts. Außerdem waren es „nur“ London und der englische Südosten. Trotzdem möchte ich nicht im Stromausfall in London stehen, über die U-Bahnen und Fahrzüge Londons möchte ich nicht nachdenken.

Immerhin konnten die Engländer nicht versuchen, es den Kanadiern in die Schuhe zu schieben.

Die nächste Station war dann Dänemark samt Teilen Südschwedens. Schweden ist – wenn man der klassischen Propaganda glauben will – sowieso nur von Blockhütten und Elchen bewohnt, aber die Dänen brauchen Strom. Drei Millionen Menschen (gibt es überhaupt so viele Dänen?) waren aber ohne Strom und mussten ihre Fische kalt kauen. Auch nicht schön.

Immerhin haben sich die Schweden nicht bei den Dänen beschwert und diese ließen daraufhin auch die Kanadier in Frieden.

Jetzt ist der Strom in Italien ausgefallen. Nun, Pizza schmeckt kalt nicht sehr gut und ist dann auch nicht sehr bekömmlich, von daher kann ich verstehen, dass die Italiener eher ungehalten waren. Sie haben nicht versucht, es auf die Kanadier zu schieben, aber die Schweizer und Franzosen mussten eine Weile lang dementieren, bis klar war, dass sie wider Erwarten nicht an dem Stromausfall schuld waren (die eine umgefallene Eiche, die eine Schweizer Stormleitung umgefällt hat, war auch kein Import aus Kanada und ihr Umfallen alleine hätte nicht ausgereicht, um die italienische Stromversorgung lahmzulegen).

Da fällt mir ein – in Kanada und in der Schweiz gibt es französischsprachige Gegenden, Frankreich ist französischsprachig ... ein ähnliches Feindbild?

Was ist jetzt wirklich passiert? Die immer wieder geäußerte These „Zufall“ (so äußerte sich auch ein Sprecher des „Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung“) halte ich für falsch. Meiner Meinung nach waren es nicht die Kanadier, sondern Exil-Iraker mit Platzangst und einer aus dem fundamentalistischen Islamismus gespeisten Abneigung gegen Pornographie.

Warum?

1. Die Mehrzahl der betroffenen Länder (okay, die Dänen nicht) waren mehr oder weniger für den Irakkrieg und auf Seiten der Amerikaner, als es um den Einmarsch in Bagdad ging (was für meine Theorie mit den Exil-Irakern spricht).

2. Die Mehrzahl der betroffenen Gebiete (okay, die Dänen nicht) besitzen ausgedehnte U-Bahn-Netze (was für meine Theorie mit der Platzangst spricht).

3. Die Dänen gelten im Bezug auf die Pornographie als sehr freizügig; große Teile Europas werden mit dänischen Heften (a la „hår mjid døn klënën mædåln“) beliefert (was für meine Theorie mit der aus dem fundamentalistischen Islamismus gespeisten Abneigung gegen Pornographie spricht).

Das islamische Netzwerk ist schon so weit ausgebreitet, dass die wo sie wollen den Strom ausfallen lassen können – und damit hat G. W. Bush wieder einen Grund, um ein weiteres Land zu erobern (Kanada?).

Diese umfassende Deutung wird natürlich nicht alle Menschen zufrieden stellen, das ist mir klar. Also bin ich gerne bereit, noch zwei andere Alternativen anzubieten (und sei es nur, um zu beweisen, wie glaubhaft meine Überlegungen sind, wenn man sie gegen völlig hanebüchene Alternativen abwiegt!).

1. Außerirdische sind mit ihrem stromgetriebenen UFO auf der Erde gestrandet. Um zur Venus (Sirius, Deneb oder wo auch immer) zurückkehren zu können, brauchen sie Strom. Deswegen fliegen sie im Schutz der Dunkelheit große Lichtansammlungen an, werfen ihre Stromanker aus und zapfen. Sie sind jetzt fast flugbereit, aber an den Abzapfstellen fällt der Strom aus.

2. Die Stromanbieter planen eine umfassende Gebührenerhöhung. Da diese ohne ein Horrorszenario a la „Nachts in der U-Bahn eingesperrt“ oder „Kanadier können uns mit unserer Stromversorgung jederzeit erpressen“ nicht durchsetzbar ist, wird mit diesen erzeugten Stromausfällen Druck auf die Konsumenten ausgeübt. Am Ende zahlt jeder gerne mehr, nur damit er mittags keine kalte Pizza essen muss. Wie heißt es doch in der Zeitung: „Das Schlimmste für Millionen Italiener ist, dass es am Morgen keinen Espresso gibt.“ Und auf dieser Ebene werden die Stromanbieter argumentieren.

Ich weiß nicht – wenn ich so drüber nachdenke, dann ist die Idee mit den Stromanbietern auch nicht ohne Charme ... Aber so böse ist doch kein Mensch (von Irakern mal abgesehen).

Alles Gute,

Dein Homo Magi

P.S.: Ich trinke jetzt erst einmal einen Espresso. Den habe ich mir verdient.

 

Menschenmassen und Massenmedien

Hallo Salamander,

diese Woche war wieder die Buchmesse in Frankfurt. Menschenmassen, die sich durch Gänge wälzen und auf der Suche nach Büchern sind, in denen Ghostwriter für abgehalfterte Schlagersänger mit Solariumsbräune ihre Sex- und Glittererlebnisse schildern. Wäre mal ein netter Titel für einen Countrysong: „Ghostwriters in the sky“.

Ich erwarte natürlich nicht, dass Leser in einen Buchladen gehen und dringend nach Hauff oder Uhland verlangen. Ich habe gelernt, meine Illusionen in Zaum zu halten und aufzuhören, von einem ungeahnten Intelligenzanstieg der Menschheit zu träumen (ich glaube, es war Robert Silverberg, der mit der Schilderung eines solchen Intelligenzaufstiegs ähnliche Phantasien von mir unterfüttert hat).

Als ich noch für meinen alten Arbeitgeber geschafft habe, habe ich auch öfters auf Messen gestanden. Wir nannten Kunden dort nur „Termiten“ oder „Tsunami“. Morgens sind nur die Händler in der Halle. Man holt sich einen Kaffee, tratscht ein wenig, räumt den Stand auf und so weiter und so fort. Irgendwann nähert man sich der Stunde X, zu der die großen Rolltore der Messe für das normale Publikum geöffnet werden. Und 2 Minuten vor X verstummen alle Gespräche in der Halle. Die Stunde schlägt und die unreinen Geister sind frei. Die Rolltore werden hochgezogen und die gefräßigen Termiten nähern sich den Verkaufsständen.

Kurz vor dem Öffnen der Tore ist es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Dann öffnet sich das Tor und „sie“ stürmen herein. Erst hört man sie aus der Ferne, wie Wellen, die leise am Strand sich brechen. Dann werden sie lauter und lauter und lauter, werden zur Springflut aus Leibern, die sich die Gänge entlangwälzt und normale Unterhaltungen durch ein andauerndes Brmbltstsbmrlbtststs unmöglich macht.

Nach wenigen Minuten sehen alle gleich aus, stellen die gleichen Fragen, haben die selben Bewegungen. Die Standbesatzung kämpft nur noch gegen das Böse an. Ab und an darf ein Mitarbeiter auf die Toilette oder muss etwas zu essen holen (klug ist, wer sich vorher mit Getränken, Taschentüchern und Schokoladenriegeln eingedeckt hat!).

Mein privater Rekord für 50 Meter Hinweg, Toilettenschlange, Blase entleeren, 50 Meter Rückweg liegt bei 26 Minuten. Und dabei habe ich mir wirklich Mühe gegeben, mich so schnell wie möglich zu bewegen.

Ein Lindwurm ist gegen diese Menschenmasse ein Hochgeschwindigkeitsfahrzeug, eine Straßenbaumaschine wird auf einmal im Vergleich leise und zurückhaltend.

Abends ist es dann irgendwann vorbei. Nach einem Platzregen verläuft das letzte Wasser in den Gullis, nur einige Lachen zeugen noch vom Toben der Elemente. Hier sind es kleine Besuchergruppen, die sich standhaft dagegen wehren, die Halle zu räumen. Wenn diese endlich gegangen sind, kann man in Ruhe in Ohnmacht fallen oder aus der Halle wanken, um komatös ins Bett zu fallen.

Die Hölle ist sicherlich ein Ort, wo andauernd Messe ist ...

Ich bin bibliophil, ein echter Büchernarr. Trotzdem tue ich mir die Buchmesse an den Besuchertagen nur an, wenn ich ganz lieb darum gebeten und dafür bezahlt werde. Ansonsten gehe ich rein, wenn die Fachbesucher kommen – die sind zwar auch Schadinsekten, aber keine Termiten. Doch dieses Jahr ist das leider gescheitert, weil ich arbeiten musste. Also blieb mir diese Erfahrung erspart.

Nun, ich gebe zu, dass das Thema „russische Literatur“ mich weniger interessiert als z.B. das Thema „Science Fiction“ (passend 1984 Thema der Buchmesse). Aber trotzdem prägt diese Veranstaltung jedes Jahr meinen Kalender. In den Wochen vorher erscheinen Literaturbeilagen in den Zeitungen, Funk und Fernsehen entdecken das Buch wieder (wäre das nicht ein Anreiz, mal eine Duschmesse zu machen – auch ein Thema, was zu selten in vielen Leben stattfindet) etc. pp. Und ich bin manchmal abends auf Verlagsveranstaltungen eingeladen, um bei Schnittchen und Orangensaft („Kein Sekt, danke, ich muss noch fahren!“) über die Leseunlust der Deutschen zu lamentieren. Seufz!

Reizvoll ist immer die Genre-Veranstaltung zur Buchmesse, liebevoll BuCon oder BuchmesseCon genannt. Da kommen dann nur Leute, die gerne lesen und gerne phantastische Literatur lesen. Mut zum Buch!

Ich weiß, dass es sinnvolle Möglichkeiten gibt, an Informationen zu kommen, die nichts mit Büchern zu tun haben. Aber Bücher haben keine Werbepausen, man verpasst nichts, wenn man mal raus und auf die Toilette muss und sie informieren einen, auch wenn man nicht Hochgradeingeweihter der schwedischen Asentradition (Arbeitsgruppe Südschweden) ist. Alles Vorteile, die den Griff zum Buch lohnen.

Wow!

So, ich mache Schluss. Hier wartet ein Krimi auf mich, den ich gestern gekauft habe.

Alles Gute,

Dein Homo Magi

 

Hausfrauenfunk

Hallo Salamander,

in meinem Auto gibt es sechs Knöpfe, mit denen man Radiosender programmieren kann. Früher war das klar – da war ich scharf darauf, überall in der näheren und weiteren Umgebung dritte Programme hören zu können. Natürlich wegen der Musik, weniger ehrlich wäre die Auskunft, dass ich hier auch gut Verkehrsfunk hören kann. Der sechste Knopf war immer für einen amerikanischen Sender reserviert. Früher war das meistens AFN.

Die Zeit ist über diese Sendereinteilung hinweggegangen. Den AFN habe ich das letzte Mal in den Tagen nach dem 11. September 2001 gehört. Schon in den Jahren davor hatte ich immer mehr und mehr Schwierigkeiten mit dem Hurra-Patriotismus der Amerikaner. Aber in jenen Tagen waren die Meldungen immer voll von neuen Basen, die für die Außenwelt gesperrt waren, von neuen Wachkommandos, die deutsche Wagen kontrollieren sollten und neuen Sicherheitsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung. Mir ist seit fast 20 Jahren kein Fall mehr bekannt, dass einfache Deutsche einen Anschlag auf die amerikanische Armee in Deutschland geplant hätten. Das letzte mir bekannte Ereignis war ein Bombenanschlag auf die amerikanische Basis am Frankfurter Flughafen, irgendwann um das Jahr 1989.

Inzwischen habe ich mein Sendergefüge im Auto komplett umgestellt. Kürzlich stellte ich voller Schrecken fest, dass nur noch drei Sender mit der Begründung „moderne Musik und Verkehrsfunk“ zu erklären sind. Die restlichen drei Sender sind Schlager oder Hausfrauenfunk. Das ist jetzt nicht abschätzig gemeint, bezeichnet in der gängigen Ordnung der Radiosender eher die 1. und 4. Programme (wobei der aktuellen Musik die 3. Programme vorbehalten sind).

Werde ich einfach älter und erkenne jetzt, dass die Musik meiner Jugend zwischen Berichte und Lokalnachrichten abgerutscht ist? Ist es auch die Erkenntnis, dass ich mit der modernen Musik wenig anfangen kann, mein Finger nach wenigen Minuten auf einem 3. Radioprogramm automatisch zur Senderkennung rutschen und einen anderen Knopf drücken? Oder bin ich jetzt einfach ausgeschlafener, wenn ich ins Auto steige, und brauche nicht mehr den morgendlichen Stampf-Stampf-Rhythmus, um wach anzukommen, sondern schlafe auch nicht mehr ein, wenn ich Hintergrundberichte und Dokumentationen höre?

Immer öfters erwische ich mich dabei, dass ich halbstündige Radioreportagen über alles mögliche gerne höre. Letzte Woche habe ich – nur von Musik unterbrochen – fast 50 Minuten lang eine Reportage über die Geschichte der Esskartoffel gehört. In meinem Kopf bildete sich ein Bild, wie landesweit 2000 Bäuerinnen mit Kopftuch vor dem Volksempfänger sitzen und der Kartoffelgeschichte folgen – und natürlich ich als 2001. Hörer. Erschreckend war das nicht wirklich, aber amüsant.

Auch in Bezug auf Magie ist das so, wie ich bei einer kritischen Analyse meines Bücherschranks feststellen durfte. Früher war ich dankbar für Stampf-Stampf-Artikel, in denen mir mystische Erkenntnis nach drei Übungen und schnelle Ergebnisse versprochen worden sind. Heute habe ich die Zeit und die Muße, um mich durch ein langes Buch hindurchzulesen, welches mit nicht fertige Antworten vermittelt, aber eine solide Basis verschafft, auf der ich dann eigene Überlegungen anstellen kann.

Und im Hintergrund läuft beim Lesen auch weniger und weniger Pop, dafür gerne klassische Musik oder beruhigendes, welches mich beim Lesen nicht ablenkt (gerade läuft zum Beispiel Moondog, nicht unbedingt ein Klassiker der Esoterik, aber sehr beruhigend und entspannend!).

Ich werde halt älter. Aber ich habe nie versucht, gegen den Alterungsprozess anzukämpfen (oder anzuhören, um in meinem Bild zu bleiben). Ich genieße es, Informationen auf diese Art und Weise zu bekommen und die Zeit zu haben, sie auszuwerten und zu überdenken. Schnellschüsse sind nicht mehr mein Ziel, dafür bin ich mit denen zu oft auf die Nase gefallen.

Alleine das ist schon eine Erkenntnis, die mich mit dem Hausfrauenfunk versöhnt. Und die Kartoffeln natürlich.

Alles Gute, Dein Homo Magi

 

Gurkensalat

Hallo Salamander,

heute stand ich an der Kasse im Supermarkt, um die Dinge zu erwerben, die man braucht, um über ein Wochenende zu kommen. Du wirst dich erinnern, dass ich schon öfters die Ansicht vertreten habe, dass es sich bei Supermärkten um die letzten wahren Rückzugsorte für magische Momente handelt (mal abgesehen von Waschsalons, aber das ist eine andere Problematik – immerhin wird die Magie dort physikalisch/mechanisch durch das Drehen der Trommeln erzeugt!).

Wenn man sich der Kasse nähert, ist man auch immer den Verkaufsangeboten der Discounter ausgeliefert. Normalerweise sind das Süßigkeiten und Kaugummis. Ab einer Größe von 170 Zentimeter gerät man dann in die Zone mit dünnerer Luft und verlässt das Süßwarenregal. Hier werden Kochrezepte und Rasierklingen feilgeboten. Ich will jetzt nicht unterstellen, dass die Kochrezepte nur für Frauen sind – aber die Rasierer sind durch die Darstellung von bärtigen Männerkinns eindeutig auf eine männliche Kundschaft zugeschnitten.

Ich glaube weiterhin, dass Frauenrasierer im Regal von den Klingen her identisch mit den Rasierern für Männer sind. Nur sind die Frauenrasierer mindestens 30 % teurer, rosa und haben einen geschwungenen Griff, der mich immer an die alten Pril-Flaschen erinnert.

Aber heute entdeckte ich im Klingenregal ein neues Angebot, dass mich doch ein wenig befremdete. Hier wurden in einer Packung ein Rasierer (Griff, 2 Ersatzklingen) und eine Taschenlampe (metallisch, Stablampe, 2 Batterien) angeboten. Normalerweise bin ich gewöhnt, dass in Supermärkten solchen Duo-Packungen mit Dingen angeboten werden, die auch zusammengehören (Babynahrung und Saugflasche, Zahnpasta und Zahnbürste). Auch aus dem mystischen Buchhandel sind diese Warenkoppelungen bekannt (Buch und CD, Pendelbuch und Pendel, Tarotkarten und Anleitungsbuch). Aber Taschenlampe und Rasierer?

Habe ich jahrelang etwas falsch gemacht, weil ich im Bad beim Rasieren einfach das Licht angemacht habe? Immerhin konnte ich mich dann im Spiegel sehen. Geht man davon aus, dass man sich bei Taschenlampenlicht rasiert – warum lag dann kein Spiegel dabei? Und wenn ich mich rasiere, benutze ich beide Hände. Mit der einen halte ich den Rasierer, mit der anderen ziehe ich die Haut straff, damit ich nicht jeden Morgen mein markantes Knubbelkinn aufschlitze. Soll ich die Taschenlampe vielleicht in den Mund nehmen und mich damit selbst beleuchten? Okay, eine Stabtaschenlampe wäre noch irgendwie zwischen meinen Zähnen unterzukriegen – wobei ich lieber auf Plastik denn auf Metall beißen möchte, während ich mich rasiere.

Aber die Taschenlampe wäre wiederum im Weg, wenn ich in meinem Gesicht herumfuhrwerke. Kurz habe ich noch überlegt, ob man sie vielleicht in die Nase ... Nein, dann müsste ich den Kopf soweit zurücklegen, um den Spiegel zu beleuchten, dass ich nichts mehr sehen würde. Außerdem wäre das bestimmt unangenehm und ich kann meine Nase nicht wirklich anspannen, um eine Taschenlampe festzuklemmen.

Die Wartezeit an der Kasse ist mir so verkürzt worden, aber eine Lösung habe ich nicht gefunden. Scheinbar ist dieses Produkt am Markt vorbeiproduziert – oder es gibt sie da draußen, die Männer, die sich bis jetzt im Dunkeln rasiert haben und über eine Taschenlampe glücklich wären.

Ich glaube, ich werde mich irgendwann mit einem „Homo Magi“-Sammelband auf eine Esoterikbörse stellen und „Magisches Buch und Gurkensalat“ verkaufen. Luftdicht verpackter Gurkensalat und ein eingeschweißtes Buch im Beutel. Keine Gabel. Sollen die Leute sich doch selbst überlegen, was das zu bedeuten hat. Wenn andere so etwas anbieten können, dann kann ich das auch.

Dein Homo Magi

 

Muster

Lieber Salamander,

ein heidnisches Jahr nähert sich seinem Ende. Bald ist wieder Samhain und wir verabschieden die Verstorbenen.

Erstaunlich ist für mich, wie schnell die drei Jahre, die ich dir schon brav jede Woche schreibe, vorbeigegangen sind. Die Zeit verrinnt wie Sand in unseren Händen.

Ein Thema, mit dem ich mich das letzte Jahr wieder beschäftigt habe, sind die Strukturen, in denen unser Leben organisiert ist. Wir kennen verschiedene Raster, in denen unser Leben verläuft.

Da ist die Arbeit, die uns einen Rhythmus aufzwingt. Wir müssen zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort sein, unseren Urlaub einreichen und genehmigt bekommen. Dann unsere Familie, die zumindest die ersten Jahre unseres Lebens mit einem klaren Raster versieht. Man schlängelt sich durch das Jahr von Familienfeier zu Kindergeburtstag zu Festterminen wie Weihnachten und Ostern. Unser Wohnort macht uns auch bestimmte Vorgaben – sei es nur der Termin der Müllabfuhr, die Kommunalwahlen oder Straßenarbeiten, die unsere tolle Tagesplanung durcheinanderbringen. Und natürlich ist es auch bei vielen Menschen noch die Gemeinde als religiöser Mittelpunkt, der zu bestimmten Terminen (dankenswerterweise vom Kirchturm mit Glockengeläut angekündigt) unsere Aufmerksamkeit heischt. Aber wie sieht das im Heidentum aus? Gibt uns unsere religiöse Zugehörigkeit auch ein Raster vor, einen Plan, wie wir das Jahr und unser Leben bestreiten wollen?

Was den Jahreslauf betrifft, so ist das Heidentum – zumindest in Deutschland – inzwischen in der Lage, die „Kerntermine“ der Hochfeste mit gemeinsamen Feiern abzudecken. Auch ich fahre heute noch auf eine Samhainfeier im Kreis „meiner Lieben“, damit ich diesen Termin nicht alleine oder eben mit zwei bis vier Leuten feiern muss.

Aber die Lebensrhythmen – da versagt das Heidentum weiterhin. Ich gebe gerne zu, dass dies ein Missstand ist, auf den ich schon ein paar Mal hingewiesen habe, lieber Salamander. Aber hier sehe ich weiterhin keine Besserung, weswegen mein Gerufe in der Wüste weitergehen wird.

Wie gehen wir mit der Geburt und dem Tod um (ich weiß, Samhain weist immer wieder auf dieses Thema – aber denken wir auch das restliche Jahr darüber nach und entwickeln und vereinbaren wir Riten, um damit umzugehen?)? Was ist mit Hochzeiten und Initiationen bzw. Weihen egal welcher Art? Wie gerne amüsieren wir uns über die Gradgläubigkeit vieler magischer Gruppen, aber dem selbst etwas entgegenzustellen, sind wir zu schwach oder zu unfähig. Selbsterklärte Priester und Heiler bestimmen das Bild, das wir in der Öffentlichkeit bieten – Priester und Heiler ohne Rückhalt in einer Gemeinschaft, die sie berufen und abberufen kann.

Lieber Salamander, für mich sind diese Punkte wichtig. Sie bieten mir nämlich die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Entwürfen, die mein Leben bestimmen, eigene Muster entgegenzusetzen. Und darum geht es doch: Wir wollen Muster erzeugen, die das Muster der Welt verschönern und erweitern und uns nicht in die Vorgaben zwingen lassen, die uns die (christliche) Kultur vorgeben hat. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg ...

Ich wünsche dir ein schönes Samhain, mein Lurch!

Alles Liebe,

Dein Homo Magi


 

„Challenger“ (1986), „Columbia“ (2003)

Hermann Ritter, 01.02.2003

ist noch online

 

 


 

[1] Greil Marcus „Dead Elvis“ (St. Andrä-Wördern, 1997), S. 129

[2] www.gomemphis.com/mca/goelvis_king_we.../0,1426,MCA_2779_1254368,00.htm

[3] Google-Treffer für „Biospähre“ heute: 69. Noch Fragen?

[4] Google-Treffer für „Satelitten“ heute: 5780. Ich glaube langsam an eine Geheimsprache samt Geheimgrammatik für Verschwörer.

[5] www.haarp.alaska.edu/

[6] Auch hier ist die Info wichtig, dass dieser Tag im August der eines Fußballspieles Deutschland-Finnland war! Sonst gibt der Tag in meinen Suchmaschinen nix Außergewöhnliches her.

[7] Google bildet. Der „Medation in Bewegung und Stille Index“ findet sich unter medimidi.de/homepage.htm (der Tippfehler taucht im Text eigenartigerweise nicht auf); „Medation“ gibt 428 Treffer bei Google.

[8] Sie findet sich aber unter „Urka – die Urzentralsonne“ (Google zu „Urzentralsonne“: 155 Treffer) bei www.urka.de; hier findet sich viel zu Lorber und Swedenborg.

[9] Immer dran denken: Deutschland-Finnland!

[10] Okay, das ist der Platz, um den Zwitterwitz unterzubringen: In New York ist jetzt zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ein Zwitter geboren worden. Der Zwitter hat beide Geschlechtsmerkmale: Penis und Gehirn.

 

 

 

 


 

 

 


[

 


 

Archiv Jahr 2

Archiv Jahr 4

Mail an Homo Magi

Inhalt

Beiträge des Teams:
Rezensionen

Märchen und Satire
 
Essais
Sachartikel Nachrufe
Bücherbriefe
Perry Rhodan-Kolumnen