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Hallo
Salamander,
immer wieder gibt es Kritik an der Darstellung
(oder fehlenden Darstellung) von Frauen und Frauenberufen in der
mittelalterlichen Kunst. Diese Kritik zieht sich von dieser Epoche dann
in beide Zeitrichtungen – zu wenige Frauen auf zu vielen Bildern.
Gleichzeitig haben wir eine Entwicklung, in der
das biologische Geschlecht (wobei hier diskutiert wird, ob es das noch
gibt) und das gelebte Geschlecht identisch sind oder sein müssen. Das
heißt, dass die eigene Geschlechtlichkeit erklärbar wird und erklärbar
sein sollte.
Wenn man diesen Gedanken weiter verfolgt, dann
führt das dazu, dass die Bildersprache der Kunst nur verständlich wäre,
wenn wir wüssten, ob der Filter zur Wahrnehmung von Geschlechtern auf
historischen Bildern nicht nur unserer eigenen Schere im Kopf folgt. Wir
sehen männliche Figuren in Männerkleidung und Männerberufen, ergänzen
also selbst den Rahmen und folgern dann, dass hier zu wenige Frauen zu
sehen sind. In einer Ära, in der die Geschlechtlichkeit erklärbar ist,
müssen wir dann konsequent diese Erklärbarkeit auch auf die
Vergangenheit anwenden.
Für mich ist Kunst aus sich selbst raus
erklärbar oder erklärend. Ich weiß, was mir gefällt und misstraue allem,
was man mir erst erklären muss. Komischerweise ist Kunst gerade im
öffentlichen Raum umso mehr erklärungsbedürftig, desto teurer sie ist.
Der Zusammenhang zwischen meiner Kunstwahrnehmung und einem Banausentum
mag hier diskutierbar sein, aber ich bin schon in der Lage, in vielen
Dingen Kunst zu erkennen und zu genießen und zu verteidigen, die andere
Menschen (und zwar mehr als nur Mitarbeiter und Verwandte des Künstlers)
schön finden.
Aber die Erklärbarkeit von Kunst ernährt zuerst
jene, welche die zu erklärende Kunst herstellen und jene, die sie
erklären. Ich vermute leider, dass das bei der Erklärbarkeit der
Geschlechtlichkeit ähnlich wird.
So, jetzt verreise ich ein paar Tage, damit du
dich abregst.
Dein Homo Magi
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