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Hallo
Salamander,
die CD mit Kriegsaufnahmen von Glenn Miller, die ich gerade höre,
beginnt mit der Ansprache „Hallo Soldaten! Hier spricht Ilse.“ Heute
undenkbar, und das nicht nur, weil die Soldaten in der Ansprache nicht
gegendert ist.
Es geht nicht nur um die Situation von Propaganda und Gegen-Propaganda,
für welche die deutschsprachigen Sendungen der Amerikaner und Briten
besonders von Bedeutung waren. Es geht auch nicht darum, dass man damals
selbstverständlich für ein englischsprachiges Programm deutsche Ansagen
brauchte, wenn man die Hörer erreichen will. Sondern es geht in meiner
Wahrnehmung auch um Gleichzeitigkeit.
Bücher sind in der Geschwindigkeit individuell, Radio hat lange vor dem
Fernsehen für parallele Zeit gesorgt – alle, die vor dem Empfänger
saßen, erhielten dieselben Informationen zur selben Zeit in derselben
Reihenfolge. In den Tagen von Streaming und immer wieder (?) abrufbaren
Informationen unvorstellbar. Nach der Sendung waren alle Hörer auf
demselben Stand, was die Informationen über Ilse, Glenn Miller und
seinen Jazz betraf, samt gestreuten Informationen über Glenn Millers
Meinung zum Zusammenhang zwischen Musik und Demokratie. Danach konnte
man hinter diese Information nicht mehr zurück, wenn man zugehört hatte
… wie der ganze Straßenzug an Nachbarn, die auch zugehört hatten, wenn
alles gut gelaufen war.
In den 70ern gab es im Fernsehen noch die „Straßenfeger“ genannten
Krimis, bei denen die Einschaltquoten vermuten ließen, dass jeder
zugeschaut hat. Auch in meiner Kindheit gab es neben Fußball und
europäischen Gesangsshows noch solche Momente, an denen am nächsten
Morgen in der Schule alles anders war, weil es für alle anders war.
Der Tod von Elvis, der Tod von John Lennon, der Anschlag auf die
Zwillingstürme in New York – da war man gezwungenermaßen zeitgleich
wieder auf Stand. Aber heutzutage sind wir als Gesellschaft hier außer
Takt. Und nie ist mir das so aufgefallen, wie jetzt, nach Corona.
Wir sind außer Takt.
Dein Homo Magi
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Kolumnen



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