Homo Magi 

Frauenbild und Bilderfrauen

22.10.2023

Homo Magi

Hallo Salamander,

immer wieder gibt es Kritik an der Darstellung (oder fehlenden Darstellung) von Frauen und Frauenberufen in der mittelalterlichen Kunst. Diese Kritik zieht sich von dieser Epoche dann in beide Zeitrichtungen – zu wenige Frauen auf zu vielen Bildern.

Gleichzeitig haben wir eine Entwicklung, in der das biologische Geschlecht (wobei hier diskutiert wird, ob es das noch gibt) und das gelebte Geschlecht identisch sind oder sein müssen. Das heißt, dass die eigene Geschlechtlichkeit erklärbar wird und erklärbar sein sollte.

Wenn man diesen Gedanken weiter verfolgt, dann führt das dazu, dass die Bildersprache der Kunst nur verständlich wäre, wenn wir wüssten, ob der Filter zur Wahrnehmung von Geschlechtern auf historischen Bildern nicht nur unserer eigenen Schere im Kopf folgt. Wir sehen männliche Figuren in Männerkleidung und Männerberufen, ergänzen also selbst den Rahmen und folgern dann, dass hier zu wenige Frauen zu sehen sind. In einer Ära, in der die Geschlechtlichkeit erklärbar ist, müssen wir dann konsequent diese Erklärbarkeit auch auf die Vergangenheit anwenden.

Für mich ist Kunst aus sich selbst raus erklärbar oder erklärend. Ich weiß, was mir gefällt und misstraue allem, was man mir erst erklären muss. Komischerweise ist Kunst gerade im öffentlichen Raum umso mehr erklärungsbedürftig, desto teurer sie ist. Der Zusammenhang zwischen meiner Kunstwahrnehmung und einem Banausentum mag hier diskutierbar sein, aber ich bin schon in der Lage, in vielen Dingen Kunst zu erkennen und zu genießen und zu verteidigen, die andere Menschen (und zwar mehr als nur Mitarbeiter und Verwandte des Künstlers) schön finden.

Aber die Erklärbarkeit von Kunst ernährt zuerst jene, welche die zu erklärende Kunst herstellen und jene, die sie erklären. Ich vermute leider, dass das bei der Erklärbarkeit der Geschlechtlichkeit ähnlich wird.

So, jetzt verreise ich ein paar Tage, damit du dich abregst.

 

Dein Homo Magi

 

 

 

 

 


 

 

 


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